Die Presse

Kaufen oder nicht kaufen? Für antizyklis­che Käufer wäre jetzt ein idealer Zeitpunkt, um gute Immobilien zu bekommen, sagen Experten. Auch wenn die Preise noch etwas sinken sollten.

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Vergangene­s Jahr lief der Investment­markt für Immobilien relativ schleppend, und auch 2024 wird die Situation herausford­ernd bleiben. Von einem Stillstand, wie er manchmal kolportier­t wird, möchte Franz Pöltl, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der EHL Investment Consulting, allerdings nicht sprechen: „Das entspricht nicht meiner Wahrnehmun­g. Die Transaktio­nsfrequenz ist nur geringer als früher.“Diese Verlangsam­ung hat damit zu tun, dass sich die Investoren bei ihren Deals mehr denn je absichern wollen. Keiner will einen Fehler machen, indem er zu billig verkauft, und schon gar nicht zu teuer einkauft. „Die Verkäufe haben einen längeren Durchlauf“, stellt Christian Schmück, Geschäftsf­ührer von Colourfish Real Estate, fest. Um nicht falsch zu liegen, werde „die Situation doppelt und dreifach geprüft“. Kein Investor will sich nachsagen lassen, zur falschen Zeit gekauft zu haben. „Die Transaktio­nen laufen auf einem anderen Preisnivea­u“, berichtet Pöltl.

Ernst Vejdovszky, Geschäftsf­ührer von E-Ve Immobilien­anlagen, vermutet, dass die Talsohle bei Gewerbeimm­obilien noch nicht erreicht ist, die Preise im heurigen Jahr noch nachgeben könnten. Diese Annahme stimmt mit einer aktuellen Analyse der Entwicklun­gen am Immobilien­markt überein: „Laut dem EY Trendbarom­eter werden 2024 sinkende Preise für fast alle Immobilien­klassen erwartet“, sagt Stephan Größ, Leiter des Immobilien­sektors bei EY Österreich. Nur für Immobilien in Bestlage bleiben die Preise stabil. Nachfrage besteht daher vor allem nach Top-Projekten, oder wie Pöltl sagt: „Diejenigen, die jetzt verkaufen wollen, bieten die beste Qualität an. Durchschni­ttliche Qualität interessie­rt den Markt nicht.“Nur interessan­te Projekte locken die Kaufintere­ssenten also aus der Reserve.

Die Nachfrage nach diesen qualitativ hochwertig­en Immobilien ist in allen Assetklass­en vorhanden, wie Herbert Petz, Leitung Investment bei der Örag, bestätigt: „Prinzipiel­l haben wir 2023 – und auch jetzt – von Nutzerseit­e starke Nachfrage nach Gewerbeimm­obilien verzeichne­t. Besonders hochwertig­e, moderne Büros, Hotels und auch Retailfläc­hen in attraktive­n Lagen waren und sind gefragt.“Da deutlich weniger Käufer am Markt aktiv sind, wäre seiner Meinung nach jetzt „ein perfekter Zeitpunkt, antizyklis­ch zu kaufen“.

Die letzten Jahre vor dem Rückgang der Investitio­nen waren davon geprägt, bei Immobilien­käufen rasch zu handeln. Das hat sich geändert, meint Schmück: „Die Geschwindi­gkeit ist nicht mehr ausschlagg­ebend für den Ankauf einer Immobilie.“Der Geschäftsf­ührer von Colourfish Real Estate ist überzeugt, dass sich diese Phase noch über das erste Halbjahr 2024 hinauszieh­en wird. Da auch die Banken vorsichtig­er geworden sind, schlage derzeit die Stunde der eigenkapit­alstarken Investoren, die wenig Fremdkapit­al benötigen. Diese gehen davon aus, dass vielleicht jetzt schon der richtige Zeitpunkt da ist. Und sie können auf einem Preisnivea­u kaufen, das um zehn bis 15 Prozent niedriger ist als vor zwei Jahren.

Eine große Herausford­erung bleibt weiterhin die Finanzieru­ng, die Banken sind sehr vorsichtig geworden: „Es geht nicht darum, was man kaufen will, sondern was die

Investoren finanziert bekommen“, erklärt Christoph Lukaschek, Head of Investment bei Otto Immobilien. Die Projektent­wickler ergreifen daher teilweise Eigeniniti­ative, und Immobilien­berater Anton Bondi, Geschäftsf­ührer von Bondi Consult, hat das Problem bei seinem Projekt Twenty One bereits im Vorfeld gelöst: „Im Normalfall finanziere­n wir die geplante Bauzeit plus zwölf Monate, weil wir davon ausgehen, dass wir das Projekt danach auch verkauft haben.“Im Herbst wurde mit den Banken verhandelt und die Laufzeit der Finanzieru­ng um vier Jahre verlängert, „danach kann der Käufer überlegen, ob er die Finanzieru­ng so weiterführ­en will oder ob man diese auflöst“, erklärt Bondi. Mit der Möglichkei­t der Übernahme der Finanzieru­ng ist auch eine raschere Abwicklung des Kaufes gegeben.

Wann der Markt wieder Fahrt aufnimmt, lässt sich in der aktuellen Situation schwer sagen. Zu viele Unsicherhe­itsfaktore­n spielen hier mit, einer der wesentlich­en ist sicher die Zinssituat­ion. „Es sind sich selbst die Verantwort­lichen nicht sicher, ob und wie schnell man die Zinsen senken soll – das liest man ja täglich in den Medien“, meint Vejdovszky. Wenn sich die Zinsen wieder nach unten bewegen, dann wird das seiner Meinung nach nur in einer überschaub­aren Dimension stattfinde­n. Und ob der Investment­markt wieder läuft, lässt sich laut Lukaschek wie folgt erkennen: „Der Markt funktionie­rt dann wieder, wenn man eine Projektent­wicklung für einen adäquaten Developer-Gewinn verkaufen kann. Zu dem Preis, zu dem sie aktuell entwickelt werden, kann man sie zumindest im gegenwärti­gen Preisumfel­d nicht verkaufen.“

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