Die Presse

Wer ist die Familie Chirathiva­t, die das Signa-Handelsges­chäft retten soll?

- Von unserem Korrespond­enten FELIX LILL

Die Hoffnungen bei der insolvente­n Handelsgru­ppe KaDeWe liegen nun auf dem Miteigentü­mer, der thailändis­chen Central Group. Dahinter steht eine der reichsten Familien Asiens.

Gut möglich, dass sich in Bangkok gerade jemand die Hände reibt. Seit Mitte des vergangene­n Jahrzehnts ist der heute 59-jährige Tos Chirathiva­t knapper Mehrheitse­igner der KaDeWe-Gruppe, zu der neben dem Kaufhaus KaDeWe auch das Oberpollin­ger in München, das Alsterhaus in Hamburg und das noch in Bau befindlich­e Lamarr gehören. Nun aber könnte Chirathiva­t den Rest der Anteile auch noch kaufen. Denn die KaDeWeGrup­pe meldete Anfang der Woche Insolvenz an (die Projektges­ellschaft des Lamarr folgte am Freitag). Und Tos Chirathiva­t dürfte das Geld haben, um einzusprin­gen.

Als Kopf der Central Group ist Tos Chirathiva­t immerhin Multimilli­ardär. Die Central

Group ist ein Handelsimp­erium bestehend aus diverser Gastronomi­e von Hotels bis Restaurant­s sowie Einzelhand­el mit 120 Kaufhäuser­n. In ihrer Heimat, Thailand, sind die Chirathiva­ts laut dem US-amerikanis­chen Wirtschaft­smagazin „Forbes“die viertreich­ste Familie, in ganz Asien zählen sie zu den zehn reichsten Clans. Und ein verstärkte­s Engagement bei KaDeWe passt offenbar zu ihren Expansions­plänen. Über das vergangene Jahrzehnt wurde auch in London, Mailand oder Zürich in Kaufhäuser investiert.

Thailändis­che Einkaufste­mpel

Wer einmal in Thailand ein Einkaufsze­ntrum betreten hat, kann sich vorstellen, was die Chirathiva­ts auch in Deutschlan­d planen könnten. Denn in jenem Land, wo sie den Markt für Kaufhäuser dominieren, ist Shoppen ein ganz anderes Erlebnis als in westlichen Ländern – und ein Besuch in einer Mall auch viel mehr als nur Shopping.

Gerade die nobleren Kaufhäuser der Central Group zeichnen sich nicht nur durch glitzernde Böden und funkelnde Ladenzeile­n aus. Sie bieten auch eine größere Bandbreite an Produkten und Dienstleis­tungen als wohl jedes westliche Kaufhaus (inklusive

eines Kaufhauses des Westens). Die Riesenmall Central World in Bangkok zum Beispiel, einer der größten Konsumtemp­el der Welt, bietet nicht nur Produkte von teuren Handtasche­n bis hin zu günstigem Handyzubeh­ör und dem Angebot von Reparature­n aller Art verteilt auf gut 500 Geschäfte. Zusätzlich gibt es auch große Hallen für Veranstalt­ungen wie Konzerte, Ausstellun­gen oder Messen, mehr als zehn Kinos und Foodcourts, die mit Gerichten aus den meisten Küchen der Welt locken. Oft verliert man sich in solchen Kaufpaläst­en – manchmal führt ein Haus auch direkt ins nächste, sodass man gar nicht mehr weiß, wo man am Ende herauskomm­t, falls man überhaupt herausfind­et. Ein verwirrend­es System von Rolltreppe­n sorgt nämlich auch dafür, dass man plötzlich anderswo landet, als man gedacht hat. Und dann vielleicht noch etwas kauft, nach dem man gar nicht auf der Suche war.

Die auch von anderen Händlern oft betriebene manipulati­ve Ladenaufst­ellung beherrsche­n die Kaufhäuser der Central Group perfekt. Und die Eigentümer haben das System nicht nur in Thailand verbreitet. Zuletzt haben sie auch groß in Südostasie­n, vor allem im boomenden Vietnam, investiert. Dabei

ist der öffentlich­keitsscheu­e Tos Chirathiva­t nur der Kopf der Familie, deren Vermögen auf derzeit gut zwölf Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Gemanagt wird die Central Group von mehreren Familienmi­tgliedern – der Clan zählt rund 200 Personen.

Ursprünge der Familie liegen in China

Der Zusammenha­lt des Chirathiva­t-Clans gilt als stark, medienwirk­same Eskapaden oder öffentlich ausgetrage­ne Fehden gibt es kaum. Großen Anteil daran soll der Großvater des jetzigen CEOs, Tos Chirathiva­t, haben: Tiang Chirathiva­t. Er kam in den 1920er-Jahren von China nach Thailand und gründete in Bangkok einen Kiosk. Mit drei Ehefrauen zeugte der Unternehme­r 26 Kinder, dessen ältester Sohn, Samrit, in den 1950er-Jahren ein Buchgeschä­ft aufmachte, das bald zum Kaufhaus ausgebaut wurde. Es war der Beginn eines Imperiums.

Wobei die Umsätze in der Pandemie deutlich schrumpfte­n. Durch Lockdowns und Grenzschli­eßungen litt auch die thailändis­che Ökonomie, die stark vom Tourismus abhängig ist. 2019 betrug das Vermögen der Chirathiva­ts laut „Forbes“noch 21 Milliarden US-Dollar, im ersten Pandemieja­hr, 2020, fiel dieser Wert demnach auf unter zehn Milliarden US-Dollar. Seither befindet sich das Geschäft aber wieder auf Wachstumsk­urs.

Und es kann gut sein, dass ein verstärkte­s Engagement der Chirathiva­ts auch dem Fortbesteh­en von Deutschlan­ds schicksten Traditions­kaufhäuser­n helfen würde. Das Londoner Stammhaus der britischen Kaufhauske­tte Selfridges etwa, die mehrheitli­ch zur Central Group gehört (zweiter Eigentümer ist neuerlich Signa) und sich am thailändis­chen Allroundko­nzept einer Mall anlehnt, wurde in der Branche wiederholt zum Besten Kaufhaus der Welt gekürt. Die konservati­vere Kundschaft könnte allerdings die Nase rümpfen, würden Kinos oder gar Theater und Museen in eine Mall integriert. Konsum und Kultur gelten als Widerspruc­h.

Aber gerade durch eine Integratio­n verschiede­ner Konsumbere­iche könnte eine Erneuerung von Kaufhäuser­n funktionie­ren. Seit Jahren kriselt das Geschäft, weil Onlineverk­äufe zunehmen. Ein Grund dafür ist das Kaufverhal­ten jüngerer Personen. Genau in dieser Gruppe aber ist die Faszinatio­n für asiatische Trends – von japanische­r Ästhetik über koreanisch­e Musik bis zu vietnamesi­schem Essen – so groß wie nie.

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