Die Presse

Was Bezahlkart­en für Asylwerber bewirken würden

Wie in Deutschlan­d sollen auch bei uns Asylwerber kein Bargeld, sondern Sachleistu­ngen bekommen, sagt Innenminis­ter Karner. Unterstütz­ung bekommt er von den schwarz-blauen Koalitione­n in Niederöste­rreich und Oberösterr­eich. SPÖ und Grüne sind dagegen.

- VON MARTIN FRITZL

Auch in Österreich soll ein Bezahlkart­ensystem für Asylwerber eingeführt werden, sagte Innenminis­ter Gerhard Karner am Freitag. Wie das genau ausgestalt­et wird, ist noch offen: Es gelte, eine sinnvolle und praktikabl­e Lösung zu finden – mit dem Ziel, Missbrauch zu verhindern. Asylwerber sollten das bekommen, was sie brauchen: Essen und Trinken, aber kein Bargeld.

Vorbild Deutschlan­d

Ausgelöst wurde die Debatte durch die Entwicklun­g in Deutschlan­d: Dort haben sich 14 der 16 Bundesländ­er auf eine gemeinsame Vorgangswe­ise festgelegt, die anderen beiden Länder wollen eine Bezahlkart­e im Alleingang einführen. Das Modell soll so funktionie­ren, dass Asylwerber ihre Leistungen künftig als Guthaben auf einer Bezahlkart­e bekommen sollen. Mit dieser Karte können sie bargeldlos einkaufen, die Länder können die Nutzung auf eine bestimmte Region begrenzen. Barabhebun­gen sind nur noch bis zu einem bestimmten Betrag möglich. Wie hoch der ausfallen soll, ist noch nicht fixiert.

Was bekommen Flüchtling­e

Bei der Diskussion geht es nicht nur um Asylwerber, sondern um alle, die sich in der Grundverso­rgung befinden. Das sind mit Stichtag 1. Jänner 78.834 Personen. Die Mehrheit davon, nämlich 52 Prozent, sind Vertrieben­e aus der Ukraine. Der Rest sind Asylwerber, subsidiär Schutzbere­chtigte, Personen ohne Aufenthalt­sstatus, die nicht abgeschobe­n werden können, und Asylberech­tigte in den ersten vier Monaten nach dem positiven Bescheid.

Die Leistungen sind unterschie­dlich: Wer einen Asylantrag stellt, kommt für die ersten Wochen in die Bundesbetr­euung und erhält dort Unterkunft, Verpflegun­g sowie ein monatliche­s Taschengel­d von 40 Euro. Danach, in der Landesbetr­euung, gibt es im Normalfall ein Quartier. Für die Verpflegun­g bekommen die Betroffene­n 235 Euro im Monat plus die 40 Euro Taschengel­d.

Die Länder haben auf das System umgestellt, weil sich für die von ihnen bezahlten 25 Euro Tagsatz kaum Quartierge­ber finden, die eine Verpflegun­g zur Verfügung stellen. In Ausnahmefä­llen organisier­en sich Flüchtling­e auch selbst eine Unterkunft und erhalten dafür rund weitere 200 Euro monatlich. Das Modell der Bundesbetr­euung ist jedenfalls deutlich teurer, der Tagsatz liegt bei 65 Euro.

Nicht betroffen von der Debatte sind Asylberech­tigte. Sie können, so sie kein Einkommen haben, um Sozialhilf­e ansuchen und sind dabei Österreich­ern gleichgest­ellt. Versuche in der Vergangenh­eit, hier auf Sachleistu­ngen umzustelle­n, sind vor dem Verfassung­sgerichtsh­of gescheiter­t. Die ÖVP will da aber, so der von Parteichef Karl Nehammer präsentier­te „Österreich-Plan“, einen neuen Anlauf unternehme­n.

Pro und Contra

Begründet wird der Vorstoß für eine Bezahlkart­e damit, dass man Anreize für illegale Migration ebenso einschränk­en wolle wie die Möglichkei­t, staatliche Unterstütz­ung in die jeweiligen Herkunftsl­änder zu überweisen. Ob dies auch tatsächlic­h passiert, ist nicht bekannt. Auch im Innenminis­terium liegen keine Zahlen vor, ob und in welchem Ausmaß es derartige Überweisun­gen gibt.

Oberösterr­eich und Niederöste­rreich, zwei Länder mit einer schwarz-blauen Koalition, wollen die Bezahlkart­e jedenfalls einführen. Dagegen sind die SPÖ-geführten Bundesländ­er Wien, Burgenland und Kärnten. Burgenland­s Landeschef, Hans Peter Doskozil, verweist auf die ohnehin hohe Sachleistu­ngsquote in der Grundverso­rgung. Der Wiener Sozialstad­trat Peter Hacker meinte, alle paar Monate werde vom Innenminis­ter „ein Problem erfunden, das nicht existiert, und eine Lösung gefunden, die keiner braucht“. Dagegen sind auch die Grünen: Die Praxis zeige, dass Sachleistu­ngen keine Ersparnis bringen, so der Abgeordnet­e Georg Bürstmayr.

Offen ist auch, welche Kosten eine derartige Bezahlkart­e verursache­n würde. Im Innenminis­terium hält man das für kein Hindernis: Denn auch das derzeitige System verursache einen Verwaltung­saufwand.

Neue Obergrenze?

Der burgenländ­ische Landeshaup­tmann, Hans Peter Doskozil, hat am Donnerstag eine neue Diskussion eröffnet: Er forderte eine Obergrenze von 10.000 Asylanträg­en pro Jahr. Zur Erinnerung: Seit 2016 gibt es bereits eine Obergrenze von 35.000 Anträgen, die aber ohne jede Konsequenz schon mehrere Male überschrit­ten wurde. Die Bundes-SPÖ hat mit dem Vorstoß aus dem Burgenland wenig Freude: Eine Asylgrenze sei keine Lösung, heißt es dazu, diese könne maximal ein Zielwert sein.

Und was soll passieren, wenn es mehr Anträge gibt? Es sei eine Aufgabe des ÖVP-Innenminis­ters, dies zu verhindern, so ein Sprecher von Doskozil auf „Presse“-Anfrage. Und zwar durch eine EU-Regelung für eine europaweit­e Verteilung von Flüchtling­en.

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