Was die Pleite der Alpine mit Signa verbindet
Bevor Signa kollabierte, war die Insolvenz des Baukonzerns Alpine die größte Pleite des Landes. Gibt es Parallelen? Durchaus. Sogar beim Hang, politische Prominenz in die Aufsichtsräte zu bitten.
Der Brief des Gläubigerschutzverbandes AKV ist mit 20. Jänner datiert. Adressaten sind die Gläubiger des Baukonzerns Alpine, sie werden in dem knappen Schreiben über den Fortschritt des Konkursverfahrens auf dem Laufenden gehalten. Zur Erinnerung: Das ist jener Baukonzern, der im Juni 2013 mit großem Getöse in die Pleite schlitterte – und bis zum Kollaps von René Benkos Signa-Imperium mit vier Milliarden Euro Passiva als größte Insolvenz Österreichs galt. Gibt es Parallelen? Und vor allem: Warum dauert das Alpine-Konkursverfahren dermaßen lang?
Es wird jedenfalls noch länger dauern, nämlich Jahre. Stephan Riel, Masseverwalter der Alpine Bau GmbH, spricht von bis zu zwei weiteren Jahren, Insolvenzexperten halten aber auch bis zu fünf Jahre für möglich. Ärgerlich für Gläubiger, die bislang in drei sogenannten Verteilungen eine Quote von 14 Prozent erhalten haben. Und Anlegervertreter Florian Beckermann meint : „Manchmal kann der Eindruck entstehen, dass so manche von einer langen Verfahrensdauer profitieren.“Nämlich finanziell: Da werden über die Jahre Aufträge für Gutachten und Gegengutachten vergeben, und der Masseverwalter bekommt natürlich auch ein Honorar. Im
Vergleich zu Deutschland, wo Unsummen fließen, sind die Honorare in Österreich allerdings nachgerade bescheiden. Sie sind im § 82 der Insolvenzordnung streng geregelt: Es gibt 3000 Euro pauschal und zusätzlich gestaffelte Prozentsätze am Verwertungserlös, die in Rechnung gestellt werden können. Das Honorar ist also erfolgsabhängig, „je nachdem, wie viel Geld für die Masse lukriert werden kann“, sagt Creditreform-Chef Gerhard
Weinhofer. Im Falle der Alpine werde sich das Honorar Insolvenzexperten zufolge aber immerhin „im niedrigen einstelligen Millionenbereich“bewegen.
Die lange Dauer des Alpine-Konkursverfahrens hat laut Masseverwalter Riel aber in erster Linie mit drei offenen Rechtsstreitigkeiten zu tun, die schon seit Jahren laufen und wohl noch dauern werden – weil die Gegenseite nicht geneigt ist, einem Vergleich zuzustimmen. Vom Ausgang dieser Verfahren wird abhängen, ob die Alpine-Gläubiger mehr Geld sehen werden. Entscheidend ist da vor allem ein laufender Prozess wegen eines Straßenbauprojekts in Polen. Prozessiert wird aber auch gegen zwei ehemalige AlpineGeschäftsführer sowie gegen den Wirtschaftsprüfer, dabei geht es um den Vorwurf der Insolvenzverschleppung.
Dieser Vorwurf steht bekanntlich auch beim Kollaps des Signa-Imperiums im Raum. Womit wir bei den eingangs erwähnten Parallelen wären. Gibt es die?
Auf den ersten Blick drängen sie sich nicht unbedingt auf: Bei der Alpine handelte es sich um Österreichs zweitgrößten Baukonzern, Signa ist in erster Linie ein Immobilienunternehmen – auch wenn es via Signa Development durchaus Bauprojekte gab. Die offensichtlichste Gemeinsamkeit ist allerdings der Hang, politische Prominenz in den Aufsichtsrat zu holen. Was schon einmal hinterfragenswert ist: Aufsichtsräte sollen ja eigentlich eine Kontrollfunktion ausüben, bei Alpine und Signa legte man freilich großen Wert darauf, Personen mit weit verzweigten Kontakten ins Boot zu holen, gleichsam als Türöffner für Deals.
