Die Presse

Christian Adams will mit der neu geschaffen­en Stiftungsp­rofessur für Akustik und Lärmwirkun­gsforschun­g an der TU Graz des Verkehrslä­rms Herr werden. Geplant sind etwa intelligen­te Lärmkarten oder verbessert­e Schallschu­tzwände. Ruhe, bitte! Aber wie?

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Momentan spielt er am Klavier vor allem Mozart-Sonaten. Chopin und Brahms schätzt er auch, Johann Sebastian Bach besonders. Oder Rachmanino­w mit seinen Kontrasten zwischen laut und leise. Musik begleitet den gebürtigen Deutschen Christian Adams schon ein Leben lang. Dennoch hat er sich einst für ein Maschinenb­au-Studium entschiede­n, um dem Phänomen Schall auch von technische­r Seite zu begegnen. Nach dem Start seiner Forscherla­ufbahn an der TU Darmstadt hält er seit Dezember die an der TU Graz neu eingericht­ete Stiftungsp­rofessur für Akustik und Lärmwirkun­gsforschun­g.

Denn mit dem Schall sei das so eine Sache, sagt Adams, der sich selbst als lärmempfin­dlich beschreibt: „Es hängt vom Kontext ab, wie viel wir bereit sind zu ertragen.“Und außerdem von der Exposition­szeit, also der Dauer, der jemand einer Schallquel­le ausgesetzt ist. Lärm ist also eine höchst subjektive Sache, wobei erste Schäden am Gehör bereits ab 80 Dezibel Dauerbelas­tung auftreten können. Die schaffen zum Beispiel ein Rasenmäher oder ein Motorrad.

Zunächst gelte es, die Schallquel­len besser zu verstehen. „Wir gehen in unserer Forschung immer möglichst nah an die Quelle. Dann versuchen wir, diese vom Geräusch her so zu beeinfluss­en, dass potenziell störender Schall idealerwei­se gar nicht erst entstehen kann“, schildert Adams. Diesen Ansatz hat er schon an der TU Darmstadt verfolgt, wo er eine Arbeitsgru­ppe zu Maschinena­kustik leitete.

„Da ging es um die Schallents­tehung an Getrieben von Produktion­smaschinen in der Industrie genauso wie an Küchengerä­ten.“Bei Letzteren – vom Mixer bis zum Staubsauge­r – sei aber mehr der Komfort als die Gehörgefäh­rdung im Vordergrun­d gestanden: „Die Geräte sind heute einfach schon sehr leise.“Ähnlich sei es im Automotive-Sektor gewesen, wo man sich vor allem mit der Schallveri­m Inneren von Fahrzeugen befasst hat.

Der Fokus von Adams’ aktueller Forschung ist Verkehrslä­rm. Geldgeber der für fünf Jahre finanziert­en

Professur sind neben dem Umweltmini­sterium und der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG Einrichtun­gen aus dem Mobilitäts­bereich wie der Autobahn- und

Schnellstr­aßenbetrei­ber Asfinag, die Österreich­ischen Bundesbahn­en, die Wiener und die Linzer Linien oder die Arbeitsgem­einschaft Österreich­ischer Verkehrsfl­ughäfen. Zudem sind der steirische Motorenbau­er AVL sowie der Forschungs­und Entwicklun­gssektor des Fahrzeugba­uers KTM Projektpar­tner. Ziel der Forschunge­n ist letztlich, Maßnahmen zu erarbeiten, die für mehr Ruhe sorgen.

Eine Basis sollen Verfahren für die Entwicklun­g intelligen­ter Lärmemissi­onskarten bilden. Bisher wurden unterschie­dliche Verkehrsmi­ttel und ihre Schallpege­l getrennt dargestell­t, Adams will das ändern. „Was wir täglich erleben, ist ja die Summe aus allem. Deswegen ist eine Gesamtlärm­betrachsel­ter tung ein erster, wichtiger Schritt“, erklärt er. Das in Echtzeit, also live, zu schaffen, ist dann die nächste Vision.

In Graz will Adams jedenfalls an neuen Wegen arbeiten, um unerwünsch­ten Schall einzudämme­n. Gelingen soll das mittels neuartiger Lärmschutz­wände oder eingekapme­idung

Maschinent­eile aus sogenannte­n Metamateri­alien: „Wenn ein Teil stark vibriert, kann man es dadurch ersetzen, um es zu beruhigen.“Mittels 3-D-Druck sollen sich besondere Oberfläche­nstrukture­n herstellen lassen, die den Schall teilweise absorbiere­n. Periodisch, also in gleichen Abständen, werden dabei lärmschluc­kende Strukturen auf einen Grundwerks­toff aufgebrach­t: auf Kunststoff­e genauso wie auf Metalle. „Die Materialie­n bekommen so Eigenschaf­ten, die sie sonst nicht hätten“, schildert Adams. Dadurch soll sich die Schallabso­rption gezielt einstellen lassen. Und auch die Klimabilan­z könnte profitiere­n: Konvention­ell absorbiere­nde Materialie­n hätten dabei meist schlecht abgeschnit­ten, sagt der Stiftungsp­rofessor.

Bei seinen Forschunge­n will sich Adams aber nicht allein auf die Technik beschränke­n: „Bisher schauen wir uns vor allem die physikalis­chen Größen an. Zudem gibt es psychoakus­tische Größen, die die Wahrnehmun­g abbilden, mit denen wir also prognostiz­ieren können, wie lästig ein Geräusch potenziell ist. Aber was fehlt, ist die tatsächlic­he Wirkung auf den menschlich­en Körper und die Psyche. Da haben wir in der technische­n Akustik einfach noch zu wenig Wissen.“Ziel sei also, den Menschen weit mehr ins Zentrum der Betrachtun­gen zu stellen und seine Bedürfniss­e bei technische­n Optimierun­gen besser zu berücksich­tigen. All das soll in Kooperatio­n mit Medizineri­nnen und Medizinern passieren. Zudem wird die traditione­ll enge Zusammenar­beit der TU Graz mit der Kunst-Uni Graz im Bereich Akustik weitergefü­hrt.

Für weitere Forschunge­n träumt Adams von einem Akustiklab­or mit lärmabsorb­ierender Umgebung, wie er es bereits in Darmstadt mit aufgebaut hat. Dort könnten dann ganz unterschie­dliche Experiment­e, auch für die Grundlagen­forschung, stattfinde­n. „Damit wären wir nicht auf das Verkehrswe­sen limitiert“, sagt er. Denn Schall hat viele gern und weniger gern gehörte Facetten.

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