Spionieren, weil das eigene Ego gekränkt war
Wien war während des Kalten Kriegs eine Spionagehochburg. Oder? Zumindest die Popkultur – vom „Dritten Mann“über „Scorpio“bis zu „James Bond“– arbeitet sich fleißig an dem Mythos ab. Ein Team um die Historikerin Barbara Stelzl-Marx von der Uni Graz hat sich dieses Gemeinplatzes angenommen und untersucht, welche Rolle Österreich für Nachrichtendienste aus der Tschechoslowakei gespielt hat. Szenen, wie man sie aus Agentenfilmen kennt, gehören jedenfalls ins Reich der Fantasie. Oft hätten „ganz normale Leute“für den Geheimdienst Informationen weitergeleitet, sagt Stelzl-Marx: „ČSR- wie West-Dienste rekrutierten durch alle Schichten und in allen gesellschaftlichen Kreisen.“
Lediglich Regierungsmitglieder oder Vorstände von großen Wirtschaftsunternehmen seien kaum bis nie involviert gewesen – wenngleich ihre Assistenten diese selbst durchaus erfolgreich bespitzelt hätten. In der Öffentlichkeit stehende Personen wie Helmut Zilk, der unter dem Decknamen Holec geheimdienstlich gearbeitet hat, seien die Ausnahmen gewesen.
Das Grazer Team verglich Material aus zwei Archiven in Brünn und Prag sowie Akten der damaligen US-Spionageabwehr, des britischen Geheimdiensts und der Intelligence Organisation Austria. Oft wurden durch die Dienste kleine Puzzlestücke gemeldet, etwa welche Züge über Österreich in die Sowjetunion fuhren. Wobei neben Wien auch Salzburg (US-„Besatzungszone“) und Linz (für Technologieund Industriespionage) von Interesse gewesen seien. Und die Motivation, für den Geheimdienst zu arbeiten? Wesentlich, so Stelzl-Marx, sei weniger Ideologie oder Geld, sondern das Ego gewesen, vor allem bei „Personen, die sich übergangen fühlten“. (APA/cog)