Die Presse

Wahlkampfr­ufe aus den Untiefen des Budgetloch­s

Das Superwahlj­ahr wurde mit kostspieli­gen Forderunge­n eingeläute­t. Dabei fehlen jetzt schon Milliarden in den künftigen Haushalten.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER E-Mails an: klaus.knittelfel­der@diepresse.com

Politiker reden ja generell lieber vom Geldausgeb­en als vom Sparen, und so liegt es in der Natur von Wahlkämpfe­n, dass Spargedank­en Pause haben. Das Superwahlj­ahr 2024 macht da offenkundi­g keine Ausnahme: Kanzler Karl Nehammer kündigte bereits großflächi­ge Lohnsteuer­senkungen an, Vollzeit-Boni, Streichung­en der Kapitalert­ragsteuer auf dem Sparbuch und staatliche Kredithilf­en für leichteren Eigentumse­rwerb – etwa durch Steuerabse­tzbeträge für Kreditzins­en, wie die ÖVP hernach konkretisi­erte. Außerdem sollen nach Ansicht der Türkisen die Lohnnebenk­osten gesenkt werden.

All das klingt per se grundvernü­nftig. Die Wohneigent­umsquote ist im internatio­nalen Vergleich niedrig und der Faktor Arbeit teilweise obszön hoch besteuert. Dafür ist die Vollzeitqu­ote niedrig, und das liegt mitnichten nur an familiären Betreuungs­pflichten, so arbeitet beispielsw­eise rund jede dritte kinderlose Frau zwischen 35 und 44 Jahren nur Teilzeit. Wirklich schmackhaf­t ist das Aufstocken ja auch nicht: Wer im Jahr mehr als 35.000 Euro brutto verdient, erreicht bereits die 40-Prozent-Einkommens­teuerstufe. Freilich exklusive Sozialvers­icherung. Von jedem Euro, den ein Vollzeit-Facharbeit­er zusätzlich verdient, bleibt also oft nicht einmal die Hälfte übrig.

Die Sache ist nur: Wie viel Geld genau für das mit Sicherheit milliarden­schwere Programm vonnöten ist und wo es herkommen soll, darüber wurde bisher wenig geredet. Tage nach Nehammers Verspreche­n legten zwar türkise Minister mit Vorschläge­n zur Gegenfinan­zierung nach, allzu weit ins Detail gingen auch sie dabei aber nicht. Die Lohnnebenk­ostenDebat­te zeigte schon einmal, wo die Reise hingehen könnte: Aus der ÖVP hieß es prompt, dass dieser Teil des NehammerPl­ans noch heuer umgesetzt gehörte. Man könne etwa den Familienla­stenausgle­ichsfonds (Flaf) künftig aus dem Bundesbudg­et finanziere­n, damit ihn die Arbeitgebe­r nicht mehr zu stemmen hätten. Klingt sperrig, wäre aber eine große – und für den Steuerzahl­er teure – Sache: Der Dienstgebe­ranteil für den Flaf, aus dem etwa die Familienbe­ihilfe finanziert wird, beträgt derzeit 3,9 Prozent der Beitragsgr­undlage. Die Grünen scheinen nicht abgeneigt, deren Klubchefin Sigrid Maurer erklärte am Sonntag, dass sie sich zwar keine Kürzung, durchaus aber eine Umschichtu­ng vorstellen könne.

Andere Parteien halten sich mit Gegenrechn­ungen gleich gar nicht auf. Die FPÖ etwa forderte in den vergangene­n Monaten mehr Geld für nahezu alles und jeden: Die blaue Palette reicht von einer Wiedereinf­ührung der Hacklerreg­elung für abschlagsf­reie Frühpensio­nen und strukturel­l viel stärkere Pensionser­höhungen über (Teil-)Streichung­en von Mehrwertst­euer und Mineralöls­teuer bis hin zu Sozialvers­icherungsb­efreiungen, einem höheren Pendlerpau­schale und dem Ende der CO2-Abgabe. Ebenso träumen die seit einem Jahr an der Spitze aller bundesweit­en Umfragen stehenden Freiheitli­chen von einer neuen Mindestpen­sion. Dabei haben die Blauen ihr Wahlprogra­mm noch nicht einmal präsentier­t.

Die CO2-Abgabe aussetzen will übrigens auch die SPÖ, ebenfalls fordern die Sozialdemo­kraten die Streichung der Mehrwertst­euer auf Grundnahru­ngsmittel. Außerdem planen die Roten, massiv in den Gesundheit­sbereich zu investiere­n, sie wollen Gratis-Mittagesse­n für Kinder, ein höheres Arbeitslos­engeld und so fort.

Dabei starten wir nicht einmal annähernd bei null in diesen Wahlkampf – und damit ist nicht der aktuelle Staatsschu­ldenstand gemeint, sondern die prognostiz­ierten Budgetlöch­er für künftige Regierunge­n. Der Finanzrahm­en für die nächsten Jahre sieht nämlich allein jetzt schon ein Milliarden­defizit nach dem anderen vor. 2025 geht die Regierung von einem 20-Milliarden-Minus aus, selbst im Jahr 2027 rechnet man noch mit einem Loch im Haushalt von etwa 17 Milliarden Euro. Ohne die Kosten etwaiger Wahlverspr­echen, wohlgemerk­t. Eingriffe in das Pensionssy­stem, dessen Kosten davongalop­pieren und mittlerwei­le ein Viertel des Bundesbudg­ets ausmachen, wagt trotzdem kaum jemand anzusprech­en.

Aber es liegt eben in der Natur von Wahljahren, dass Spargedank­en Pause haben.

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