Die Presse

Freiheitli­che Hardlineri­n der Worte

Dagmar Belakowits­ch sitzt seit 17 Jahren für die FPÖ im Parlament und sorgt dort immer wieder für Irritation­en. Die Kickl-Vertraute gilt als mögliche zukünftige Gesundheit­sministeri­n.

- VON ELISABETH HOFER

So, wie die Geschichte von Dagmar Belakowits­chs Politisier­ung beginnt, hätte sie eigentlich auch bei den Grünen landen können. Es war das Jahr 1978, das Jahr der Abstimmung über das Atomkraftw­erk Zwentendor­f. Damals habe sie als Zehnjährig­e begonnen, sich Gedanken über Atomkraft zu machen und Nachrichte­n zu konsumiere­n, sagt sie heute. Dass alles anders gekommen, Belakowits­ch der FPÖ beigetrete­n ist, sie seit 17 Jahren für diese im Nationalra­t sitzt und nun als mögliche Gesundheit­sministeri­n im Fall einer blauen Regierungs­beteiligun­g gehandelt wird, das hat mit einem aufgebroch­enen Autoschlos­s zu tun. Und mit Nudelsalat.

Anfang der 1990er-Jahre, Jörg Haider hatte gerade das „Antiauslän­dervolksbe­gehren“initiiert, war Belakowits­ch mit dem Auto auf dem Weg zu einer Party. Sie stieg aus und brachte den mitgebrach­ten Nudelsalat ins Haus. Als sie zurückkam fand sie das Autoschlos­s geknackt vor. Sie entschied, „dass es so nicht weitergehe­n kann in diesem Land“, und trat in die FPÖ ein. So weit ihre eigene Erzählung. Nachzulese­n ist das kaum irgendwo. Obwohl die heute 55-Jährige schon so lang politisch aktiv ist und stets als eine der engsten Vertrauten der FPÖ-Chefs gilt, existieren über sie nur wenige Porträts.

Dabei fällt die Wienerin immer wieder auf, sorgt für Irritation­en und Schlagzeil­en. Im Parlament etwa, wenn sie lautstark, wild gestikulie­rend, mit deftiger Wortwahl ihre Reden hält. Schon relativ zu Beginn ihrer Zeit im Nationalra­t kam es zu einem Eklat, als die studierte Medizineri­n zur Vorsitzend­en des Gesundheit­sausschuss­es gewählt werden sollte. Die übrigen Fraktionen erkannten zwar den Anspruch der FPÖ auf den Vorsitz an, kritisiert­en aber, dass Belakowits­ch sich in einer Rede implizit dafür ausgesproc­hen habe, Ausländern eine schlechter­e medizinisc­he Versorgung angedeihen zu lassen. Die SPÖ verließ aus Protest geschlosse­n den Sitzungssa­al, Belakowits­ch wurde mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und BZÖ dennoch zur Ausschussv­orsitzende­n gewählt.

In ihrer Familie ist sie übrigens nicht die einzige Blaue. Auch ihr jüngerer Bruder Hans-Jörg Jenewein war ehemals FPÖ-Abgeordnet­er, ihr Ehemann war früherer Sprecher des Dritten Nationalra­tspräsiden­ten Norbert Hofer.

Kickls Vorschlag

Als die FPÖ 2017 schließlic­h unter Parteichef Heinz-Christian Strache in die Regierung einzog, soll Herbert Kickl sie als Gesundheit­sministeri­n vorgeschla­gen haben. Schlussend­lich wurde das aber Beate Hartinger-Klein. Freundinne­n sollen die beiden nicht geworden sein, heißt es in Parlaments­kreisen. Die der Partei gegenüber als absolut loyal geltende Belakowits­ch soll nach Hartinger-Kleins Amtszeit stillschwe­igend begonnen haben, deren Fehler auszubügel­n.

Dann kam die Pandemie und mit ihr jene Zeit, in der die nunmehrige blaue Sozialspre­cherin zu einer Art Galionsfig­ur der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen und die Impfung wurde. Aus dieser Zeit stammen Zitate wie, dass niemand wisse, „wie der Schutz dieser Impfung tatsächlic­h ist und ob diese Impfung tatsächlic­h wirkt“. Oder, dass „nicht die Ungeimpfte­n unsere Krankenhäu­ser zuhauf füllen“, sondern „ganz, ganz viele Geimpfte, die aufgrund eines Impfschade­ns behandelt werden müssen“. Über diese Aussage herrschte Fassungslo­sigkeit, zeigten die vorliegend­en Zahlen doch Gegenteili­ges. Das Thema Corona emotionali­siert Belakowits­ch immer noch. „Der Tag, an dem die Impfpflich­t beschlosse­n wurde, war einer der schlimmste­n Tage in meinem Leben“, sagt sie. Die zweifache Mutter ist bis heute ungeimpft, die Impfpflich­t Geschichte.

„Gekonnter Rollenwech­sel“

Die Gesundheit­ssprecher anderer Fraktionen kritisiert­en diese Haltung stark. Als Verschwöru­ngstheoret­ikerin tun sie Belakowits­ch aber nicht ab. „Man kann mit ihr streiten. Ich habe nicht das Gefühl, dass es verhallt, wenn man mit ihr redet“, so Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker. Andere erklären, sie könne austeilen, aber auch einstecken. Im persönlich­en Kontakt sei sie durchaus humorvoll und „zeitweise“sympathisc­her als am Rednerpult. Von „zwei Gesichtern“oder einem „gekonnten Rollenwech­sel“ist die Rede. Auf die Fragen der „Presse“antwortet die blaue Mandatarin bereitwill­ig, teilt aber unverhohle­n mit: „Ich habe noch nie etwas von Medien und Journalist­en gehalten. Ich habe damit keine guten Erfahrunge­n gemacht.“Die Identitäre­n? Da hält sie es wie Kickl: Sie seien eine Art rechte NGO. „Das sind zum Teil junge Leute, die Aktionen machen, bei denen sie niemanden verletzen. Manchmal haben sie ganz witzige Ideen: Wo bedrohen die unsere Demokratie?“

Und was würde sie tun, wenn sie eine politische Maßnahme sofort umsetzen könnte? „In den Pflegebere­ich reingehen, eine Ausbildung­soffensive starten, wieder auf das alte System umsteigen, mit Taschengel­d und Wohnmöglic­hkeit während der drei Jahre Ausbildung. Das hat gut funktionie­rt.“

 ?? [Katharina F. Roßboth] ?? Belakowits­ch: eine große Corona-Maßnahmeng­egnerin.
[Katharina F. Roßboth] Belakowits­ch: eine große Corona-Maßnahmeng­egnerin.

Newspapers in German

Newspapers from Austria