Kampf ums Wasser: Dürre treibt Landwirte auf die Straße
Bauern sehen sich mit Maßnahmen zur Wasserrationierung konfrontiert, während der Fremdenverkehr verschont bleibt.
Die europäischen Bauernproteste sind jetzt auch nach Portugal und Spanien übergeschwappt. In beiden Ländern gehen seit Tagen Tausende von Landwirten auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen. Auf der Iberischen Halbinsel geht es aber nicht nur um Agrardiesel, Billigimporte aus NichtEU-Ländern oder um Brüsseler Auflagen für einen nachhaltigen Anbau. Die Bauern sehen ihre Existenz auch durch Regenmangel und eine dadurch verursachte Jahrhundertdürre bedroht. Spaniens Medien sprechen bereits von einem „Krieg ums Wasser“.
Längste Dürreperiode
„Ohne Wasser gibt es kein Leben“, skandierten mehr als 10.000 spanische Landwirte, die durch die andalusische Hauptstadt Sevilla zogen. Die Region Andalusien leidet bereits seit Jahren unter einer extremen Trockenheit. Es handelt sich um die längste Dürreperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Viele Talsperren, mit deren Wasser die Plantagen versorgt werden, sind leer. Die Landwirte fordern deswegen finanzielle Hilfen und den Bau von Entsalzungsanlagen sowie Kanälen, um aufbereitetes Meerwasser auf ihre Felder leiten zu können.
In Andalusien, in der Umgebung des berühmten Doñana-Nationalparks, liegt das größte europäische Anbaugebiet für Erdbeeren. Die Erdbeerbauern warnen, dass die Dürre die Zukunft von Europas Beerengarten in Gefahr bringe. Den Plantagenbesitzern sei bereits die Wassermenge, die sie aus dem Bewässerungsnetz entnehmen dürfen, um 50 Prozent gekürzt worden – weitere Rationierungen sind wahrscheinlich.
In der Mittelmeerregion Katalonien sieht es ähnlich aus. Dort traten gerade wegen des sich verschärfenden Wassermangels Einschränkungen für die Bauern in Kraft. Sie müssen jetzt bei der Beregnung ihrer Felder mit 20 Prozent der bisherigen Wassermenge auskommen. Für die Landwirte hat dies dramatische Folgen. „Unsere Ernten werden vertrocknen“, warnt der örtliche Agrarverband. In der Region werden Äpfel, Tomaten, Zucchini und Wein angebaut. Kataloniens Bauern kündigten für die kommenden Tage Blockaden von Straßen, Häfen und Autobahnen an, „um gegen die kritische Situation der Landwirtschaft“zu protestieren. Unter anderem sollen Zufahrten zu den beiden Großstädten Barcelona und Tarragona mit Traktoren gesperrt werden. Auf der von Urlaubern viel befahrenen Mittelmeerautobahn A-7 muss dann ebenfalls mit Behinderungen gerechnet werden.
Die katalanischen Bauern ärgert auch, dass sie Wasser sparen müssen, andere große Wasserverbraucher aber kaum. Etwa die Touristen, die demnächst wieder aus ganz Europa anreisen werden – Katalonien ist die meistbesuchte Ferienhochburg Spaniens. Die Gäste sollen die Krise möglichst nicht zu spüren bekommen. Die Hotelduschen werden auch während der Wasserkrise weiter funktionieren. Lediglich bei den Swimmingpools soll gespart werden – sie dürfen nicht mehr mit Leitungswasser, sondern nur noch mit Meerwasser gefüllt werden.
Schon das vergangene Jahr war für Spaniens Bauern eine Katastrophe: Beim Weinanbau betrugen die Ernteverluste rund 20 Prozent, bei den Zitrusfrüchten 40 und auf den Olivenplantagen mehr als 50 Prozent. Dass Spanien ein Dürreproblem hat, ist auch anhand der Daten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus zu erkennen. Laut aktuellen Daten galten im Jänner 24,2 Prozent der Gebiete der EU als dürregefährdet bzw. von Trockenheit betroffen. In Spanien liegt dieser Anteil teilweise drastisch höher: In der Region Valencianische Gemeinschaft etwa waren gemäß Copernicus zuletzt 99,3 Prozent der Fläche betroffen.
Proteste auch in Rom
Wassermangel ist bei den Bauernprotesten in anderen Teilen Europas nicht das Hauptproblem. In Italien etwa geht es um die Verteuerung von Agrardiesel und um unbeliebte EUVorschriften – etwa die Zulassung von Laborfleisch. Die Regierung signalisiert Entgegenkommen: Premierministerin Giorgia Meloni versprach am Samstagabend, dass die Ressourcen für die Landwirtschaft aus dem von der EU finanzierten Wiederaufbauplan von fünf auf acht Mrd. Euro erhöht werden. In den kommenden Tagen wollen die Landwirte in Rom demonstrieren. „Wir erwarten Tausende Traktoren“, sagte der Anführer der Bewegung, Danilo Calvani, laut Medienangaben vom Sonntag.