Die Presse

Wie die USA die Achse Irans spalten wollen

Als Vergeltung für den Tod von US-Soldaten plant Washington Militärsch­läge gegen proiranisc­he Milizen. Dieses Netzwerk soll dem Iran die Macht in der Region sichern. Doch zuletzt wuchs dort Kritik an Teheran.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Istanbul/Teheran. Die „Achse des Widerstand­s“ist der Stolz der iranischen Außenpolit­ik. Das Netzwerk aus proiranisc­hen Gruppen im Nahen Osten reicht von der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz und dem syrischen Regime im Norden bis zu den jemenitisc­hen Houthi-Rebellen im Süden und vereint antiamerik­anische und antiisrael­ische Kräfte unter der Führung Teherans. Im Gazakrieg unterstütz­t die „Achse“das Bündnismit­glied Hamas, doch nun gerät sie unter Druck: Die USA haben nach dem Tod von drei amerikanis­chen Soldaten Vergeltung­sangriffe auf iranische Verbündete in Syrien und im Irak angekündig­t. Sollten die iranischen Partner abgestraft und der Iran verschont bleiben, dürften Spannungen in der Allianz wachsen.

Milizionär­e der irakischen Kata’ib Hisbollah, die zur „Achse“gehört, hatten die US-Soldaten am Sonntag mit einer Drohne getötet. Die US-Regierung will sich laut Medienberi­chten mit mehrtägige­n Militärsch­lägen in Syrien und im Irak rächen, doch Angriffe auf iranisches Territoriu­m sind demnach nicht vorgesehen.

Antwort auf „Achse des Bösen“

Der Iran verfolgt mit der „Achse des Widerstand­s“ein doppeltes Ziel: Teheran will mit dem Netzwerk seinen Einfluss im Nahen Osten ausbauen und sich einen Vorhof zur Selbstvert­eidigung schaffen. Zur „Achse“gehören nicht nur schiitisch­e Gruppen: Die Hamas ist eine sunnitisch­e Organisati­on. Für die schiitisch­e Führung des Irans gehe es nicht um Religion, sagt die Iran-Expertin Sanam Vakil vom britischen Institut Chatham House: Die gemeinsame Weltsicht – Ablehnung der US-Vormachtst­ellung und Feindschaf­t mit Israel – und die Möglichkei­ten zum Machtausba­u seien wichtiger.

Der Begriff „Achse des Widerstand­s“entstand vor zwei Jahrzehnte­n als Antwort auf den Begriff „Achse des Bösen“, mit dem der damalige US-Präsident George Bush die Regime im Irak, im Iran und in Nordkorea bezeichnet hatte. Die Bündelung proiranisc­her Kräfte war vor allem das Werk des iranischen Generals Qasem Soleimani. Als Chef der Auslandstr­uppe der iranischen Revolution­sgarde stärkte er die Hisbollah im Libanon, unterstütz­te den syrischen Präsident Bashar al-Assad im Bürgerkrie­g und kommandier­te proiranisc­he Milizen im Irak im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS). Der General organisier­te auch Waffenlief­erungen an proiranisc­he Gruppen.

Seit dem Tod Soleimanis bei einem US-Angriff vor vier Jahren hat sich die Struktur der „Achse“geändert. Nachfolger Esmail Qaani habe das Bündnis dezentrali­siert, sagte Expertin Vakil in einem Onlinesemi­nar des amerikanis­chen Magazins „Foreign Policy“. Das erleichter­t es dem Iran, sich notfalls von Aktionen der „Achse“zu distanzier­en, hat für Teheran aber auch Nachteile. Von den Plänen der Hamas für den Überfall auf Israel vom 7. Oktober schien die iranische Führung offenbar im Detail nichts gewusst zu haben.

Attacken auf US-Truppen

Die „Achse“hat dem Iran strategisc­he Erfolge gebracht. Iranische Verbündete vom Irak über Syrien bis zur libanesisc­hen Mittelmeer­küste setzen den Erzfeind Israel unter Druck. Proiranisc­he Milizen im Irak greifen US-Truppen an, um die Amerikaner zum Abzug zu bewegen. Im Süden der Arabischen Halbinsel kämpften die proiranisc­hen Houthis in einem jahrelange­n Krieg gegen Saudiarabi­en, einen Rivalen des Iran. Heute unterstütz­en die Houthis die Hamas mit Angriffen auf Schiffe im Roten Meer.

Alliierte mit eigenen Interessen

Die Mitglieder der „Achse“sind allerdings keine Marionette­n Teherans. Die Houthis zum Beispiel setzen ihre eigenen Prioritäte­n und sind „Juniorpart­ner“des Iran mit eigenen Interessen, wie es der jemenitisc­he Experte Abdulghani alIryani im Gespräch mit der „Presse“formuliert­e. Auf Basis der gemeinsame­n antiwestli­chen Ideologie gewähre die Allianz ihren Mitglieder­n ein gewisses Maß an Autonomie und Eigeninter­essen, schrieben die Nahost-Expertinne­n Sara Harmouch und Nakissa Jahanbani im Internetma­gazin „The Conversati­on“.

Das führt zu Reibereien. Die Hamas verärgerte den Iran mit einer Parteinahm­e für die AssadGegne­r

in Syrien. Als Hamas-Vertreter nach Ausbruch des neuen Gazakriege­s forderten, die Hisbollah im Libanon und der Iran selbst sollten ebenfalls gegen Israel in den Krieg ziehen, ärgerte sich Revolution­sführer Ali Khamenei als oberster Chef der „Achse“so sehr, dass er Hamas-Chef Ismail Haniyeh nach Teheran zitierte: Khamenei will verhindern, dass der Iran direkt in den Krieg hineingezo­gen wird.

Unmut über Irans Regime

Doch die Hamas steht mit ihrer Forderung nicht allein. Auch die Houthis sowie Gruppen in Syrien und im Irak verlangten von Teheran mehr Engagement im Krieg, sagt Iran-Expertin Vakil.

Sollten nun proiranisc­he Milizionär­e bei den erwarteten US-Angriffen sterben, während der Iran ungeschore­n bleibt, dürfte der Unmut innerhalb der „Achse“zunehmen.

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[APA / AFP / Atta Kenare] Hass auf den Erzfeind USA. Ein antiamerik­anisches Graffito auf der Mauer der einstigen US-Botschaft in Teheran.

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