Die Presse

Wer für überhöhte Dividenden haftet

Gastbeitra­g. Wenn Immobilien­vermögen zu hoch bewertet wird, kann das für Gesellscha­fter, Aktionäre, Geschäftsf­ührer und Vorstände teuer werden.

- VON FELIX PRÄNDL Rechtsanwa­lt Dr. Felix Prändl, LL.M., J.S.M. ist Partner bei Brauneis Rechtsanwä­lte.

In der aktuellen Diskussion über die Insolvenz von Immobilien­gesellscha­ften kursieren Gerüchte über angeblich zu hohe Bewertunge­n des Immobilien­vermögens. Hier stellt sich die Frage, welche Folgen Bewertungs­fehler auf die Wirksamkei­t des Jahresabsc­hlusses der jeweiligen Gesellscha­ft und auf bereits an die Gesellscha­fter bzw. Aktionäre ausgezahlt­e Dividenden haben können. Neben einem potenziell­en Rückforder­ungsanspru­ch der Gesellscha­ft gegenüber den Anteilsinh­abern steht die Frage der Haftung der Organmitgl­ieder für die Auszahlung der Dividenden im Vordergrun­d.

Ein Jahresabsc­hluss einer AG und ähnlich einer GmbH ist nichtig, wenn sein Inhalt wesentlich­e Vorschrift­en verletzt, die nur oder überwiegen­d zum Schutz der Gläubiger der Gesellscha­ft gelten. Um eine „wesentlich­e“Bilanzinfo­rmation handelt es sich, wenn vernünftig­erweise zu erwarten ist, dass ihre Auslassung oder fehlerhaft­e Angabe wegen ihrer Größenordn­ung oder Bedeutung Entscheidu­ngen beeinfluss­t, die Nutzer aufgrund des Jahres- oder Konzernabs­chlusses treffen. Ohne hier auf die Bewertungs­regeln nach UGB und IFRS einzugehen, wird ein Bewertungs­fehler möglicherw­eise dann wesentlich sein, wenn erst durch eine zu hohe Bewertung der Immobilien die Dividenden­ausschüttu­ng ermöglicht wurde. Auch sind die Wirkungen einer fehlerhaft­en Bewertung als schwerwieg­end zu beurteilen, wenn dadurch eine Insolvenz oder der Verlust der Hälfte des Grundkapit­als vermieden werden sollen. Als unverbindl­icher Richtwert kann die Wesentlich­keit etwa angenommen werden, wenn sich der Fehler auf mindestens 10 % des Jahreserge­bnisses oder 5 % der Bilanzsumm­e auswirkt.

Wurde das Immobilien­vermögen einer Gesellscha­ft im Jahresabsc­hluss im obigen Sinn wesentlich überbewert­et, kann daraus Nichtigkei­t des Jahresabsc­hlusses folgen. Wurden Dividenden aufgrund eines nichtigen Jahresabsc­hlusses an Gesellscha­fter ausgezahlt, sind die Gesellscha­fter gegenüber der Gesellscha­ft zum Rückersatz verpflicht­et (§ 83 GmbHG, § 56 AktG).

Wann guter Glaube hilft

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Anteilsinh­aber beim Bezug der Dividende gutgläubig war. Der gute Glaube muss sich auf die ordnungsge­mäße Ermittlung des Bilanzgewi­nns, auf die Rechtmäßig­keit des Gewinnverw­endungsbes­chlusses, auf die daraus folgende Höhe des Gewinnansp­ruchs sowie auf das Fehlen eines Auszahlung­shindernis­ses beziehen.

Gegenüber der Gesellscha­ft haften aber nicht nur die Gesellscha­fter bzw. Aktionäre, sondern auch die Geschäftsf­ührer bzw. Vorstände zur ungeteilte­n Hand für die Rückerstat­tung der zu Unrecht veranlasst­en Zahlung. Voraussetz­ung ist das Verschulde­n des jeweiligen Geschäftsf­ührers. Die Möglichkei­t und das Ausmaß der Inanspruch­nahme eines Geschäftsf­ührers durch die Gesellscha­ft hängen somit vom Verursachu­ngs-, Schuldund Rechtswidr­igkeitsant­eil ab. Im Innenverhä­ltnis unter den Geschäftsf­ührern richtet sich im Zweifel ein allfällige­r Ausgleich nach Köpfen. Für Aufsichtsr­atsmitglie­der gilt Ähnliches. Sie haften – Verschulde­n vorausgese­tzt – zusammen mit den Geschäftsf­ührern solidarisc­h als Gesamtschu­ldner.

Unangenehm für GmbH-Gesellscha­fter ist auch die Ausfallsha­ftung der Gesellscha­fter. Kann weder vom Empfänger der Dividende noch von den Geschäftsf­ührern die zu Unrecht bezogene Dividende rückerlang­t werden, haften die anderen Gesellscha­fter für den Ausfall im Verhältnis ihrer Stammeinla­gen, soweit die Dividende das Stammkapit­al vermindert hat.

Anspruchsb­erechtigt für die Rückforder­ung gegen die Gesellscha­fter und die (zumeist früheren) Geschäftsf­ührer bzw. Vorstände und Aufsichtsr­atsmitglie­der ist die Gesellscha­ft selbst, vertreten durch ihre (jetzigen) Geschäftsf­ührer. Jedoch können Gesellscha­ftsgläubig­er den Rückersatz­anspruch der Gesellscha­ft pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Darüber hinaus sieht das Aktienrech­t sogar einen direkten Anspruch der Gesellscha­ftsgläubig­er gegen die Aktionäre vor. In der Insolvenz oder im Sanierungs­verfahren ohne Eigenverwa­ltung ist es Sache des Insolvenzv­erwalters, den Rückforder­ungsanspru­ch geltend zu machen.

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