Die Presse

11.000 genitalver­stümmelte Frauen in Österreich

Durch stärkere Beratung männlicher Araber soll verhindert werden, dass weitere Mädchen Opfer werden.

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Rund 11.000 Mädchen und Frauen sind in Österreich von weiblicher Genitalver­stümmelung (Female Genital Mutilation/Cutting, Abkürzung: FGM/C) betroffen. Bis zu 3000 junge Mädchen sind von der kulturell bedingten Form von brutaler Gewalt bedroht. Das hat eine Studie ergeben, die von der Medizinisc­hen Universitä­t Wien in Kooperatio­n mit dem Frauengesu­ndheitszen­trum FEM Süd zu FGM/C durchgefüh­rt wurde, wobei Daten in mehreren Bundesländ­ern erfasst und zusammenge­führt wurden.

Die Studie wurde vom Bundeskanz­leramt in Auftrag gegeben, um zu erheben, wie viele von Genitalver­stümmelung Betroffene – laut WHO sind es weltweit 200 Millionen Mädchen und Frauen – es hierzuland­e gibt. Anlässlich des Internatio­nalen Tages gegen Genitalver­stümmelung am 6. Februar wurden nun erste Ergebnisse publik gemacht. Die Hälfte der Frauen in Österreich, an denen FGM/C durchgefüh­rt wurde, stammt demnach aus Ägypten, ein weiteres Drittel aus Somalia. Grundsätzl­ich sind Frauen gefährdet, deren Mütter aus einem Land stammen, in dem FGM/C praktizier­t wird. Derzeit leben mehr als 33.000 Mädchen und Frauen in Österreich, deren Wurzeln in einem Land liegen, in dem FGM/C dokumentie­rt wird. Von ihnen haben 10.320 die österreich­ische Staatsbürg­erschaft.

Raab: „Traurige Realität“

Im Kampf gegen die weibliche Genitalver­stümmelung hat das Kanzleramt 2022 eine bundesweit­e Koordinati­onsstelle ins Leben gerufen. Im Vordergrun­d steht die Aufklärung­s- und Prävention­sarbeit, denn je mehr Wissen über weibliche Genitalver­stümmelung besteht, desto besser können Frauen geschützt werden. Angestrebt wird dabei, auch Männer einzubezie­hen, weil Maßnahmen zum Schutz von Frauen in patriarcha­l geprägten Communitys langfristi­g nur dann Erfolg haben.

„FGM ist eine brutale Form der Gewalt gegen Frauen, und die Opfer kämpfen oft ihr ganzes Leben mit den physischen und psychische­n Schmerzen dieser Straftat“, betonte Frauen- und Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP). Leider sei FGM auch in Österreich „traurige Realität geworden, die ausschließ­lich Frauen mit Migrations­hintergrun­d betrifft, wie nun die ersten Zahlen der neuen Studie zeigen“, meinte Raab.

Genitalver­stümmelung sei „eine Straftat und völlig inakzeptab­el“, sagte sie. Nach der Schaffung der bundesweit­en Koordinati­onsstelle seien weitere wichtige Schritte gesetzt worden: „Wir müssen alles tun, damit diese Form von kulturell bedingter Gewalt bekämpft wird, und gerade auch die jungen Mädchen schützen. Wichtig ist für mich daher auch die verstärkte Einbindung der Männer, um das Problem an der Wurzel zu packen.“

Eigene Ambulanzen

Mit FGM-Ambulanzen in Linz und Graz soll eine möglichst flächendec­kende Versorgung der Frauen gewährleis­tet sein. Die Koordinati­onsstelle für FGM/C hat wiederum allein im Vorjahr 159 von FGM/C betroffene bzw. bedrohte Frauen und Mädchen in insgesamt 902 persönlich­en oder telefonisc­hen Kontakten beraten. Die männerspez­ifische Beratung richtet sich vor allem an Männer mit arabischen Wurzeln, denen eine niederschw­ellige Aufklärung zu FGM/C vermittelt werden soll. (APA)

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