Wie die USA die Achse Irans spalten wollen
Als Vergeltung für den Tod von US-Soldaten plant Washington Militärschläge gegen proiranische Milizen. Dieses Netzwerk soll dem Iran die Macht in der Region sichern. Doch zuletzt wuchs dort Kritik an Teheran.
Istanbul/Teheran. Die „Achse des Widerstands“ist der Stolz der iranischen Außenpolitik. Das Netzwerk aus proiranischen Gruppen im Nahen Osten reicht von der libanesischen Hisbollah-Miliz und dem syrischen Regime im Norden bis zu den jemenitischen Houthi-Rebellen im Süden und vereint antiamerikanische und antiisraelische Kräfte unter der Führung Teherans. Im Gazakrieg unterstützt die „Achse“das Bündnismitglied Hamas, doch nun gerät sie unter Druck: Die USA haben nach dem Tod von drei amerikanischen Soldaten Vergeltungsangriffe auf iranische Verbündete in Syrien und im Irak angekündigt. Sollten die iranischen Partner abgestraft und der Iran verschont bleiben, dürften Spannungen in der Allianz wachsen.
Milizionäre der irakischen Kata’ib Hisbollah, die zur „Achse“gehört, hatten die US-Soldaten am Sonntag mit einer Drohne getötet. Die US-Regierung will sich laut Medienberichten mit mehrtägigen Militärschlägen in Syrien und im Irak rächen, doch Angriffe auf iranisches Territorium sind demnach nicht vorgesehen.
Antwort auf „Achse des Bösen“
Der Iran verfolgt mit der „Achse des Widerstands“ein doppeltes Ziel: Teheran will mit dem Netzwerk seinen Einfluss im Nahen Osten ausbauen und sich einen Vorhof zur Selbstverteidigung schaffen. Zur „Achse“gehören nicht nur schiitische Gruppen: Die Hamas ist eine sunnitische Organisation. Für die schiitische Führung des Irans gehe es nicht um Religion, sagt die Iran-Expertin Sanam Vakil vom britischen Institut Chatham House: Die gemeinsame Weltsicht – Ablehnung der US-Vormachtstellung und Feindschaft mit Israel – und die Möglichkeiten zum Machtausbau seien wichtiger.
Der Begriff „Achse des Widerstands“entstand vor zwei Jahrzehnten als Antwort auf den Begriff „Achse des Bösen“, mit dem der damalige US-Präsident George Bush die Regime im Irak, im Iran und in Nordkorea bezeichnet hatte. Die Bündelung proiranischer Kräfte war vor allem das Werk des iranischen Generals Qasem Soleimani. Als Chef der Auslandstruppe der iranischen Revolutionsgarde stärkte er die Hisbollah im Libanon, unterstützte den syrischen Präsident Bashar al-Assad im Bürgerkrieg und kommandierte proiranische Milizen im Irak im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Der General organisierte auch Waffenlieferungen an proiranische Gruppen.
Seit dem Tod Soleimanis bei einem US-Angriff vor vier Jahren hat sich die Struktur der „Achse“geändert. Nachfolger Esmail Qaani habe das Bündnis dezentralisiert, sagte Expertin Vakil in einem Onlineseminar des amerikanischen Magazins „Foreign Policy“. Das erleichtert es dem Iran, sich notfalls von Aktionen der „Achse“zu distanzieren, hat für Teheran aber auch Nachteile. Von den Plänen der Hamas für den Überfall auf Israel vom 7. Oktober schien die iranische Führung offenbar im Detail nichts gewusst zu haben.
Attacken auf US-Truppen
Die „Achse“hat dem Iran strategische Erfolge gebracht. Iranische Verbündete vom Irak über Syrien bis zur libanesischen Mittelmeerküste setzen den Erzfeind Israel unter Druck. Proiranische Milizen im Irak greifen US-Truppen an, um die Amerikaner zum Abzug zu bewegen. Im Süden der Arabischen Halbinsel kämpften die proiranischen Houthis in einem jahrelangen Krieg gegen Saudiarabien, einen Rivalen des Iran. Heute unterstützen die Houthis die Hamas mit Angriffen auf Schiffe im Roten Meer.
Alliierte mit eigenen Interessen
Die Mitglieder der „Achse“sind allerdings keine Marionetten Teherans. Die Houthis zum Beispiel setzen ihre eigenen Prioritäten und sind „Juniorpartner“des Iran mit eigenen Interessen, wie es der jemenitische Experte Abdulghani alIryani im Gespräch mit der „Presse“formulierte. Auf Basis der gemeinsamen antiwestlichen Ideologie gewähre die Allianz ihren Mitgliedern ein gewisses Maß an Autonomie und Eigeninteressen, schrieben die Nahost-Expertinnen Sara Harmouch und Nakissa Jahanbani im Internetmagazin „The Conversation“.
Das führt zu Reibereien. Die Hamas verärgerte den Iran mit einer Parteinahme für die AssadGegner
in Syrien. Als Hamas-Vertreter nach Ausbruch des neuen Gazakrieges forderten, die Hisbollah im Libanon und der Iran selbst sollten ebenfalls gegen Israel in den Krieg ziehen, ärgerte sich Revolutionsführer Ali Khamenei als oberster Chef der „Achse“so sehr, dass er Hamas-Chef Ismail Haniyeh nach Teheran zitierte: Khamenei will verhindern, dass der Iran direkt in den Krieg hineingezogen wird.
Unmut über Irans Regime
Doch die Hamas steht mit ihrer Forderung nicht allein. Auch die Houthis sowie Gruppen in Syrien und im Irak verlangten von Teheran mehr Engagement im Krieg, sagt Iran-Expertin Vakil.
Sollten nun proiranische Milizionäre bei den erwarteten US-Angriffen sterben, während der Iran ungeschoren bleibt, dürfte der Unmut innerhalb der „Achse“zunehmen.