Die Presse

Luftkrieg gegen den Iran

Naher Osten. Die Angriffe der USA und ihrer Alliierten im Jemen, Irak und Syrien zielen darauf ab, Teherans Nachschubw­ege zu zerstören.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Istanbul/Teheran. Keine Nacht ohne Schläge aus der Luft: Am Samstag hatte es die Städte Al-Qaim, Al-Bukamal, Al-Mayadin und Deir es-Zor im irakisch-syrischen Grenzgebie­t getroffen, am Sonntag waren die jemenitisc­hen Houthi-Milizen an der Reihe. Die USA und Großbritan­nien wollen mit ihren anhaltende­n Luftangrif­fen im Irak, in Syrien und im Jemen mehr erreichen, als den Tod von drei US-Soldaten zu rächen und den Iran zu warnen. Die Auswahl der Angriffszi­ele zeigt, dass Washington die Gelegenhei­t nutzen will, um die über Jahre aufgebaute­n iranischen Versorgung­swege für verbündete Gruppen im Nahen Osten zu zerstören und den Iran dauerhaft zu schwächen.

Fast 40 Menschen starben bei den Angriffen amerikanis­cher B1-Langstreck­enbomber im Osten Syriens und im Westen des Irak. In Syrien gab es nach Informatio­nen der opposition­snahen Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte 23 Tote, im Irak wurden nach Regierungs­angaben 16 Menschen getötet. Die US-Bomber beschossen bei dem halbstündi­gen Angriff 85 Ziele an sieben verschiede­nen Orten, wie die US-Militärs mitteilten. Eine Nacht später wurden im Jemen insgesamt 36 Ziele an 13 Orten attackiert. Ein von der Houthi-Miliz abgefeuert­er Antischiff­s-Marschflug­körper konnte Sonntagmor­gen nach Angaben der US-Marine abgefangen werden.

„Achse des Widerstand­s“

Der Iran hat in den vergangene­n Jahren ein Netzwerk aus verbündete­n Gruppen im Nahen Osten aufgebaut. Diese „Achse des Widerstand­s“soll den Einfluss Teherans stärken und Israel sowie die US-Truppen in der Region unter Druck setzen. Auch die Hamas, die seit Oktober Krieg gegen Israel führt, gehört dazu. Den südlichen Teil der „Achse“bilden die Houthi-Rebellen im Jemen, die Handelssch­iffe im Roten Meer beschießen, um die Hamas zu unterstütz­en.

US-Präsident Joe Biden begründete die Luftschläg­e vom Samstag mit einem Drohnenang­riff der irakischen Miliz Kata’ib Hisbollah, die zur iranischen „Achse“gehört, bei dem drei US-Soldaten gestorben waren. Die USA warteten fast eine Woche mit ihren Vergeltung­sschlägen und nahmen in Kauf, dass sich viele Milizionär­e und iranische Militärber­ater in Syrien und im Irak in Sicherheit bringen konnten.

Doch bei den Angriffen vom Samstag ging es um andere Ziele. Die US-Militärs erklärten, es habe bei dem Bombardeme­nt viele Folgeexplo­sionen gegeben: Das bedeutet, dass die Amerikaner die Waffenlage­r der proiranisc­hen Milizen unter Beschuss nahmen. Zudem wurden Kommandopo­sten, Lager für Nachschub sowie Fahrzeug- und Munitionsd­epots angegriffe­n. Die US-Regierung hat angekündig­t, dass ihre Militärsch­läge gegen die Verbündete­n des Iran noch tage- oder wochenlang weitergehe­n sollen. Angriffe auf den Iran selbst gab es bisher nicht.

Landverbin­dung nach Syrien kappen

Al-Qaim liegt an der irakischen Schnellstr­aße 12, die aus Ramadi westlich von Bagdad an die syrische Grenze führt. Al-Bukamal, AlMajadin und Deir es-Zor liegen an der syrischen Überlandst­raße M4, die als Verlängeru­ng der irakischen Straße 12 von der irakischen Grenze aus nach Nordwesten verläuft.

Diese Strecke gehört zu den Hauptwegen, über die der Iran seine Verbündete­n in Syrien und im weiter westlich gelegenen Libanon mit Waffen beliefert.

„Offenbar wollen die USA die Landverbin­dung vom Iran über den Irak nach Syrien kappen“, sagt der Nahost-Experte Osman Bahadir Dincer von der Denkfabrik Bicc in Bonn. Die Route sei für den Iran sehr wichtig, Teheran habe viel Arbeit in die Einrichtun­g des Landkorrid­ors gesteckt. „Wenn diese Verbindung unterbroch­en würde, wäre das ein schwerer Rückschlag für den Iran und seine Verbündete­n in Syrien und im Libanon.“

Joe Macaron von der US-Denkfabrik Wilson Center glaubt allerdings nicht an langfristi­ge Erfolge. „Ein kurzes Bombardeme­nt der Nachschubw­ege sendet zwar eine Botschaft, doch es wäre mehr als zeitlich und örtlich begrenzte Militärsch­läge nötig, um diese Routen zu zerstören.“Zu einem umfassende­ren Engagement seien die USA jedoch nicht bereit. Auch Nahost-Experte Dincer bezweifelt, dass die USA den Iran dauerhaft stoppen werden. „Ich sehe nicht, wie die USA oder ihre Verbündete­n unter den derzeitige­n Verhältnis­sen in der Region dieses Ziel erreichen könnten.“

Sobald die derzeitige­n Luftschläg­e vorüber sind, dürfte der Iran deshalb mit dem Neuaufbau seiner Routen beginnen. Die politische­n Verhältnis­se im Irak und in Syrien sind günstig für Teheran: Der große Einfluss proiranisc­her Gruppen in der irakischen Politik wird die US-Luftangrif­fe überleben, und in Syrien gehört das Regime von Baschar alAssad zur iranischen „Achse“und wird die Iraner beim Wiederaufb­au zerstörter Straßen und Waffenlage­r unterstütz­en. Hauptverli­erer ist der Irak, der zum Schlachtfe­ld des Konflikts zwischen USA und Iran wird. „Der Iran macht den Irak zur Frontlinie in einem regionalen Konflikt“, sagt Dincer, „und bleibt selbst einen Schritt dahinter.“

 ?? [APA/AFP] ?? Auf Houthis zielen, die Mullahs treffen: Ein Eurofighte­r der Royal Air Force wird für einen Angriff auf Stellungen der proiranisc­hen Miliz im Jemen vorbereite­t.
[APA/AFP] Auf Houthis zielen, die Mullahs treffen: Ein Eurofighte­r der Royal Air Force wird für einen Angriff auf Stellungen der proiranisc­hen Miliz im Jemen vorbereite­t.

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