Was wird aus der Reform des Onlineglücksspiels?
Der Markt für illegale Onlinecasinos wächst. Ein Reformvorschlag vom früheren Finanzminister Blümel verstaubt in der Schublade, dabei gäbe es dringenden Handlungsbedarf.
„Novomatic zahlt alle.“– Es ist einer der prägenden Sätze, die der ehemalige Vizekanzler HeinzChristian Strache (FPÖ) in jener verhängnisvollen „bsoffenen“Nacht im Sommer 2017 in einer Finca auf Ibiza von sich gab. Viel treffender könnte man das ambivalente Verhältnis der heimischen Politik zur Glücksspielindustrie gar nicht beschreiben.
Auch die schwarz-grüne Bundesregierung widmet dem Thema Glücksspiel in ihrem Regierungsprogramm ein eigenes Unterkapitel. „Die Bundesregierung bekennt sich zu einer Bekämpfung des illegalen Glücksspiels und zu einer Ausweitung des Spielerschutzes“, heißt es da. Gerade in Sachen Spielerschutz gibt es großen Aufholbedarf, beklagen Spielerschützer. Und auch sonst gleicht der heimische Onlineglücksspielmarkt mehr einem tolerierten Wilden Westen denn einer gut regulierten Branche: Neben dem einzigen offiziell zugelassenen Anbieter Win2day – mehrheitlich im Besitz der Casinos Austria – sind Schätzungen zufolge mehrere Hundert nicht zugelassene Onlinecasinos in Österreich aktiv. Sie generieren zwischen der Hälfte und drei Viertel des gesamten „Bruttospielertrags“in Österreich, der für 2022 auf über 410 Mio. Euro geschätzt wurde.
Blümels „Ablenkungsmanöver“
Die im Regierungspapier angekündigte Glücksspielreform lässt auf sich warten. Vor allem im seit Jahren stark wachsenden Onlineglücksspiel, wo die seit 2012 geltenden Lizenzen 2027 auslaufen, wäre die angekündigte Entflechtung von Vergabe und Aufsicht über die Schaffung einer unabhängigen Glücksspielbehörde besonders dringend, meinen Fachleute. Der bestehende Interessenkonflikt des Finanzministeriums, das derzeit im Bereich Glücksspiel sowohl Casino-Eigentümer, Aufsichtsbehörde und Lizenzvergeber als auch zuständige Abgabenbehörde ist, soll damit endlich entschärft werden.
Im Februar 2021 wäre es fast so weit gewesen. Da legte der damalige Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) einen Ministerratsantrag zur Regulierung des Glücksspiels vor, der genau diese Aspekte adressierte. Alles sinnvolle und unterstützenswerte Punkte, heißt es aus Oppositionskreisen, einzig bezweifelt man die Glaubwürdigkeit des damaligen Antrags. „Dieser Ministerratsvortrag war ein reines Ablenkungsmanöver, mit dem man den damaligen Finanzminister aus der medialen Schusslinie nehmen wollte“, sagt Neos-Mandatarin Stephanie Krisper, die bereits ein knappes Dutzend an parlamentarischen Anfragen zum Thema Glücksspiel gestellt hat, zur „Presse“. Tatsächlich wurden nur wenige Tage davor Chats zwischen Blümel und dem damaligen NovomaticManager Harald Neumann öffentlich, wonach Neumann Blümel um einen Gefallen gebeten haben soll.
Wenige Monate später war Blümel als Finanzminister Geschichte. Unter seinem Nachfolger Magnus Brunner verstaubt der Ministerratsvortrag nun in der Schublade. Vorarbeiten für einen Gesetzesvorschlag befänden sich „derzeit in koalitionärer Abstimmung“, heißt es aus dem Finanzministerium. Dass es noch in dieser Legislaturperiode zu einem neuen Gesetzespaket kommt, glaubt inzwischen aber niemand mehr. Hinter vorgehaltener Hand heißt es selbst aus Koalitionskreisen, dass man nicht mehr mit einer Ausschreibung rechne.
