„Was ist das für ein Orden?“
Mehr als 2500 Menschen tanzten im Rathaus beim Polizeiball. Viele in Uniform. Das muss man auch einmal gesehen haben.
Zugegeben, im ersten Moment wirkt es so, als würde man sich einer Demo nähern. Viel zu viele Menschen auf einem Fleck und viele davon in Uniform.
Der Vergleich ist freilich der eigenen Ignoranz geschuldet. Erst beim näheren Hinsehen ist klar: Die Uniformen, die die Polizisten hier tragen, sind Repräsentationsuniformen. Sie sind aus feinerem Stoff, niemand hat eine Kappe auf und ein Pistolengurt ist auch nirgendwo zu sehen. Dafür Sterne, Abzeichen und Orden an Kragen und Brust, die eine ganz eigene Sprache sprechen. Doch dazu später.
Der diesjährige Polizeiball fand am Freitagabend im Wiener Rathaus statt. Zeitgleich während die Kaffeesieder in der Hofburg tanzten (und ein aus dem Spital entflohener mutmaßlicher IS-Anhänger in der Stadt gesucht werden musste, der dann am Samstag gefasst wurde), standen zig Polizeiautos und noch viel mehr Taxis vor dem Rathaus, aus denen die Damen in Ballroben (es dominierte Smaragdgrün) und die Herren in Anzügen, Smoking und eben Uniform stiegen und sich geschwinden Schrittes in den Festsaal des Rathauses begaben.
Mehr als 2500 Karten hat der Polizeiball heuer verkauft, erzählt der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl dann auch bei seiner Eröffnungsrede. Der Ball sei damit so gut besucht wie nie. Und liegt damit wohl auch voll im Trend, weil der Run auf die Wiener Bälle heuer seinesgleichen sucht.
Im Festsaal stehen die Frauen und Männer des Eröffnungskomitees zu diesem Zeitpunkt bereits Spalier. Die Frauen in weißen Debütantinnenkleidern, die Burschen – erraten – in Repräsentationsuniform. Allesamt jung, wirklich jung. Wo hat die Polizei nur so viele Teenager her? „Seid ihr echte Polizisten oder hat man euch in geborgte Uniformen gesteckt?“, fragt die Besucherin also etwas naiv in die Runde. Die lachen fröhlich und klären auf: „Wir sind Polizeischüler.“Alter: Zwischen 20 und 23. Den Teenager-Vergleich nehmen sie als großes Kompliment. Mit einer Waffe in der Hand kann man sie sich trotzdem nicht vorstellen.
Der schönste Ballsaal Wiens?
Das ist aber vielleicht auch dem entspannten Ambiente und „dem schönsten Ballsaal in ganz Wien“geschuldet, wie später gleich zwei Mal bei den Eröffnungsreden betont wird. Das kann man freilich auch nur behaupten, wenn man den Philharmonikerball im Musikverein noch nie besucht hat.
Das Gespräch wird jäh durch den Tusch der Polizeimusik Wien unterbrochen, die mehr im Hollywood-Filmmusik-Style als in Balltradition den Auftakt spielt, der dann freilich doch in einen
Walzer mündet. Polizeisprecher-Chef Manfred Reinthaler liest die Ehrengäste vor. Innenminister Karner, Polizeipräsident Pürstl, Bürgermeister Ludwig, die nicht amtsführenden Stadträte Nepp und Mahrer, der Münchner Polizeipräsident. Also Männer, Männer, Männer, noch mehr Männer. Moment: Ministerin Karoline Edtstadler ist da. Eine Frau. Hurra.
Frauen in Führungspositionen
Dass es nur sie unter die Ehrengeäste geschafft hat, ist den Funktionen geschuldet, klärt später die Ballorganisation im informellen Gespräch auf. Frauen in Führungspositionen zu bringen, das ist auch bei der Polizei Thema. Das werde sich aber, versichert man, in den nächsten Jahren ändern.
Dabei ist die (Führungs-)Position in der Polizei automatisch ein riesiges Thema an dem Abend. Durch die Uniformen ist sofort zu sehen, wer welchen Dienstgrad hat. Solang man die Wucht an Sternen, Abzeichen, Motiven und Orden erkennt. Tun alle. Nur Laien eben nicht. „Für was steht der Orden?“, frage man also frech den Polizisten am Tisch. „Ich hab einen Welpen wiederbelebt“,
antwortet der schlagfertig. Um einen Schmäh ist an diesem Abend niemand verlegen. Der nächste will „eine Schlange gefangen“haben und erklärt dann hilfsbereit, dass er seine neun Orden wegen der Wiener Terrornacht, dem Land Niederösterreich und Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem Roten Kreuz und der Feuerwehr bekommen hat. „Und ich hab drei Kinder geboren und keinen Orden bekommen“, fügt seine Frau grinsend hinzu.
Die Orden sagen freilich nichts über den Dienstgrad und Position aus. Das tun die Sterne, Abzeichen und Farben am Kragen. Und sie lassen Polizeischüler unweigerlich auch in der entspannten Stimmung des Abends plötzlich den Rücken gerade richten und die Schultern zurückziehen, wenn sie einem Drei-Stern begegnen. Man kann sich dem kaum entziehen und will selbst den ganzen Abend Dienstgrad-Bingo spielen. Etwas, das die Polizeischüler, wie sie einem versichern, wirklich in der Schule tun. Denn: Die Liste der Unterscheidungsmerkmale ist lang.
Ein Abend reicht dafür nicht. Immerhin: Am Ende kann die Laiin den Polizeijuristen von einem General unterscheiden und weiß, dass der Oberstleutnant zwei Sterne hat und der Oberst drei.
Schlussendlich landen ohnehin alle auf der Tanzfläche. Völlig vom Standesdünkel befreit. Die Drei-Sterne neben denen ohne, die wenigen Frauen in Uniform neben denen in Roben, manche schon – clever – in Sneakern. Die Hierarchie fällt mit der Musik. Auf der Tanzfläche sind alle gleich. Dafür wurden Bälle erfunden. Und zwar noch weit bis nach Mitternacht.