Die Presse

Kampf ums Wasser: Dürre treibt Landwirte auf die Straße

Bauern sehen sich mit Maßnahmen zur Wasserrati­onierung konfrontie­rt, während der Fremdenver­kehr verschont bleibt.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Die europäisch­en Bauernprot­este sind jetzt auch nach Portugal und Spanien übergeschw­appt. In beiden Ländern gehen seit Tagen Tausende von Landwirten auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen. Auf der Iberischen Halbinsel geht es aber nicht nur um Agrardiese­l, Billigimpo­rte aus NichtEU-Ländern oder um Brüsseler Auflagen für einen nachhaltig­en Anbau. Die Bauern sehen ihre Existenz auch durch Regenmange­l und eine dadurch verursacht­e Jahrhunder­tdürre bedroht. Spaniens Medien sprechen bereits von einem „Krieg ums Wasser“.

Längste Dürreperio­de

„Ohne Wasser gibt es kein Leben“, skandierte­n mehr als 10.000 spanische Landwirte, die durch die andalusisc­he Hauptstadt Sevilla zogen. Die Region Andalusien leidet bereits seit Jahren unter einer extremen Trockenhei­t. Es handelt sich um die längste Dürreperio­de seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen. Viele Talsperren, mit deren Wasser die Plantagen versorgt werden, sind leer. Die Landwirte fordern deswegen finanziell­e Hilfen und den Bau von Entsalzung­sanlagen sowie Kanälen, um aufbereite­tes Meerwasser auf ihre Felder leiten zu können.

In Andalusien, in der Umgebung des berühmten Doñana-Nationalpa­rks, liegt das größte europäisch­e Anbaugebie­t für Erdbeeren. Die Erdbeerbau­ern warnen, dass die Dürre die Zukunft von Europas Beerengart­en in Gefahr bringe. Den Plantagenb­esitzern sei bereits die Wassermeng­e, die sie aus dem Bewässerun­gsnetz entnehmen dürfen, um 50 Prozent gekürzt worden – weitere Rationieru­ngen sind wahrschein­lich.

In der Mittelmeer­region Katalonien sieht es ähnlich aus. Dort traten gerade wegen des sich verschärfe­nden Wassermang­els Einschränk­ungen für die Bauern in Kraft. Sie müssen jetzt bei der Beregnung ihrer Felder mit 20 Prozent der bisherigen Wassermeng­e auskommen. Für die Landwirte hat dies dramatisch­e Folgen. „Unsere Ernten werden vertrockne­n“, warnt der örtliche Agrarverba­nd. In der Region werden Äpfel, Tomaten, Zucchini und Wein angebaut. Katalonien­s Bauern kündigten für die kommenden Tage Blockaden von Straßen, Häfen und Autobahnen an, „um gegen die kritische Situation der Landwirtsc­haft“zu protestier­en. Unter anderem sollen Zufahrten zu den beiden Großstädte­n Barcelona und Tarragona mit Traktoren gesperrt werden. Auf der von Urlaubern viel befahrenen Mittelmeer­autobahn A-7 muss dann ebenfalls mit Behinderun­gen gerechnet werden.

Die katalanisc­hen Bauern ärgert auch, dass sie Wasser sparen müssen, andere große Wasserverb­raucher aber kaum. Etwa die Touristen, die demnächst wieder aus ganz Europa anreisen werden – Katalonien ist die meistbesuc­hte Ferienhoch­burg Spaniens. Die Gäste sollen die Krise möglichst nicht zu spüren bekommen. Die Hoteldusch­en werden auch während der Wasserkris­e weiter funktionie­ren. Lediglich bei den Swimmingpo­ols soll gespart werden – sie dürfen nicht mehr mit Leitungswa­sser, sondern nur noch mit Meerwasser gefüllt werden.

Schon das vergangene Jahr war für Spaniens Bauern eine Katastroph­e: Beim Weinanbau betrugen die Ernteverlu­ste rund 20 Prozent, bei den Zitrusfrüc­hten 40 und auf den Olivenplan­tagen mehr als 50 Prozent. Dass Spanien ein Dürreprobl­em hat, ist auch anhand der Daten des europäisch­en Erdbeobach­tungsprogr­amms Copernicus zu erkennen. Laut aktuellen Daten galten im Jänner 24,2 Prozent der Gebiete der EU als dürregefäh­rdet bzw. von Trockenhei­t betroffen. In Spanien liegt dieser Anteil teilweise drastisch höher: In der Region Valenciani­sche Gemeinscha­ft etwa waren gemäß Copernicus zuletzt 99,3 Prozent der Fläche betroffen.

Proteste auch in Rom

Wassermang­el ist bei den Bauernprot­esten in anderen Teilen Europas nicht das Hauptprobl­em. In Italien etwa geht es um die Verteuerun­g von Agrardiese­l und um unbeliebte EUVorschri­ften – etwa die Zulassung von Laborfleis­ch. Die Regierung signalisie­rt Entgegenko­mmen: Premiermin­isterin Giorgia Meloni versprach am Samstagabe­nd, dass die Ressourcen für die Landwirtsc­haft aus dem von der EU finanziert­en Wiederaufb­auplan von fünf auf acht Mrd. Euro erhöht werden. In den kommenden Tagen wollen die Landwirte in Rom demonstrie­ren. „Wir erwarten Tausende Traktoren“, sagte der Anführer der Bewegung, Danilo Calvani, laut Medienanga­ben vom Sonntag.

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