Bratislavas Stärke als Ausflugsziel liegt nicht nur in der Nähe zu Wien, sondern auch in seiner Dichte. Viel parallele Geschichte gesammelt in einem schönen Zentrum. Spannendes liegt rundherum. Fluss, Musik und viele Kronen
Nicht weiter weg als St. Pölten, fast eine Vorstadt von Wien: Das alte Preßburg, heute Bratislava, seit 1992 Hauptstadt der Slowakei, ist uns nicht nur in der Entfernung, sondern auch in der Geschichte nahe, ein bequemes Ausland-Ausflugsziel. Als einzige Hauptstadt der Welt grenzt sie an zwei Nachbarstaaten und hat eine entsprechend spannende Vergangenheit.
In römischer Zeit ein Ableger von Carnuntum, war sie später sogar zweimal die Hauptstadt Ungarns. Sie wurde 2005 zur Zwillingsschwester Wiens erklärt, mit vielen gemeinsamen Projekten, leider nicht alle verwirklicht. Eines davon, der Twin City Liner, bringt Besucher seit 2006 in 75 Minuten vom Donaukanal bis zum Zentrum Bratislavas. Noch im Ausbau (teilweise eingleisig) ist die einst sehr flotte Verbindung mit der Marchegger Ostbahn, mit der man in einer guten Stunde mitten in die Stadt kommt. Die Autobahn wurde 2007 fertiggestellt. Ein Tipp dazu: In Hainburg auf die Bundesstraße abbiegen, das spart das Autobahnpickerl für die Slowakei.
Nicht nur der Handelsweg Donau machte Bratislava wichtig und mächtig, sondern auch die Bernsteinstraße, die von der Ostsee nach Aquileia führte. Laut Plinius brauchte man von der Küste Germaniens „nur“etwa 600.000 Schritte bis nach Carnuntum – und zum Kastell Gerulata, gelegen im heutigen Rusovce, einem Stadtteil Bratislavas. Die Habsburger, die ab 1526 über Ungarn herrschten, machten Preßburg zu einem politischen Hotspot: Sie verlegten die Hauptstadt Ofen (heute ein Teil Budapests) hierher, in die Nähe Wiens, Zentrum des Imperiums. In Preßburg ließ man sich pompös krönen, immerhin elf Königen und einer herrschenden Königin, nämlich Maria Theresia, wurde in der St.-Martin-Kathedrale die Stephanskrone aufs Haupt gesetzt ; sodann ritt man auf den Krönungshügel am Donauufer, heute etwas profan bloß ein flacher Straßenbahnknoten. Der Krönungsprozession kann man übrigens noch heute folgen, markiert mit kleinen Messingkronen im Pflaster. Sie führte durch die berühmte Gasse, deren Häuserfronten bei jeder Krönung frisch ausgemalt wurden, und wird jährlich im Juni nachgespielt.
Maria Theresia hatte ein gutes Gespür, wie man sich beim Volk beliebt macht : Sie brachte ihren noch nicht vier Monate alten Sprössling Joseph mit und bezauberte die Ungarn durch ostentative Mütterlichkeit. Selbst ließ sie sich durch den Blaufränkischen bezaubern, der hier besonders gut war, und verlieh dem Ort Rača, heute ein nördlicher Vorort Bratislavas, königliche Privilegien. Er liegt am Beginn der Kleinen Karpaten, einem Weinbaugebiet, wo heute Sylvaner, Riesling, Veltliner, Zweigelt und St. Laurent gekeltert werden.
Gobelins im Versteck
Die Stephanskrone ist in Bratislava nur noch als Kirchturmspitze des Martinsdoms zu sehen, Joseph II. holte die Kronjuwelen nach Wien und machte Ofen wieder zur Hauptstadt Ungarns. Er ließ sich nicht mehr krönen, wurde deshalb von den Ungarn „Hutkönig“genannt. Später wurden auch die Einrichtung und Kunstsammlung der Preßburger Burg nach Wien in die Albertina gebracht. Aber ein Glücksfall machte Bratislava doch zum Besitzer wunderbarer Tapisserien: Beim Renovieren des Primatialpalais, das der Erzbischof der Stadt 1903 verkauft hatte, fand man in einer Hohlwand zufällig sechs vom berühmten Künstler Franz Cleyn um 1650 in London gefertigte Gobelins, perfekt erhalten, eine Erzählung von Hero und Leander aus der griechischen Mythologie. Bis heute weiß man nicht, wer sie warum dort eingemauert hat. Neben dem Spiegelsaal ein Schmuckstück der Stadt.
