Die hohe Kunst des Asset-Managements
Diversifikation und Risikostreuung bilden die Grundregeln einer erfolgreichen Kapitalanlage-Strategie. In den vergangenen Jahren wurden Wertpapiere wichtiger und Anleger risikofreudiger.
833 Milliarden Euro hatten österreichische Haushalte laut Nationalbank zu Ende des ersten Halbjahres 2023 auf der hohen Kante. Das war aufgrund der hohen Inflation etwas weniger als in den beiden Jahren zuvor, aber Österreich zählt nach wie vor zu den wohlhabendsten Ländern Europas. Zweifelsohne ist das Geldvermögen ungleich verteilt: Die eine Hälfte der Bevölkerung verfügt über so gut wie gar kein Vermögen, während fünf Prozent (rund 200.000 Haushalte) mehr als eine Million Euro besitzen. Vermögensaufbau und Vorsorge ist dennoch für 85 Prozent der Österreicher enorm wichtig, wie eine aktuelle Studie im Auftrag von Erste Bank und Wiener Städtische Versicherung zeigt.
Aber wie macht man es richtig? Anlagestrategien gibt es wie Sand am Meer, eine Grundregel gilt es aber immer zu beherzigen – unabhängig von Risikofreude und persönlicher Affinität, ob vermögend oder nicht: Man muss sein Geld diversifizieren, um damit das Risiko zu streuen. Das wussten schon die Fugger und später die Rothschilds. Sie folgten der sogenannten DreiSpeichen-Strategie. Sie stammt von Rabbi Isaak Bar Aha, der schon im vierten Jahrhundert riet, jeweils ein Drittel des Vermögens in Grund und Boden, Handelswaren und Bargeld anzulegen. Auf die moderne Welt übertragen, stehen die Speichen für Wertpapiere, Gold oder Silber und Immobilien.
Alternativen gehören dazu
Im Prinzip gilt die uralte Weisheit immer noch. Allerdings hat sich den Experten zufolge die Gewichtung deutlich verschoben. Und zwar weg vom Edelmetall hin zu Aktien und Anleihen. „Wenn ich die Wahl zwischen verschiedenen Assetklassen habe, setze ich auf Unternehmen, das heißt Aktien“, bringt es Harald Holzer, Chief Investment Officer (CIO) der Kathrein Bank, auf den Punkt. Gold sei nicht per se abzulehnen und als „ultimative Absicherung“für Krisen gut, meint Felix Düregger, Leiter des Asset-Managements des Anleihen-Teams der Schoellerbank. Gold habe zwar seinen Wert über Tausende Jahre behalten und sich zuletzt auch deutlich verteuert, was angesichts der Verunsicherung durch die vielen geopolitischen Krisen und die hohe Inflation kein Wunder sei. Andererseits bringe Gold keine Zinsen und Dividenden, was gerade derzeit ein Nachteil sei, lautet das Argument von Robert Karas, CIO und Partner der Bank Gutmann, gegen einen zu hohen Goldanteil. Was übrigens auch für Silber gilt. „Fünf Prozent Gold innerhalb eines zwölfprozentigen Anteils alternativer Investments, wozu auch Rohstoffe, Hedgefonds oder Versicherungsprodukte zählen können, sind genug“, fasst Jürgen Lukasser, Chef des Portfolio-Managements LGT Bank Österreich, die Meinung der Experten zusammen. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich daher auf die Aktien- und Bondmärkte.
Aktien dürfen nicht fehlen
Da hat sich in den letzten Jahren auch viel getan. „Wir haben in unterschiedlichen Welten gelebt“, sagt Düregger. Während die Niedrigbzw. Nullzins-Jahre Aktien befeuerten und deren Übergewichtung Sinn machte, hat das ab Mitte 2022 steigende Zinsniveau Anleihen wieder attraktiv gemacht. Die Renditen von Staatsanleihen, vor allem die als Benchmark geltenden Bonds der USA und Deutschlands, aber auch österreichische, schossen infolge der steigenden Zinsen im Vorjahr in lang nicht gesehene Höhen von bis zu fünf Prozent. Dementsprechend sanken die Kurse der Papiere.
Mit der – den Experten zufolge etwas zu euphorischen – Aussicht auf Zinssenkungen hat sich der Hype bei Anleihen wieder etwas gelegt. So liegt etwa die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe derzeit bei rund 2,5 Prozent. In dieser Range rentieren auch zehnjährige österreichische Staatsanleihen. „Jetzt werden die Karten bei Anleihen neu gemischt“, verweist LGT-Manager Lukasser auf die wachsende Bedeutung der einst überwiegend von extrem vorsichtigen Kunden bevorzugten Staatsanleihen. „Jetzt sagen viele, eine Anleihe ist besser als ein Sparbuch“, erzählt Karas.
