Die Presse

„Nichts dem Zufall überlassen“Testament, Schenkung oder Übergabe? Werden Eigentumsw­ohnung, Haus oder Grundstück an den Partner oder die nächste Generation weitergege­ben, gilt es einiges zu beachten.

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Rund 50 Prozent der Österreich­er „leben im Eigentum“und nennen teilweise auch das eine oder andere Grundstück ihr eigen. Diese Immobilien stellen oft wesentlich­e Vermögensw­erte dar. Umso wichtiger ist es, sich darum zu kümmern, wie diese in der Familie weitergege­ben werden – sei es mittels Testaments, sei es mittels Schenkung.

Ulrich Voit, Notar in Wien und Pressespre­cher der Österreich­ischen Notariatsk­ammer, sowie Stefan Esterhamme­r, Immobilien­experte der Raiffeisen Bezirksban­k Kufstein, wissen, worauf es dabei ankommt.

Ulrich Voit weiß: „Das hängt natürlich vom jeweiligen Einzelfall ab. Grundsätzl­ich gibt es dafür zwei Wege: das Testament für den Ablebensfa­ll und die Schenkung für die Übertragun­g zu Lebzeiten.“ „Für alle, die von der gesetzlich­en Erbfolge abweichen wollen, ist ein Testament unabdingba­r“, erklärt

Voit. Etwa, wenn man dem Ehepartner, dem eingetrage­nen Lebenspart­ner oder einem Kind allein vererben will. „Bei der gesetzlich­en Erbfolge würde nämlich der Ehepartner oder eingetrage­ne Partner ein Drittel des Vermögens, also beispielsw­eise der Immobilie, und Kinder zwei Drittel erben.“Auch wenn es sich „nur“um eine kleine Eigentumsw­ohnung handeln sollte, gilt: Will man von der gesetzlich­en Erbfolge abweichen, braucht es ein Testament.

Nein, da es ja den Pflichttei­lsanspruch gibt. Voit: „Sie müssen somit vom Erben der Immobilie abgefunden werden.“Es können außerdem nur zwei natürliche Personen Eigentümer einer Wohnung sein. Das hängt damit zusammen, dass der Gesetzgebe­r die Eigentumsv­erhältniss­e in Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en übersichtl­ich halten möchte.

Voit führt aus: „Wollen sie diese behalten, dann könnten sie eine Offene Gesellscha­ft gründen. Das kann übrigens auch schon der Erblasser im Testament anordnen.“ „Ganz wichtig: Hat man die Immobilie verschenkt, kann diese nicht mehr verkauft werden. Aus diesem Grund sollte vor einer Schenkung zu Lebzeiten gut bedacht werden, ob die Immobilie bzw. deren Wert doch unter Umständen benötigt wird“, gibt Voit zu bedenken. Der Schenkungs­vertrag müsste diese Anforderun­g – etwa durch die Vereinbaru­ng einer geldwerten Gegenleist­ung – berücksich­tigen. Die Motive für eine Übertragun­g zu Lebzeiten müssen daher gut beleuchtet werden, um beurteilen zu können, ob eine Schenkung wirklich sinnvoll ist.

Voit: „Ein Vorteil kann sein, dass die Aufteilung des Vermögens zu Lebzeiten schon gemeinsam vorgenomme­n wird, was Streitigke­iten ersparen kann.“Auch steuerlich­e Überlegung­en können ein Thema sein, wie die aktuellen Diskussion­en rund um die Einführung einer Vermögenst­euer zeigen. „Werden Immobilien familienin­tern unentgeltl­ich übertragen, also vererbt oder verschenkt, werden Grunderwer­bsteuer und die Gebühr für die Eintragung ins Grundbuch fällig“, erklärt Voit. „Am Beispiel Lebensgefä­hrten wird es deutlich“, wie Voit erläutert: „Diese haben seit der letzten Novelle des Erbrechts zwar einen gesetzlich­en Anspruch auf das Erbe, aber nur dann, wenn es keine anderen Erbberecht­igten gibt und das Erbe daher der Republik Österreich zufallen würde.“Immobilien­experte Stefan Esterhamme­r ergänzt: „Diese Situation ist in der Praxis tatsächlic­h gar nicht so selten. Das Problem ist, dass in diesen Fällen die Entscheidu­ngsfindung meist relativ lang dauert.“

Esterhamme­r erklärt: „Wenn sie die Immobilie nicht erben oder der Erblasser kein Wohnrecht für sie verfügt hat, müssen sie nach einem

Jahr ausziehen.“Geht eine Immobilie an zwei oder mehr Erben, ist häufig auch Streit programmie­rt: Der eine will verkaufen, der andere will vermieten und der dritte will sie behalten und womöglich selbst nutzen. „Es geht nicht nur um das Porzellan, das deshalb möglicherw­eise familienin­tern zerschlage­n wird“, meint Esterhamme­r. Auch für das Haus oder die Wohnung ist es nicht gut. Meist fühlt sich in solchen Fällen niemand für die Immobilie verantwort­lich. Aber Wohnungen und Häuser sollten regelmäßig gelüftet, beheizt und gepflegt werden – „man denke bei Häusern etwa an den Winterdien­st oder die Gartenbetr­euung“. „Unter Umständen ja“, lautet die Einschätzu­ng von Esterhamme­r. Nicht nur, weil möglicherw­eise der Zahn der Zeit sozusagen an der Immobilie genagt hat, sondern auch, weil Immobilien bei Erbstreiti­gkeiten oft tatsächlic­h unter ihrem Wert verkauft werden.

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