Sponsoring für Sportvereine
Aus Politikkreisen heißt es, dass die ÖVP beim Spielerschutz sperre, die Grünen bei der Glücksspielbehörde. Bei den Grünen betont man zwar die Wichtigkeit einer unabhängigen Aufsichtsbehörde, gleichzeitig stecken aber auch sie in einem Interessenkonflikt: Die Sportwettenanbieter sind nämlich ein finanzkräftiger und wichtiger Partner für die heimischen Sportvereine. So war etwa Admiral Sportwetten im Jahr 2022 mit 11,4 Mio. Euro der drittstärkste Sportsponsor in Österreich. Zusammen machen Sponsorgelder von Sportwettenanbietern, die illegalerweise auch Onlinecasinos anbieten, fast so viel aus wie die gesamte reguläre jährliche Bundessportförderung. Für die heimischen Sportverbände und -vereine tragen diese Einnahmen essenziell zu deren Budget bei, was wiederum Sportminister Werner Kogler (Grüne) unter Zugzwang bringt, die Regulierungszügel doch nicht fester anzuziehen.
Sollten die Regularien für Sportwettenanbieter im Zuge einer Glücksspielnovelle verschärft werden – so wie es etwa in Blümels Ministerratsvortrag geheißen hat –, könnten diese ihre Sponsoringgelder in empfindlichem Ausmaß einstellen, sagt Bet-at-home-Konzernsprecher Claus Retschitzegger, gleichzeitig Präsident der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG), zur „Presse“. Der Lobbyverband vertritt rund ein Dutzend Anbieter, die mit europäischen Lizenzen aus Steueroasen wie Malta heraus operieren, deren Onlinecasinos in Österreich aber keine Rechtsgrundlage haben. „Wenn der Markt noch stärker reguliert wird, werden sich weitere
Anbieter aus Österreich zurückziehen, dann würden auch die Werbeund Sponsoringbeiträge weiter zurückgehen“, so Retschitzegger.
Seitdem sich kurz vor Corona mehrere Prozessfinanzierer auf Spielerklagen gegen Onlineglücksspielplattformen spezialisiert haben, ziehen sich immer mehr in anderen europäischen Ländern lizenzierte Anbieter zurück. Damit gehen auch die Steuerbeträge zurück, die die hierzulande verbotenen Anbieter paradoxerweise trotzdem an das Finanzministerium abführen. Lagen die Einnahmen durch die Glücksspielabgabe 2020 noch bei 91 Mio. Euro, waren es 2022 nur noch 55 Mio. Neben den bekannten europäischen Anbietern buhlen im Internet aber auch noch Hunderte kleinere Plattformen – meist mit Sitz in fernöstlichen Steueroasen – um die Einsätze der Spieler. Deren Machenschaften sind hierzulande kaum nachvollziehbar.
Was folgt auf Monopol?
Retschitzegger appelliert für eine Liberalisierung des Marktes. Das Monopol solle aufgehoben, stattdessen mehrere Lizenzen vergeben werden. „Strenge Spielerschutzstandards könnten dann bei all diesen Lizenznehmern noch besser kontrolliert werden“, so der Lobbyist. In den meisten EU-Ländern sind im Onlineglücksspiel längst derlei Konzessionsmodelle gültig. Retschitzegger zufolge würde die Kanalisierungsrate in Ländern mit mehreren Lizenznehmern zunehmen, schwer kontrollierbare Anbieter aus Fernost also kaum noch Marktanteile abstauben. „Von einem solchen Lizenzierungssystem würden alle profitieren.“Alle bis auf die Spieler freilich, deren Einsätze die Umsätze der teils börsenotierten Anbieter sind.
Für 2027 steht jedenfalls die Neuvergabe der Glücksspielkonzessionen an, für die es auch einiges an Vorlaufzeit braucht. Da die angekündigte Reform samt Kompetenzentflechtung bislang nicht umgesetzt wurde, wird die Vergabe wohl auch diesmal nach den gesetzlichen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erfolgen. Die Erteilung wird somit wieder durch das gesetzlich für Konzessionserteilungen zuständige Finanzamt erfolgen – auch wenn man dort die Kompetenzen dafür eigentlich abgeben will.