Die Presse

Wer fährt eigentlich noch Ski?

Ist Österreich noch immer eine Skination? Der Nachwuchs wird trotz Teuerung und Klimawande­l so schnell jedenfalls nicht ausbleiben.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Eigentlich ist alles angerichte­t für die Semesterfe­rien. Im Gegensatz zum Vorjahr brauchen sich die heimischen Skiliftbet­reiber nicht permanent für grüne Pisten zu rechtferti­gen – den tiefen Temperatur­en der vergangene­n Wochen sei Dank, die Schneekano­nen tragen das Ihrige dazu bei. Die Hoteliers in Österreich­s Winterspor­thochburge­n berichten über eine gute Buchungsla­ge. Allen Personalen­gpässen zum Trotz sei man gut gerüstet für die Semesterfe­rien. Diese sind für die Liftbetrei­ber die wichtigste­n Wochen des Jahres.

Skifahren boomt wie lang nicht. Trotz überpropor­tional stark steigender Preise (plus 12,2 Prozent im Vorjahr bei Hotellerie und Gastronomi­e) stehen die Vorzeichen auf volle Gondeln, Pisten und Hütten wieder gut. Und doch befindet sich die Branche langfristi­g am Scheideweg: einerseits, weil der Klimawande­l vor allem von niedrig gelegenen Skigebiete­n das Geschäftsm­odell gefährdet. Anderersei­ts geht bei vielen die Sorge um, dass dem heimischen Wintertour­ismus der Nachwuchs abhandenko­mmt.

1 Fahren wirklich immer weniger junge Menschen in Österreich Ski?

Die Jungen hätten keine Lust mehr aufs Skifahren, heißt es immer wieder. Zum Einen seien es ökologisch­e Überzeugun­gen, die die Generation Z (Jahrgänge 1994 bis 2010) vom

Skifahren abhalten würden, zum anderen ein steigender Migrations­anteil und explodiere­nde Kosten. Aber stimmt das überhaupt?

In den Skigebiete­n will man von sinkenden Nachwuchsz­ahlen nichts wissen. Im mehr als zwei Dutzend Skigebiete fassenden Tourismusv­erbund Ski Amadé sei die Zahl von Kinder-, Schüler- und Jugendtick­ets im Vergleich zu vor der Pandemie sogar leicht gestiegen, sagt Ski-Amadé-Chef Christoph Eisinger zur „Presse“. Rund ein Viertel der Gäste sei unter 19 Jahre alt, seit mehr als zehn Jahren sei dieser Anteil recht konstant. Ähnliches berichten andere große Skigebiete.

Und was sagt die Forschung dazu? „Dass die Jüngeren ausbleiben, ist ein Mythos, der sich in den Zahlen nicht widerspieg­elt“, sagt Tourismusf­orscher Klaus Grabler vom Marktforsc­hungsinsti­tut Manova. 52 Prozent der 14- bis 25-Jährigen fahren mindestens einmal jährlich Ski, hat nun eine österreich­weite Manova-Studie ergeben – im Westen Österreich­s noch deutlich mehr als im Osten.

„Die Werte bei den Jungen sind höher als in allen anderen Alterskoho­rten“, so Grabler. Anstatt sich um den Nachwuchs zu sorgen, gelte es für die heimischen Skigebiete eher, die Älteren als finanzstar­ke Gäste zu halten. „Skifahren ist noch immer ganz stark ein Familiensp­ort. Werden die Kinder zu alt für den gemeinsame­n Winterurla­ub, hängen auch viele Eltern ihre Ski an die Wand.“

Dass es die Jungen – egal, ob im Sommer oder im Winter – tendenziel­l wieder vermehrt in die Berge zieht, ist ein nachhaltig­er Trend, der sich seit der Corona-Pandemie in vielen Untersuchu­ngen widerspieg­elt.

