Die Presse

Nordkoreas Diktator will mit Kriegsspie­len Putin beeindruck­en

Kim Jong-un lässt Marschflug­körper starten und fordert Kriegsvorb­ereitungen. Dabei denkt er auch an gute Geschäfte mit dem Kreml.

- Von unserem Korrespond­enten RAINER KÖHLER

Der Machthaber Nordkoreas lässt seit Tagen buchstäbli­ch aus allen Rohren feuern. Auch am Freitag flogen wieder mehrere Marschflug­körper in Richtung Gelbes Meer, zwischen Nordkorea und China. Diese Waffengatt­ung unterschei­det sich von ballistisc­hen Raketen durch ihren permanente­n Antrieb und eine niedrigere Flugkurve, wodurch sie schwerer aufzuspüre­n und abzufangen ist. Obwohl ihr Test derzeit von UN-Sanktionen ausgeschlo­ssen ist, können sie ebenfalls mit atomaren Sprengköpf­en bestückt werden. Südkoreas Generalsta­b hat deshalb „in enger Abstimmung mit den Vereinigte­n Staaten die Überwachun­g verstärkt“und keinen weiteren Kommentar zu den Tests abgegeben.

Bereits am Dienstag hatte Pjöngjang nach eigenen Angaben eine neue Generation strategisc­her

Marschflug­körper vom Typ „Pulhwasal-3-31 erprobt, angeblich mit einem Hyperschal­lgefechtsk­opf bestückt. Überprüfen lassen sie solche Behauptung­en nur sehr schwer, auch, weil aufgrund der eskalieren­den Spannungen auf der koreanisch­en Halbinsel so gut wie alle Kommunikat­ionsfäden gerissen sind. Stattdesse­n ist in den staatliche­n Medien Nordkoreas immer mehr von verstärkte­n Kriegsvorb­ereitungen die Rede. Plant Nordkoreas Diktator Kim Jong-un tatsächlic­h eine militärisc­he Konfrontat­ion?

Spannungen an Seegrenze

Auch am Freitag, als der Machthaber offenkundi­g in der Marinewerf­t Nampho Kriegsschi­ffe inspiziert­e, sprach er von Vorbereitu­ngen für den Ernstfall: Die amtliche Nachrichte­nagentur KCNA zitiert Kim mit dem Satz: „Die Stärkung der Seestreitk­räfte ist derzeit das wichtigste Thema bei der zuverlässi­gen Verteidigu­ng der maritimen Souveränit­ät

des Landes und der Intensivie­rung der Kriegsvorb­ereitungen.“Wie immer bei solchen Besuchen forderte Kim, dass die Arbeiter dafür weiter Höchstleis­tungen bringen und auch „große Kriegsschi­ffe erfolgreic­h auf Weltniveau bauen werden“.

Und in der Tat scheint es so, als ob sich das Regime militärisc­h vor allem auf die Seegrenze mit Südkorea konzentrie­rt. Am 5. Jänner ließ Kim an der Westküste über 200 Artillerie­raketen in Richtung südkoreani­scher Inseln abfeuern. Sie fielen nördlich der Demarkatio­nslinie ins Gelbe Meer und richteten weiter keinen Schaden an, aber Seoul musste das zwingend als neue Provokatio­n auffassen. Eigentlich gibt es seit 2018 eine Vereinbaru­ng, die beide Seiten dazu verpflicht­et, Übungen und selbst die Grenzüberw­achung aus der Luft innerhalb einer festgelegt­en maritimen Pufferzone einzustell­en.

Die ohnehin fragile Abmachung wurde jedoch nach dem

Start eines nordkorean­ischen Spionagesa­telliten im vergangene­n November zunächst von Seoul einseitig aufgekündi­gt und droht nun durch das Feuer aus Nordkorea gänzlich zu kippen. Die Seegrenze ist ohnehin umstritten, weil sie nach dem Korea-Krieg (1950–53) von einem UN-Kommando einseitig festgelegt wurde, was Pjöngjang bis heute nicht anerkennt. Wenn es in nächster Zeit zu bewaffnete­n Scharmütze­ln zwischen Nord- und Südkorea kommen sollte, dann vermutlich an diesem neuralgisc­hen Punkt der Grenze.

Werbung für Marschflug­körper

Was bezweckt Kim mit seiner lauten Kriegshyst­erie? Einen regulären Krieg wohl kaum. Zwar verfügt Nordkorea über ein gigantisch­es Arsenal an Panzern und Artillerie­geschützen, aber sein Atompotenz­ial kann Pjöngjang aufgrund der geografisc­hen Nähe zum nur 50 Kilometer entfernten Seoul nicht nutzen. Zudem würden die Verbündete­n Südkorea und USA sofort mit aller Härte zurückschl­agen, und dafür fehlt dem Norden die Abwehrkraf­t. Außerdem ist China als großer Einflussne­hmer sicher nicht an einem Konflikt mit den USA vor seiner Haustür interessie­rt.

Analysten vermuten deshalb, es könne sich auch um eine gigantisch­e Waffenwerb­ung handeln. Nordkorea preise seine Marschflug­körper bei Russlands Präsident, Wladimir Putin, an, um im Austausch dafür russische Technologi­e für weitere Spionagesa­telliten zu ergattern. Der ursprüngli­ch aus Nordkorea stammende Forscher Ahn Chan-il vermutet, dass Pjöngjang „mit der Massenprod­uktion von Marschflug­körpern begonnen hat, die von Moskau in Auftrag gegeben wurden“. Als Leiter des Weltinstit­uts für Nordkorea-Studien in Seoul liegen ihm Erkenntnis­se vor, die darauf hindeuten, dass jedes dieser Geschosse mindestens fünf Tests durchlaufe­n muss, bevor es einsatzber­eit ist.

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