„Dieses Turnier ist wie eine Aktie“
Turnierdirektorin Sandra Reichel über Gründe für das Millioneninvestment in Linz, den Wunsch nach schwarzen Zahlen und die goldene Damentennisära.
Die Presse: Frau Reichel, inwiefern zeigt sich das Upgrade des Turniers von einem WTA-250- zu einem WTA-500-Event schon im Premierenjahr?
Sandra Reichel: Wir wollten ja nicht einfach nur ein 500er sein. Wir wollten, dass es alle Beteiligten spüren. „Feel the upgrade“ist unser Leitsatz, und zwar in allen Bereichen. Wir haben im Spielerinnen- wie im Fanbereich alles aufgewertet, in der optischen Gestaltung der Halle, dem VIP-Bereich bis hin zur Gastronomie. Auch die WTA hat bei einem 500er höhere Ansprüche. Wir haben mehr Physios, mehr Ärzte, selbst zwei Mental-Health-Coaches. Aber das erste Jahr ist auch ein Learning für uns. Es ist eine Transformation.
Seit dem Vorjahr wird in einer neuen Location, dem Design Center, gespielt. Eine wesentliche Verbesserung?
Wenn in Linz in der Vergangenheit eine Sportveranstaltung stattgefunden hat, dann in der Tips-Arena, das war Gesetz. Ich habe aber immer wieder mit dem Design Center geliebäugelt. Mit der Chance auf das Upgrade habe ich mit Stadt und Land über das Thema gesprochen. Heute sind wir uns alle einig, dass es die richtige Entscheidung war. Das Design Center bringt uns noch einmal eine Verbesserung in Sachen Infrastruktur. Die Spielerinnen gehen unterirdisch in das Hotel, unsere Side Events können wir hier im Kongresssaal abhalten. Es ist optimal.
Es hat einen finanziell Kraftakt benötigt, um dieses Lizenzupgrade zu erhalten. Sechs Millionen Dollar wurden in die Hand genommen. Wie viel Risiko birgt dieses Investment?
Es war eine Investition in die Zukunft. Uns war klar: Wenn es die Chance gibt, müssen wir zugreifen. Eine solche Lizenz hat natürlich einen Wert, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wann sich das Turnier rechnen wird. Im ersten Jahr machen wir einen Riesenverlust. Wir brauchen auf jeden Fall noch zwei, drei große Sponsoren, welche, die international tätig sind. Das Turnier wird schon 2024 in 160 Länder übertragen. Diese Sichtbarkeit
müssen wir auch auf Sponsorenseite nutzen. Aber jeder, der uns Reichels, also meinen Vater Peter Michael und mich, kennt, der weiß: Wir werden das schon meistern.
Ist die Turnierlizenz zeitlich befristet?
Nein, sie hat kein Ablaufdatum. Wir könnten sie vermieten, verpachten, verkaufen oder wie jetzt selbst nutzen. Man kann sie auch wie eine Aktie sehen.
Gab es jemals die Überlegung, aus Linz abzuwandern?
Meine Wurzeln sind hier in Oberösterreich, und dieses Turnier hat eine Geschichte. Mein Vater hat es einst für mich als aktive Spielerin ins Leben gerufen. Ganz ehrlich, da stecken schon viele Emotionen drinnen. Da sagt man nicht einfach: Lass uns das Turnier doch in Wien, Graz oder Salzburg austragen! Es gäbe in Österreich sicher auch andere Städte, wo das Turnier ebenfalls gut hinpassen würde, aber ich bin Oberösterreicherin und möchte es in Linz wissen. Hier ist dieses Turnier geboren, es ist ein Leuchtturmprojekt. Ein Standortwechsel kommt also nicht infrage. Es sei denn, es lässt sich irgendwann nicht mehr finanzieren.
Wie viel Prozent der Einnahmen machen die Ticketverkäufe aus?
Aktuell sind es weniger als 20 Prozent. Auch daran müssen wir arbeiten, obwohl wir Freitag, Samstag und Sonntag mit jeweils 2500 Tickets und 250 Vips ausverkauft sind. Speziell in den ersten Turniertagen könnten wir mehr Tickets verkaufen, aber da geht es uns wie anderen Turnieren.
Wann hat das Turnier zuletzt schwarze Zahlen geschrieben?
Das war sicher in der Zeit der Scharapowas, Williams und Asarankas. Natürlich hängt viel mit der Besetzung zusammen, aber mein Ziel war immer, dass das Turnier eine Marke wird, ganz egal, wer spielt. Die Leute sollen nicht wegen einer einzelnen Spielerin, sondern wegen des Events kommen.
Sie haben große Namen genannt. Vermissen Sie aktuell im Damentennis diesen Glanz, den nur absolute Superstars verbreiten?
Dazu gibt es verschiedene Ansichten. Die einen wünschen sich die Superstars, die alles dominieren und gewinnen. Ich sehe aber lieber unterschiedliche Gesichter im Semifinale und Finale, das bringt doch Spannung! Man darf die unterschiedlichen Epochen auch nicht miteinander vergleichen. Jede Ära hat ihre Spielerinnen. Die Dichte ist so groß wie noch nie. Mit Aryna Sabalenka, Iga Świątek oder Coco Gauff sehen wir auch an der Spitze spannende, unterschiedliche Typen. Und ich empfehle wirklich jeder und jedem, einmal in Linz vorbeizuschauen. Alle, die hier rausgehen, sagen dasselbe: Es ist ein Wahnsinn, wie schnell die Frauen spielen.
Es gibt Überlegungen, die Herren- und Damentour zu einer Premium-Tour zusammenzuschließen. Was halten Sie von dieser Idee, eine Sonderklasse für die etwa 100 Besten einzuführen?
Ich hatte noch wenig Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Man darf nicht schon im Vorfeld Vorschläge abschmettern, aber ich bin kein Fan davon, Spielerinnen und Spieler von Turnieren auszuschließen. Es gab schon so viele Gedankenspiele. Derzeit glaube ich nicht an eine Premium-Tour.