Luftkrieg gegen den Iran
Naher Osten. Die Angriffe der USA und ihrer Alliierten im Jemen, Irak und Syrien zielen darauf ab, Teherans Nachschubwege zu zerstören.
Istanbul/Teheran. Keine Nacht ohne Schläge aus der Luft: Am Samstag hatte es die Städte Al-Qaim, Al-Bukamal, Al-Mayadin und Deir es-Zor im irakisch-syrischen Grenzgebiet getroffen, am Sonntag waren die jemenitischen Houthi-Milizen an der Reihe. Die USA und Großbritannien wollen mit ihren anhaltenden Luftangriffen im Irak, in Syrien und im Jemen mehr erreichen, als den Tod von drei US-Soldaten zu rächen und den Iran zu warnen. Die Auswahl der Angriffsziele zeigt, dass Washington die Gelegenheit nutzen will, um die über Jahre aufgebauten iranischen Versorgungswege für verbündete Gruppen im Nahen Osten zu zerstören und den Iran dauerhaft zu schwächen.
Fast 40 Menschen starben bei den Angriffen amerikanischer B1-Langstreckenbomber im Osten Syriens und im Westen des Irak. In Syrien gab es nach Informationen der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 23 Tote, im Irak wurden nach Regierungsangaben 16 Menschen getötet. Die US-Bomber beschossen bei dem halbstündigen Angriff 85 Ziele an sieben verschiedenen Orten, wie die US-Militärs mitteilten. Eine Nacht später wurden im Jemen insgesamt 36 Ziele an 13 Orten attackiert. Ein von der Houthi-Miliz abgefeuerter Antischiffs-Marschflugkörper konnte Sonntagmorgen nach Angaben der US-Marine abgefangen werden.
„Achse des Widerstands“
Der Iran hat in den vergangenen Jahren ein Netzwerk aus verbündeten Gruppen im Nahen Osten aufgebaut. Diese „Achse des Widerstands“soll den Einfluss Teherans stärken und Israel sowie die US-Truppen in der Region unter Druck setzen. Auch die Hamas, die seit Oktober Krieg gegen Israel führt, gehört dazu. Den südlichen Teil der „Achse“bilden die Houthi-Rebellen im Jemen, die Handelsschiffe im Roten Meer beschießen, um die Hamas zu unterstützen.
US-Präsident Joe Biden begründete die Luftschläge vom Samstag mit einem Drohnenangriff der irakischen Miliz Kata’ib Hisbollah, die zur iranischen „Achse“gehört, bei dem drei US-Soldaten gestorben waren. Die USA warteten fast eine Woche mit ihren Vergeltungsschlägen und nahmen in Kauf, dass sich viele Milizionäre und iranische Militärberater in Syrien und im Irak in Sicherheit bringen konnten.
Doch bei den Angriffen vom Samstag ging es um andere Ziele. Die US-Militärs erklärten, es habe bei dem Bombardement viele Folgeexplosionen gegeben: Das bedeutet, dass die Amerikaner die Waffenlager der proiranischen Milizen unter Beschuss nahmen. Zudem wurden Kommandoposten, Lager für Nachschub sowie Fahrzeug- und Munitionsdepots angegriffen. Die US-Regierung hat angekündigt, dass ihre Militärschläge gegen die Verbündeten des Iran noch tage- oder wochenlang weitergehen sollen. Angriffe auf den Iran selbst gab es bisher nicht.
Landverbindung nach Syrien kappen
Al-Qaim liegt an der irakischen Schnellstraße 12, die aus Ramadi westlich von Bagdad an die syrische Grenze führt. Al-Bukamal, AlMajadin und Deir es-Zor liegen an der syrischen Überlandstraße M4, die als Verlängerung der irakischen Straße 12 von der irakischen Grenze aus nach Nordwesten verläuft.
Diese Strecke gehört zu den Hauptwegen, über die der Iran seine Verbündeten in Syrien und im weiter westlich gelegenen Libanon mit Waffen beliefert.
„Offenbar wollen die USA die Landverbindung vom Iran über den Irak nach Syrien kappen“, sagt der Nahost-Experte Osman Bahadir Dincer von der Denkfabrik Bicc in Bonn. Die Route sei für den Iran sehr wichtig, Teheran habe viel Arbeit in die Einrichtung des Landkorridors gesteckt. „Wenn diese Verbindung unterbrochen würde, wäre das ein schwerer Rückschlag für den Iran und seine Verbündeten in Syrien und im Libanon.“
Joe Macaron von der US-Denkfabrik Wilson Center glaubt allerdings nicht an langfristige Erfolge. „Ein kurzes Bombardement der Nachschubwege sendet zwar eine Botschaft, doch es wäre mehr als zeitlich und örtlich begrenzte Militärschläge nötig, um diese Routen zu zerstören.“Zu einem umfassenderen Engagement seien die USA jedoch nicht bereit. Auch Nahost-Experte Dincer bezweifelt, dass die USA den Iran dauerhaft stoppen werden. „Ich sehe nicht, wie die USA oder ihre Verbündeten unter den derzeitigen Verhältnissen in der Region dieses Ziel erreichen könnten.“
Sobald die derzeitigen Luftschläge vorüber sind, dürfte der Iran deshalb mit dem Neuaufbau seiner Routen beginnen. Die politischen Verhältnisse im Irak und in Syrien sind günstig für Teheran: Der große Einfluss proiranischer Gruppen in der irakischen Politik wird die US-Luftangriffe überleben, und in Syrien gehört das Regime von Baschar alAssad zur iranischen „Achse“und wird die Iraner beim Wiederaufbau zerstörter Straßen und Waffenlager unterstützen. Hauptverlierer ist der Irak, der zum Schlachtfeld des Konflikts zwischen USA und Iran wird. „Der Iran macht den Irak zur Frontlinie in einem regionalen Konflikt“, sagt Dincer, „und bleibt selbst einen Schritt dahinter.“