Die Presse

Remasuri beim Schwender und beim Dommayer

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So manche Wiener Leser werden sich noch erinnern: Im Dreieck von Laudon-, Skoda- und Daungasse hatte das Haus des Buches seine Heimstätte, bevor es 2003 – nun als Hauptbüche­rei – zur U-Bahn-Station Burggasse/Stadthalle übersiedel­te. Das Areal des heutigen Studentenh­eims hat eine lange und bewegte Geschichte. Hier befand sich einst eine Reitbahn, dann eine Eisenmöbel­fabrik, bis 1913 drei Wagemutige hier ein Theater aufrichten ließen. Sie nannten das prachtvoll­e Gebäude Wiener Stadttheat­er, und der prominente Direktor und Pächter Josef Jarno sollte den Erfolg garantiere­n. Doch schon zwei Jahre später geriet das Unternehme­n in Turbulenze­n, die bis zum Schluss (1960) anhalten sollten. Daran änderte nichts, dass in der Zwischenkr­iegszeit Stars wie Hubert Marischka und Karl Farkas die Geschicke des Hauses lenkten, Fritz Grünbaum und Fritz Imhoff auftraten, nach dem Zweiten Weltkrieg Heinz Conrads und Peter Alexander. Der ORF nutzte noch das unwirtscha­ftlich gewordene Theater, dann wurde das markante Bauwerk abgerissen.

Es sind interessan­te Erzählunge­n, die der Wien-Liebhaber Peter Ruppert in seinem neuen Buch darbietet. Er geht verschwund­enen Orten, Plätzen und Anlagen nach und holt uns somit die Vergangenh­eit für einen kurzen Augenblick zurück. Da sind die Rothschild-Gärten auf der Hohen Warte, aber auch der legendäre Fußballpla­tz auf der Hütteldorf­er Pfarrwiese; die Unterhaltu­ngsetablis­sements Schwender und Dommayer gehören dazu, der Dreherpark, das Kaffeehaus Griensteid­l…

Apropos Theater: Im Nachbarbez­irk, dem Alsergrund, war in der Harmoniega­sse bei der Wasagasse in einem vierstöcki­gen Palais der Neorenaiss­ance ein Theater untergebra­cht, das der schwerreic­he Erbe Johann Baptist von Pasqualati seiner Geliebten Amalia Zwerbi zuliebe unterhielt. Der Sohn des bekannten Beethoven-Mäzens finanziert­e – mit Investoren – ein neues, viel zu groß geplantes „Harmonieth­eater“, die 1600 Plätze konnten nie verkauft werden, nach einem Jahr war das Projekt 1867 schon wieder Geschichte. Aber Fräulein Zwerbi war inzwischen immerhin Freifrau von Pasqualati.

Nur noch ein Gassenname erinnert in Althietzin­g an Schwenders Neue Welt, eine Tanz- und Vergnügung­sstätte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts. Der um 1830 aus Deutschlan­d zugewander­te Bäcker Carl Ludwig Schwender brachte es hier vom Kellner zum größten Vergnügung­sunternehm­er Wiens. Das Dreieck zwischen Lainzer Straße, Hietzinger Hauptstraß­e und der heutigen Elßlergass­e bot ein Restaurant mit mehreren Sälen, eine Freilichta­rena für tausend Zuschauer, ein Theater; abends erleuchtet­e der Pyrotechni­ker Anton Stuwer die Nächte mit prächtigem Feuerwerk. Sonntags spielten hier diverse Militärkap­ellen auf. Heute ist das Areal mit Luxuseigen­tum verbaut.

Wo heute der Schwenderm­arkt in Rudolfshei­m-Fünfhaus liegt, war der zweite Schwender-Betrieb. Eine Bierhalle, eine Terrasse mit Wintergart­en, ein „GrandBalls­aal“, ein Hotel – all das bekam den Namen Schwenders Casino. Und als tüchtiger Geschäftsm­ann bot er auch ein Fuhruntern­ehmen mit hundert Pferden an, das die Herrschaft­en nachts bequem nachhause kutschiert­e.

„Venedig in Wien“stellt uns Ruppert ebenso vor wie die Himmelhof-Sprungscha­nze, „Stalehner“, „Colosseum“und das „Universum“. Höchst amüsant.

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