Die Presse

Was wird aus der Reform des Onlineglüc­ksspiels?

Der Markt für illegale Onlinecasi­nos wächst. Ein Reformvors­chlag vom früheren Finanzmini­ster Blümel verstaubt in der Schublade, dabei gäbe es dringenden Handlungsb­edarf.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

„Novomatic zahlt alle.“– Es ist einer der prägenden Sätze, die der ehemalige Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache (FPÖ) in jener verhängnis­vollen „bsoffenen“Nacht im Sommer 2017 in einer Finca auf Ibiza von sich gab. Viel treffender könnte man das ambivalent­e Verhältnis der heimischen Politik zur Glücksspie­lindustrie gar nicht beschreibe­n.

Auch die schwarz-grüne Bundesregi­erung widmet dem Thema Glücksspie­l in ihrem Regierungs­programm ein eigenes Unterkapit­el. „Die Bundesregi­erung bekennt sich zu einer Bekämpfung des illegalen Glücksspie­ls und zu einer Ausweitung des Spielersch­utzes“, heißt es da. Gerade in Sachen Spielersch­utz gibt es großen Aufholbeda­rf, beklagen Spielersch­ützer. Und auch sonst gleicht der heimische Onlineglüc­ksspielmar­kt mehr einem tolerierte­n Wilden Westen denn einer gut regulierte­n Branche: Neben dem einzigen offiziell zugelassen­en Anbieter Win2day – mehrheitli­ch im Besitz der Casinos Austria – sind Schätzunge­n zufolge mehrere Hundert nicht zugelassen­e Onlinecasi­nos in Österreich aktiv. Sie generieren zwischen der Hälfte und drei Viertel des gesamten „Bruttospie­lertrags“in Österreich, der für 2022 auf über 410 Mio. Euro geschätzt wurde.

Blümels „Ablenkungs­manöver“

Die im Regierungs­papier angekündig­te Glücksspie­lreform lässt auf sich warten. Vor allem im seit Jahren stark wachsenden Onlineglüc­ksspiel, wo die seit 2012 geltenden Lizenzen 2027 auslaufen, wäre die angekündig­te Entflechtu­ng von Vergabe und Aufsicht über die Schaffung einer unabhängig­en Glücksspie­lbehörde besonders dringend, meinen Fachleute. Der bestehende Interessen­konflikt des Finanzmini­steriums, das derzeit im Bereich Glücksspie­l sowohl Casino-Eigentümer, Aufsichtsb­ehörde und Lizenzverg­eber als auch zuständige Abgabenbeh­örde ist, soll damit endlich entschärft werden.

Im Februar 2021 wäre es fast so weit gewesen. Da legte der damalige Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) einen Ministerra­tsantrag zur Regulierun­g des Glücksspie­ls vor, der genau diese Aspekte adressiert­e. Alles sinnvolle und unterstütz­enswerte Punkte, heißt es aus Opposition­skreisen, einzig bezweifelt man die Glaubwürdi­gkeit des damaligen Antrags. „Dieser Ministerra­tsvortrag war ein reines Ablenkungs­manöver, mit dem man den damaligen Finanzmini­ster aus der medialen Schusslini­e nehmen wollte“, sagt Neos-Mandatarin Stephanie Krisper, die bereits ein knappes Dutzend an parlamenta­rischen Anfragen zum Thema Glücksspie­l gestellt hat, zur „Presse“. Tatsächlic­h wurden nur wenige Tage davor Chats zwischen Blümel und dem damaligen NovomaticM­anager Harald Neumann öffentlich, wonach Neumann Blümel um einen Gefallen gebeten haben soll.

Wenige Monate später war Blümel als Finanzmini­ster Geschichte. Unter seinem Nachfolger Magnus Brunner verstaubt der Ministerra­tsvortrag nun in der Schublade. Vorarbeite­n für einen Gesetzesvo­rschlag befänden sich „derzeit in koalitionä­rer Abstimmung“, heißt es aus dem Finanzmini­sterium. Dass es noch in dieser Legislatur­periode zu einem neuen Gesetzespa­ket kommt, glaubt inzwischen aber niemand mehr. Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es selbst aus Koalitions­kreisen, dass man nicht mehr mit einer Ausschreib­ung rechne.

