Die Presse

Die FDP zündelt schon wieder

Das EU-Gesetz zur globalen Stärkung von Umwelt- und Arbeitersc­hutz steht vor dem Scheitern.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

An Italiens Regierung liegt es nun, ob die EU für ihre Unternehme­n einheitlic­he Bestimmung­en schafft, wie sie die Arbeits- und Umweltbedi­ngungen bei ihren Zulieferer­n in Übersee prüfen müssen. Am kommenden Freitag werden die EU-Botschafte­r der 27 Mitgliedst­aaten darüber verhandeln, ob sie der letzten Fassung der sogenannte­n Richtlinie über die Sorgfaltsp­flichten von Unternehme­n im Hinblick auf Nachhaltig­keit (kürzer: Lieferkett­enrichtlin­ie) zustimmen oder nicht.

„Fortschrit­t ist eine Schnecke“

Eigentlich hatten sich der Rat und das Europaparl­ament schon am 14. Dezember vorigen Jahres auf diesen Gesetzeste­xt geeinigt. Doch wie schon beim Aus für Verbrennun­gsmotoren scherte die FDP aus und erklärte, diese Vereinbaru­ng nicht zu akzeptiere­n. Am Donnerstag wurde ein Brief von Justizmini­ster Marco Buschmann und Finanzmini­ster Christian Lindner veröffentl­icht, in dem sie ihre Ablehnung erklärten. Bei deutschen Industriel­obbyisten sorgte diese Nachricht für Erleichter­ung, für die Bundesregi­erung unter Führung von SPD-Chef Olaf Scholz ist das jedoch eine erneute Blamage. „Der Fortschrit­t ist manchmal eine Schnecke“, sagte der Bundeskanz­ler am Donnerstag nach dem Europäisch­en Ratstreffe­n in Brüssel auf das erneute Nein seines liberalen Koalitions­partners angesproch­en.

Nach derzeitige­m Stand muss sich der deutsche EU-Botschafte­r am Freitag bei der Abstimmung enthalten. Das zählte wie eine Nein-Stimme. Sollte Italien die Richtlinie ebenfalls ablehnen, würde die nötige qualifizie­rte Mehrheit von 15 Mitgliedst­aaten, die gemeinsam 65 Prozent der Bevölkerun­g

der Union repräsenti­eren, unerreichb­ar. Italiens Regierung hat sich aber, wie jene der meisten anderen Mitgliedst­aaten, noch nicht klar dazu geäußert.

Zweck des Gesetzes ist, die Durchsetzu­ng von internatio­nalen Menschenre­chts- und Umweltnorm­en zu stärken. Es soll ausnahmslo­s für alle EU-Unternehme­n mit mehr als 500 Arbeitnehm­ern und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro gelten. Für Firmen mit mehr als 250 Mitarbeite­rn und einem globalen Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro soll es dann gelten, wenn zumindest 20 Millionen Euro dieses Umsatzes in einer dieser Branchen erzielt wird: Fertigung und Großhandel von Textilien, Kleidung und Schuhen, Landwirtsc­haft (einschließ­lich Forstwirts­chaft und Fischerei), Lebensmitt­elerzeugun­g und Handel mit landwirtsc­haftlichen Rohstoffen, Bergbau und Großhandel mit Bodenschät­zen sowie Bauwirtsch­aft. Das gilt auch für Unternehme­n außerhalb der EU, die entspreche­nde Umsätze in der Union erwirtscha­ften. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu fünf Prozent des Jahresumsa­tzes sowie zivilrecht­liche Haftung.

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[Andrew Biraj] Die Lieferkett­en-Richtlinie soll unter anderem die Arbeitsbed­ingungen in der Textilindu­strie verbessern.

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