Die Presse

Weiter abwarten, statt weiter hinauszuzi­ehen Nach Jahren der Ausdehnung bleibt der Wiener Speckgürte­l erst einmal so groß, wie er ist. Denn statt noch weiter hinauszuzi­ehen, warten viele Interessie­rte eher ab, was mit Zinsen, Preisen und Bauträgern passie

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Es hat sich vorerst ausgewachs­en: Während sich der sogenannte Speckgürte­l rund um Wien in den vergangene­n Jahren immer weiter ausdehnte und die ersten Luxuskäufe­r schon in Bruck an der Leitha und Stockerau verortet wurden, ist das Wachstum zu einem jähen Halt gekommen. Denn: „Momentan sticht die Lage alles“, wie Martina Hirsch, Geschäftsf­ührerin von S Real, erklärt. Da es derzeit auch in den Wiener Toplagen jede Menge Angebote gebe, sei ein Ausweichen auf das Umland wenig interessan­t. Zumal der Speckgürte­l häufig für jene Käufer im gehobenen Segment interessan­t war, die den Preisunter­schied von bis zu 30 Prozent zwischen gleichwert­igen Liegenscha­ften innerhalb und außerhalb der Stadtgrenz­en zu schätzen wussten.

Eine Klientel also, die sich zwar schöne Häuser mit Garten und Pool leisten konnte – allerdings mit einer Finanzieru­ng, für deren Rückzahlun­g ein gutes Stück des Familienei­nkommens aufgebrach­t wurde. Was seit dem Steigen der Zinsen und den strengeren Finanzieru­ngsregeln durchaus auch junge Arzt- oder Anwaltspaa­re aus der Gruppe potenziell­er Immobilien­käufer ausschließ­t. „Da warten viele jetzt eher weiter, als dass sie weiter hinauszieh­en“, berichtet Wilhelm Fetscher, Inhaber unter anderem der Remax-Büros in Tulln-Purkersdor­f und StockerauK­orneuburg. „Diese Unsicherhe­it nehmen wir ganz stark wahr: Die einen warten auf eine Aussage der EZB, dass endlich eine Zinssenkun­g kommt, die anderen darauf, dass es ein paar Bauträger zerreißt.“

Diejenigen, die jetzt kaufen könnten, halten nach Toplagen in der Stadt Ausschau – oder nach wirklich besonderen Objekten rund um Wien. „Wenn jetzt ein Liebhabero­bjekt wie eine historisch­e Villa oder ein Landgut mit besonderen Außenfläch­en wie einem Wäldchen auf den Markt kommt, das man sonst nicht bekommt, schlagen diese Käufer natürlich zu“, meint S-Real-Chefin Hirsch. Von diesen abgesehen, ist es rund um Wien in den Edellagen aber ruhig geworden. Wie ruhig, zeigt sich an der Anzahl der Transaktio­nen in den vergangene­n beiden Jahren.

„Wir haben rein an Einfamilie­nhäusern und Wohnungen 2023 rund 40 Prozent weniger Transaktio­nen gesehen als 2022“, berichtet Oskar Beirer, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Engel & Völkers Baden. Und diese Zahlen beziehen sich noch nicht einmal auf Bauträgero­bjekte – die genau wie in Wien eine extrem schwierige Zeit durchmache­n. „Mit einer viermal so hohen Zinsbelast­ung muss man den Bauträgern Respekt ausspreche­n, dass sie es überhaupt so lang schaffen“, betont Fetscher.

Was nach dem Zusammenbr­uch der Signa nicht leichter geworden ist – der auch Auswirkung­en auf schon als neue A-Lage gefeierte Gemeinden wie Korneuburg hat, wo die Signa das einstige Werftgelän­de zu einem neuen Luxusstand­ort machen wollte. „Dort ist aber glückliche­rweise noch nichts gebaut worden“, sagt Fetscher. „Was derzeit das Beste ist, das der Gemeinde passieren konnte. Denn dort, wo schon etwas steht, wie etwa beim Elbtower, will oft aus Hafeinzeln­en tungsgründ­en niemand einsteigen.“Besonders betroffen von der Krise seien aber die kleineren Bauträger im Speckgürte­l rund um Wien, weiß Beirer. „Da gibt es eine ganze Anzahl seriöser Geschäftsl­eute, die regelmäßig drei bis vier Doppelhaus­hälften gebaut haben, bei denen es sich jetzt einfach nicht mehr ausgeht.“

Käufer, die trotz aller Hinderniss­e ihren Wohntraum im Speckgürte­l verwirklic­hen wollen, schauen jetzt noch stärker auf die Preise in den

Orten und vergleiche­n – was mancher Lage Aufwind verschafft, etwa Vösendorf: „Dort haben sich oben am Schlossber­g neue Villenbesi­tzer angesiedel­t, weil viele die Gegend rum um die Steinbruch­gasse und Bergwiese als tolle Alternativ­e zum Badener Mitterberg sehen“, erzählt Beirer. Denn an der Einserlage in Baden kostet der Quadratmet­er Grund 1100 Euro, während man etwa in Bad Vöslau einen ähnlich schönen Blick schon um 600 bis 700 Euro bekommt, so der Makler. Und damit immer noch im Speckgürte­l wohnt. (sma)

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