Bratislava, wo man an klaren Tagen von der Burgruine Devín aus in die Fenster Wiens schauen kann (so ein Sprichwort), war auch musikalisch eng mit der Reichshauptstadt verbunden. So reiste Beethoven oft nach Preßburg, besuchte seine Freunde Miklós Zmeskál und Johann Nepomuk Hummel (ein Schüler Mozarts, der übrigens selbst mit seiner Schwester hier gastierte), widmete der Stadt die Kantate „Opferlied“, schrieb ein Klavierkonzert für eine örtliche Trauung, ließ sich zur „Mondscheinsonate“inspirieren. Und traf seine (möglicherweise) „Unsterbliche Geliebte“Josephine Brunsvik (1779–1821), ungarische Adelige und Seelenfreundin. Franz Liszt gab schon als Bub Konzerte für slowakische und ungarische Adelige, die ihn dann unterstützen, in Wien zu studieren. Oft kehrte er für Konzerte in der St.-Martin-Kathedrale zurück. Auch Béla Bartók gab hier sein erstes Konzert, und Joseph Haydn begleitete Fürst Esterhazy oft nach Preßburg, um seine Kompositionen vorzustellen.
Start großer Gesangskarrieren
Die Hauptstadt hat ja lange Theaterund Musiktradition: 1776 unter Maria Theresia wurde das „Städtische Theater“am HviezdoslavPlatz eröffnet, Alexander Girardi begründete hier seinen Welterfolg. Dem Verfall nahe, und weil der schreckliche Ringtheaterbrand in Wien (fast 1000 Todesopfer) vorsichtig gemacht hatte, wurde 1886 ein neues Haus erbaut, das Slowakische Nationaltheater, in dem auch Opern aufgeführt und Konzerte gegeben wurden, und das jetzt erneut renoviert wird. Im neuen, 2007 am Donauufer eröffneten Nationaltheater bieten drei Säle Opern, Schauspiel und kleinere
Aufführungen im Studio. Es gibt Proberäume und viel Platz für Requisiten – und junge Künstler, die sich hier ausprobieren können. Das hat Tradition, schon die berühmte Sopranistin Lucia Popp wurde hier ausgebildet (und vom Fleck weg an die Wiener Staatsoper engagiert), oder Edita Gruberová. Und dann gibt es noch die Reduta, in der die Slowakische Philharmonie zu Hause ist, einst Theresianische Getreidekammer, vor 100 Jahren zum Jugendstil-Prachtbau umgestaltet.
Auch die bildende Kunst zeigt sich hier originell. Witzig die Bronzestatue vom „Schönen Ignaz“vor seinem einstigen Stammlokal Café Mayer am Hlavné námestie (Hauptplatz). Ignác Lamár war ein Stadtoriginal, Requisiteur am Theater und Bonvivant, zeigte sich nur mit Zylinder, Frack und Lackschuhen. Überraschend und ein Liebling der Kinder und Instagrammer: der „Gaffer“, ein Kanalarbeiter, der die Passanten in der Fußgängerzone aus einem Gully beobachtet, daneben ein Warnschild „Man at Work“.
Eindrucksvoll und ein Muss ist das erweiterte Museum für moderne Kunst Danubiana, auf einer Halbinsel wie auf der Donau schwimmend. Seine ursprüngliche Augenform wurde durch Wellenanbauten ergänzt – schon die Architektur lohnt den Trip mit dem Bus Nr. 90. Der führt am Schloss Karlburg vorbei, das der Renovierung harrt, auch eine enge Verbindung zu Wien: Eine Besitzerin war die Witwe von Kronprinz Rudolf, Stephanie von Belgien. Übrigens, etwas makaber, dessen Geliebte Mary Vetsera, die Rudolfs Suizid teilte, stammte väterlicherseits – aus Preßburg.
Zur Bratislava-Bucket-List eine Rundfahrt mit dem Nostalgiebus, der vor der Oper hält und in 60 (oder mit Bergfahrt 90) Minuten Bratislava entdecken lässt sowie das Besteigen des alten Rathauses. Und ganz bestimmt der Besuch der UfoBar hoch auf den Pfeilern der Brücke des Slowakischen Nationalaufstandes, der Most SNP. Was für eine Rundumsicht.