Die FDP zündelt schon wieder
Das EU-Gesetz zur globalen Stärkung von Umwelt- und Arbeiterschutz steht vor dem Scheitern.
An Italiens Regierung liegt es nun, ob die EU für ihre Unternehmen einheitliche Bestimmungen schafft, wie sie die Arbeits- und Umweltbedingungen bei ihren Zulieferern in Übersee prüfen müssen. Am kommenden Freitag werden die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten darüber verhandeln, ob sie der letzten Fassung der sogenannten Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (kürzer: Lieferkettenrichtlinie) zustimmen oder nicht.
„Fortschritt ist eine Schnecke“
Eigentlich hatten sich der Rat und das Europaparlament schon am 14. Dezember vorigen Jahres auf diesen Gesetzestext geeinigt. Doch wie schon beim Aus für Verbrennungsmotoren scherte die FDP aus und erklärte, diese Vereinbarung nicht zu akzeptieren. Am Donnerstag wurde ein Brief von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner veröffentlicht, in dem sie ihre Ablehnung erklärten. Bei deutschen Industrielobbyisten sorgte diese Nachricht für Erleichterung, für die Bundesregierung unter Führung von SPD-Chef Olaf Scholz ist das jedoch eine erneute Blamage. „Der Fortschritt ist manchmal eine Schnecke“, sagte der Bundeskanzler am Donnerstag nach dem Europäischen Ratstreffen in Brüssel auf das erneute Nein seines liberalen Koalitionspartners angesprochen.
Nach derzeitigem Stand muss sich der deutsche EU-Botschafter am Freitag bei der Abstimmung enthalten. Das zählte wie eine Nein-Stimme. Sollte Italien die Richtlinie ebenfalls ablehnen, würde die nötige qualifizierte Mehrheit von 15 Mitgliedstaaten, die gemeinsam 65 Prozent der Bevölkerung
der Union repräsentieren, unerreichbar. Italiens Regierung hat sich aber, wie jene der meisten anderen Mitgliedstaaten, noch nicht klar dazu geäußert.
Zweck des Gesetzes ist, die Durchsetzung von internationalen Menschenrechts- und Umweltnormen zu stärken. Es soll ausnahmslos für alle EU-Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro gelten. Für Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem globalen Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro soll es dann gelten, wenn zumindest 20 Millionen Euro dieses Umsatzes in einer dieser Branchen erzielt wird: Fertigung und Großhandel von Textilien, Kleidung und Schuhen, Landwirtschaft (einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei), Lebensmittelerzeugung und Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, Bergbau und Großhandel mit Bodenschätzen sowie Bauwirtschaft. Das gilt auch für Unternehmen außerhalb der EU, die entsprechende Umsätze in der Union erwirtschaften. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes sowie zivilrechtliche Haftung.