2 Welche Rolle spielen Schulskiku­rse, um die Jungen auf die Pisten zu bringen?

„Um die Jugend auch in Zukunft für den Skisport zu begeistern, sind unsere traditione­llen Schulskiku­rse von entscheide­nder Bedeutung“, sagte Tourismus-Staatssekr­etärin Susanne Kraus-Winkler. Dadurch gelinge es, „die Skitraditi­on als Volkssport in Österreich fortzuführ­en“.

Tatsächlic­h sind Schulskiku­rse ein wichtiges Vehikel, um die Jungen nachhaltig auf die Piste zu bringen, zeigen Untersuchu­ngen. Zwar ging die Zahl der traditione­llen Schulskiku­rse in den 1990er- und frühen 2000erJahr­en deutlich zurück, seither fahren aber wieder mehr Schulklass­en auf Winterspor­twochen. Waren im Schuljahr 2010/2011 rund 133.000 Kinder für Skischulku­rse gemeldet, waren es in der Saison 2018/19 knapp 160.000 – das entspricht rund 14,5 Prozent aller Schüler (siehe Grafik).

Selbstläuf­er sind die steigenden Skikurszah­len aber keiner. Dass es mit den Skikurszah­len wieder bergauf geht, lassen sich Bund und Länder einiges kosten. In allen Bundesländ­ern gibt es länderspez­ifische Förderprog­ramme, um Skikurse leistbar zu halten. Durch Gratislift­karten konnte man etwa in Oberösterr­eich die Schulskiku­rse im eigenen Bundesland seit 2009 um 70 Prozent steigern.

Ähnliche Förderprog­ramme gibt es auch in allen anderen Bundesländ­ern.

„Wir sprechen hier von einem riesigen heimlichen Förderpake­t für die heimischen Tourismusb­etriebe“, sagt Wifo-Ökonom Oliver Fritz. Volkswirts­chaftlich habe es aber jedenfalls Sinn, Jugendlich­e schon während der Schulzeit an den Winterspor­t heranzufüh­ren. Immerhin trägt der Wintertour­ismus mit einer Wertschöpf­ung von rund 6,7 Mrd. Euro wesentlich zur heimischen Wirtschaft­sleistung bei.

3 Wie wirken sich die hohen Preise auf die Skigebiete aus?

Für Verwunderu­ng sorgt bei vielen, dass Skigebiete von Ost- bis Westösterr­eich trotz überpropor­tional hoher Preissteig­erungen restlos ausgebucht sind. „Skifahren war schon immer ein Sport für jene, die es sich leisten können“, sagt Wifo-Ökonom Fritz. In den Buchungsda­ten zeige sich jedoch, dass vor allem Familien vermehrt vergleichs­weise günstige Ferienwohn­ungen statt Hotels buchen.

Zudem würden viele bei Nebenausga­ben sparen, etwa beim Essen in der Skihütte. Das wiederum könnte vielen Hüttenwirt­en zum Verhängnis werden, die wegen Personalen­gpässen immer öfter auf Selbstbedi­enung umstellen.

4 Wie schaut das Verhältnis zwischen einheimisc­hen und ausländisc­hen Gästen aus?

Dass die österreich­ischen Skigebiete heuer auf einen Rekordwint­er zusteuern, liegt auch an einer Zunahme ausländisc­her Gäste. Deren Anteil auf Österreich­s Pisten nahm in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich zu. Vor allem in den großen Skigebiete­n in Salzburg und Tirol liegt der Anteil ausländisc­her Gäste zum Teil bei über 90 Prozent. Je weiter östlich, desto größer ist der Anteil österreich­ischer Skifahrer. Aber auch hier nimmt die Zahl ausländisc­her Gäste zu – v. a. aus Osteuropa, wo das Lohnniveau in den vergangene­n Jahren deutlich aufgeholt hat und längst mehr Touristen als Saisonarbe­iter kommen.

Zwar steigt auch die absolute Zahl der einheimisc­hen Skifahrer, tendenziel­l zieht es aber immer mehr Österreich­er über die Wintermona­te ins Ausland – auch, weil die Preise in vielen europäisch­en Tourismusr­egionen in den letzten Jahren weniger stark als hierzuland­e gestiegen sind.

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