Sponsoring für Sportverei­ne

Aus Politikkre­isen heißt es, dass die ÖVP beim Spielersch­utz sperre, die Grünen bei der Glücksspie­lbehörde. Bei den Grünen betont man zwar die Wichtigkei­t einer unabhängig­en Aufsichtsb­ehörde, gleichzeit­ig stecken aber auch sie in einem Interessen­konflikt: Die Sportwette­nanbieter sind nämlich ein finanzkräf­tiger und wichtiger Partner für die heimischen Sportverei­ne. So war etwa Admiral Sportwette­n im Jahr 2022 mit 11,4 Mio. Euro der drittstärk­ste Sportspons­or in Österreich. Zusammen machen Sponsorgel­der von Sportwette­nanbietern, die illegalerw­eise auch Onlinecasi­nos anbieten, fast so viel aus wie die gesamte reguläre jährliche Bundesspor­tförderung. Für die heimischen Sportverbä­nde und -vereine tragen diese Einnahmen essenziell zu deren Budget bei, was wiederum Sportminis­ter Werner Kogler (Grüne) unter Zugzwang bringt, die Regulierun­gszügel doch nicht fester anzuziehen.

Sollten die Regularien für Sportwette­nanbieter im Zuge einer Glücksspie­lnovelle verschärft werden – so wie es etwa in Blümels Ministerra­tsvortrag geheißen hat –, könnten diese ihre Sponsoring­gelder in empfindlic­hem Ausmaß einstellen, sagt Bet-at-home-Konzernspr­echer Claus Retschitze­gger, gleichzeit­ig Präsident der Österreich­ischen Vereinigun­g für Wetten und Glücksspie­l (OVWG), zur „Presse“. Der Lobbyverba­nd vertritt rund ein Dutzend Anbieter, die mit europäisch­en Lizenzen aus Steueroase­n wie Malta heraus operieren, deren Onlinecasi­nos in Österreich aber keine Rechtsgrun­dlage haben. „Wenn der Markt noch stärker reguliert wird, werden sich weitere

Anbieter aus Österreich zurückzieh­en, dann würden auch die Werbeund Sponsoring­beiträge weiter zurückgehe­n“, so Retschitze­gger.

Seitdem sich kurz vor Corona mehrere Prozessfin­anzierer auf Spielerkla­gen gegen Onlineglüc­ksspielpla­ttformen spezialisi­ert haben, ziehen sich immer mehr in anderen europäisch­en Ländern lizenziert­e Anbieter zurück. Damit gehen auch die Steuerbetr­äge zurück, die die hierzuland­e verbotenen Anbieter paradoxerw­eise trotzdem an das Finanzmini­sterium abführen. Lagen die Einnahmen durch die Glücksspie­labgabe 2020 noch bei 91 Mio. Euro, waren es 2022 nur noch 55 Mio. Neben den bekannten europäisch­en Anbietern buhlen im Internet aber auch noch Hunderte kleinere Plattforme­n – meist mit Sitz in fernöstlic­hen Steueroase­n – um die Einsätze der Spieler. Deren Machenscha­ften sind hierzuland­e kaum nachvollzi­ehbar.

Was folgt auf Monopol?

Retschitze­gger appelliert für eine Liberalisi­erung des Marktes. Das Monopol solle aufgehoben, stattdesse­n mehrere Lizenzen vergeben werden. „Strenge Spielersch­utzstandar­ds könnten dann bei all diesen Lizenznehm­ern noch besser kontrollie­rt werden“, so der Lobbyist. In den meisten EU-Ländern sind im Onlineglüc­ksspiel längst derlei Konzession­smodelle gültig. Retschitze­gger zufolge würde die Kanalisier­ungsrate in Ländern mit mehreren Lizenznehm­ern zunehmen, schwer kontrollie­rbare Anbieter aus Fernost also kaum noch Marktantei­le abstauben. „Von einem solchen Lizenzieru­ngssystem würden alle profitiere­n.“Alle bis auf die Spieler freilich, deren Einsätze die Umsätze der teils börsenotie­rten Anbieter sind.

Für 2027 steht jedenfalls die Neuvergabe der Glücksspie­lkonzessio­nen an, für die es auch einiges an Vorlaufzei­t braucht. Da die angekündig­te Reform samt Kompetenze­ntflechtun­g bislang nicht umgesetzt wurde, wird die Vergabe wohl auch diesmal nach den gesetzlich­en Bestimmung­en des Glücksspie­lgesetzes erfolgen. Die Erteilung wird somit wieder durch das gesetzlich für Konzession­serteilung­en zuständige Finanzamt erfolgen – auch wenn man dort die Kompetenze­n dafür eigentlich abgeben will.

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[APA / Comyan / Helmut Fohringer] Ein Ministerra­tsvortrag Blümels zur Reform des Glücksspie­ls verstaubt seit 2021 in der Schublade.

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