Apropos Vorsicht: Nach der Finanzkrise, die einen Schock ausgelöst hatte, sei die Risikofreude der Kunden etwas gestiegen, meint Holzer. Den gleichen Eindruck hat Lukasser. Also nicht mehr nur Anleihen, wobei Unternehmensbonds ebenfalls in den Fokus rücken. „Auch wenn man sein Vermögen nur erhalten möchte, kommt man um Aktien nicht herum“, erklärt Karas. „Für den Anfang reichen schon zehn Prozent Aktien, aber man muss die Zehen zumindest ein bisschen ins Wasser stecken.“Inzwischen verwalte man bei Gutmann Portfolios mit einem Aktienanteil von rund 60 Prozent.
Langfristig investieren
Die hohe Kunst des Asset-Managements besteht freilich auch darin, innerhalb der Wertpapiere die optimale Mischung zu finden. Da gibt es naturgemäß große Unterschiede, wobei nicht nur die Markteinschätzung der Experten, sondern vor allem die Vorgaben und Wünsche der Kunden und ihr Anlagehorizont eine Rolle spielen.
Auch bei Letzterem gibt es eine goldene Regel: Ein Zeitraum von fünf Jahren sei das Minimum, heißt es. „Alles darunter ist Spekulation, wobei ich nichts gegen Spekulation habe, man muss das nur zur Kenntnis nehmen“, betont Karas. Die Erarbeitung eines detaillierten Kundenprofils im Rahmen von Beratungsgesprächen bildet daher den ersten Schritt zur optimalen Geldanlage. Das gilt für vermögende Kunden gleichermaßen wie für weniger Betuchte. Wobei bei diesen die Ausgangslage naturgemäß anders ist. Da geht es um viel kleinere Beträge, die angelegt werden wollen bzw. um Sparpläne, oft mittels Wertpapierfonds, oder sogar um den ersten Schritt in die Welt der Finanzmärkte und Geldanlage.
Bei der Erste Bank, die abseits vom Private Banking Tausende „kleine“Sparer betreut, hat man ein eigenes Tool entwickelt, um einen Gesamtüberblick über die „finanzielle Gesundheit“eines Kunden zu erhalten, bevor man einen Anlageplan erstellt, berichtet Bianca Schwabl, die das Beratungszentrum am Erste Campus in Wien leitet. Was bedeutet „gesund“in diesem Zusammenhang? „Wenn jemand seinen finanziellen Verpflichtungen uneingeschränkt nachkommen kann und gleichzeitig Entscheidungen treffen kann, um sein Leben uneingeschränkt zu genießen“, so Schwabl. Von einem Musterdepot, sozusagen ein „Trockentraining“für Börsenneulinge, hält Schwabl übrigens wenig. Besser sei, sich so früh wie möglich mit dem Thema zu befassen und beraten zu lassen. Die Jungen bevorzugten oft das Internet als Informationsquelle – allerdings ist das nicht immer von Erfolg gekrönt.
Von USA bis Schwellenländer
Ob reich oder nicht: Aktien und Anleihen bilden das „Herz“eines Anlageportfolios. Und nach der alten Regel, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, gilt es auch innerhalb des Wertpapier-Anteils, eine breite Streuung nach Regionen (Europa, USA, Schwellenländer) und Branchen sowie etwa „grünen“Produkten vorzunehmen.
Und so raten die Experten auch dazu, nicht ausschließlich auf die sehr gehypten Tech-Werte von Apple bis Nvidia zu schielen. „Diese Aktien sind zum Teil überbewertet, und wir gehen davon aus, dass sie heuer underperformen“, bremst Holzer allzu große Erwartungen. Die LGT richtet den Blick auf Werte aus Industrie, Finanz und IT gleichermaßen – „und zwar auf die Entwicklung über 30 Jahre“, so Lukasser.
Und was ist nun mit Immobilien? Da gilt Ähnliches wie bei Gold: „Der echte Wert zeigt sich erst beim Verkauf, und rasch verkauft man weder Gold noch ein Haus“, meint Düregger. Zudem lägen die Mieterträge derzeit unter jenen von Bond-Renditen. Das heißt natürlich nicht, dass Immobilien nicht ein sicheres Investment darstellen. Allerdings brauche man da einen noch längeren Atem.