Wie Isabella Rossellini uns die Evolution erklärt – und lächelt
Landestheater St. Pölten. „Darwin’s Smile“verbindet Schauspielerei und Darwinismus zu einer so klugen wie witzigen Show.
Es war chaotisch am Set von „Casablanca“. Vor allem weil das Drehbuch nicht fertig werden wollte. Regisseur Michael Curtiz konnte sich nicht entscheiden, für wen sich Ilsa entscheiden sollte: für ihren Mann, Laszlo, oder für ihren Geliebten, Rick. Eine wichtige Szene wurde gerade gedreht, da wandte sich Ingrid Bergman, die die Ilsa spielte, heftig an Curtiz: „Jetzt sag mir bitte endlich, in wen ich verliebt bin!“Die Antwort war ehrlich: „Ich weiß es noch nicht: Spiel was dazwischen!“
Bergman versuchte es. Ihr entsprechend rätselhaftes Gesicht habe zum Mysterium von „Casablanca“beigetragen, meint ihre Tochter Isabella Rossellini, die diese Anekdote durchaus nicht ausdrucksarm erzählte und nebstbei demonstrierte, dass Filmmusik bestimmen kann, wie wir eine Miene interpretieren. Das war einer der vielen Höhepunkte ihrer Show „Darwin’s Smile“, die sie zweimal im ausverkauften Landestheater in St. Pölten spielte.
Auch als Nackte verkleidet
Ja, es war eine Show: Man sah Rossellini als Äffin, mit Pfauenkostüm, als Charles Darwin, einmal sogar als Nackte verkleidet, italienisch gestikulierend, amerikanisch charmierend. Zugleich war’s aber auch ein Vortrag, und zwar ein überzeugender. Die heute 71jährige Starschauspielerin, die in einem Alter, in dem manche schon ruhen, sieben Jahre lang Biologie studiert hat und sich im Fach Verhaltensforschung mit einer Arbeit über tierische Kognition einen Mastertitel erworben hat, erklärte Grundzüge des Darwinismus so geistreich, verständlich und pointiert, dass ein langjähriger Wissenschaftsjournalist sich kräftig selbst auf die Schulter klopfen würde, gelänge ihm das so gut.
Worum ging’s? Um Evolution, wie immer in der Biologie. Um natürliche Selektion, die Rossellini, selbst als Farmerin tätig, anhand der Zucht von Hunden konzise erklärte. Und mit den berühmten Motten, dunkel im rußigen Birmingham, hell im lichten Dorset. Doch dann um den zweiten Motor der Evolution: die sexuelle Selektion, die so viel Buntes und Schönes in der Natur hervorgebracht hat. Man kann auch sagen: so viel Theatralisches. Darwin veröffentlichte 1872 „The Expression of the Emotions in Men and Animals“. Es war das erste wissenschaftliche Buch, das Fotos enthielt: von krassen Gesichtsausdrücken, teilweise vom Anatomen Guillaume Duchenne durch Elektroden an den Gesichtern der Modelle erzeugt. Denn für natürlich hervorgebrachte Mienen war die Belichtungszeit zu lang. Das führte Rossellini vor, indem sie versuchte, ein Lächeln 60 Sekunden lang zu halten.
Eine Miene von Jeff Bridges
Das brachte sie zu einem tiefen Problem der Psychologie: Erzeugt der Gemütszustand den Gesichtsausdruck oder umgekehrt? Lässt uns Glück lächeln oder macht Lächeln glücklich? Erzeugt Trauer Tränen oder machen Tränen traurig? „Schauspieler wissen: sowohl als auch“, sagte Rossellini und führte eine Geste der Verzweiflung (eine Hand an der Schläfe) vor, die ihr Jeff Bridges beim Dreh zu „Fearless“gezeigt hat. Die Steuerung der Mimik verläuft freilich oft unbewusst: „Ändere deine Gedanken!“, habe Fotograf Richard Avedon, dem sie Modell stand, einmal gesagt, als er mit ihrer Miene nicht zufrieden war.
Es wurde viel gelacht bei „Darwin’s Smile“, zugleich spürte man das, was Rossellini einmal mit einem Lieblingswort Darwins als „grandeur“bezeichnete: Größe einer Theorie, die so viel erklären kann, wenn auch nicht alles. Kann sie das Phänomen der Empathie erklären? Es interessiere sie als Schauspielerin und als Biologin, sagte Rossellini: „Vielleicht schreibe ich meine Dissertation über Empathie.“Gute Idee. Und dann soll sie bitte darüber in St. Pölten referieren.