Und siehe da: Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, Aufsichtsratsvorsitzender bei gleich mehreren Signa-Gesellschaften, präsidierte seinerzeit auch den Aufsichtsrat der Alpine. Im Sommer 2009 wurde er an die Spitze des Kontrollgremiums geholt. Damals gehörte die Alpine bereits mehrheitlich dem spanischen Baukonzern FCC. Und Gusenbauer, der fließend Spanisch spricht, sollte so etwas wie ein Bindeglied zwischen den spanischen und österreichischen Eigentümern sein. Aber auch seine Kontakte in Osteuropa, wo es Expansionsgelüste gab, spielten eine Rolle.
Nicht einmal ein Jahr später wechselte Gusenbauer in den Aufsichtsrat der Strabag – das war drei Jahre vor der Alpine-Pleite. Dem Vernehmen nach soll sich Gusenbauer höchst unwohl gefühlt haben, weil es immer wieder Streit um nicht eingehaltene Finanzierungszusagen der FCC gab. Wie auch immer, Ersatz war schnell gefunden: Ex-ÖVPAußenministerin Benita Ferrero-Waldner, die ebenfalls fließend Spanisch spricht und beste internationale Kontakte aufweisen konnte, wurde in den Alpine-Aufsichtsrat geholt. Kurze Zeit später, im März 2011, sollte sie sogar Aufsichtsratspräsidentin werden, doch sie machte im letzten Moment einen Rückzieher. Angeblich, weil ihr die Bürde der Verantwortung zu viel war, da hatte sie wohl den richtigen Riecher.
Tatsächlich war die Alpine in den Jahren davor überaus rasant gewachsen – eine weitere Parallele zu Signa, wie der Insolvenzexperte des Gläubigerschutzverbandes KSV1870, Jürgen Gebauer, betont. Auf einer langen Liste an Alpine-Übernahmen sind jene der Mayreder Bau und der Universale die prominentesten. Aber es wurden auch etliche Unternehmen jenseits der österreichischen Grenzen erworben, es gab Tochtergesellschaften in den Bereichen Elektrotechnik, Eisenbahnbau, Tunnelbau.
2012 übernahm die spanische FCC den Baukonzern zur Gänze, im Oktober desselben Jahres wurden Liquiditätsprobleme bekannt, einen Monat später wurde ein Stillhalteabkommen mit den Banken unterschrieben. Das war dann auch der Zeitpunkt, zu dem Alpine-Boss Johannes Dotter, erst Anfang des Jahres in den Chefsessel geholt, gehen musste. Dann kam Arnold Schiefer von der Rail Cargo der ÖBB in den Baukonzern.
Schiefer war es auch, wie KSV-Experte Gebauer rekapituliert, der eine Sonderprüfung der Alpine-Großprojekte initiierte. Die Prüfung ergab, dass es einen Wertverlust in der Bilanz von rund 400 Millionen Euro gab – auch das erinnert frappant an Signa.
Damit war das Schicksal der Alpine besiegelt. Ebenso wie Signa wurde ein Sanierungsverfahren beantragt – im Gegensatz zu Signa wurde allerdings postwendend die Notbremse gezogen und ein Konkursverfahren eingeleitet. Es konnte also gleich mit der Verwertung von Assets gestartet werden. Der Zeitdruck war laut Gebauer enorm, „denn es galt, Stillstand an vielen Baustellen zu verhindern“.
Rund 40.000 Positionen waren im Verwertungsprozess gelistet, in Österreich beispiellos. Unter den Hammer kamen diverse Gerätschaften mit dem gelben Alpine-Logo, Straßenwalzen etwa oder Kräne, aber auch Lkw. Von Fußmatten oder Mistkübeln ist allerdings nichts überliefert.