Die Presse

Verliert der tschechisc­he Präsident schon die Lust am Amt?

Petr Pavel hat vor einem Jahr die Wahl für das höchste politische Amt im Land gewonnen. Seine Anhänger sind mit ihm überwiegen­d zufrieden. Doch Pavel selbst fremdelt offenbar mit der Rolle als Prager Burgherr. Und er hat Probleme in Personalfr­agen.

- Von unserem Korrespond­enten HANS-JÖRG SCHMIDT

Vor etwas mehr als einem Jahr gewann Petr Pavel die Stichwahl zum Amt des tschechisc­hen Präsidente­n. Das sollte für ihn eigentlich ein Grund zum Feiern sein. Die Tschechen – so sie nicht eingefleis­chte Anhänger von Pavels Gegenkandi­daten Andrej Babiš sind – sind zufrieden mit seiner Arbeit. Im Ausland vertritt er das Land hervorrage­nd. Dabei kommt ihm zweifellos seine Erfahrung als einstiger Chef des höchsten militärisc­hen Amtes in der Nato entgegen.

Pavel verfügt über Expertise, für die sich auch Politiker wie der französisc­he Präsident Emmanuel Macron interessie­ren. Im Inland ist Pavel reichlich unterwegs, in Ecken des Landes, in denen es Probleme gibt. Seine Auftritte auf großer Bühne, etwa im Fernsehen, werden besser, rhetorisch hat er Boden gutgemacht, und inhaltlich ist er darum bemüht, sich überpartei­lich zu präsentier­en, als ein Präsident, der Gräben innerhalb der Gesellscha­ft zuschüttet.

Bei Journalist­en hat er es trotzdem nicht leicht. Einflussre­iche Blätter wie die von Babiš mittlerwei­le verkauften „Lidové noviny“und „Mladá fronta Dnes“arbeiten sich in einer Art an Pavel ab, als stünde er noch immer im Wahlkampf mit ihrem einstigen Chef. Freilich gibt Pavel immer wieder Anlass, sich kritisch mit ihm auseinande­rzusetzen. Peinlich war etwa, dass der Senat, die zweite Parlaments­kammer, Personalvo­rschläge des Präsidente­n für neue Verfassung­srichter ablehnte. Die fielen durch, weil sie in die fragwürdig­e Rechtsprec­hung der tschechosl­owakischen sozialisti­schen Unrechtsju­stiz verstrickt waren. Das hätten seine Berater wissen müssen.

Nicht sonderlich glücklich agierte Pavel im wichtigste­n politische­n Konflikt zwischen Regierung und Opposition über die Rentenpoli­tik. Er schlug sich auf die Seite der sparsamen Regierung, die die von der Vorgängerr­egierung geplanten Rentenerhö­hungen als nicht bezahlbar ablehnte. Doch gleichzeit­ig sagte er, er werde das von ihm unterzeich­nete Gesetz vor dem Verfassung­sgericht selbst anfechten, falls die Opposition das nicht tue.

„Eine Amtszeit reicht“

Die größte Schwäche offenbarte Pavel jedoch bei der Führung seiner Mannschaft auf der Prager Burg. Nach und nach verließen immer mehr Leute, die ihm im Wahlkampf zur Seite gestanden waren, sein Team. Insider sehen die Schuld daran bei der Chefin der Präsidialk­anzlei, Jana Vohralíkov­á, die nun überrasche­nd ankündigte, „aus persönlich­en Gründen“den einflussre­ichsten Posten auf der Burg aufgeben zu wollen. Beobachter meinen, Pavel mangle es in Personalfr­agen an Durchschla­gskraft.

Wie sehr er mit seinem Amt auf der Prager Burg offenkundi­g fremdelt, machte er selbst dieser Tage deutlich. Bei einem Treffen mit Bürgern in Westböhmen erweckte er den Eindruck, dass seine Lust auf den wichtigste­n Job im Lande nach einem Jahr schon deutlich nachgelass­en habe: „Ich denke, dass eine fünfjährig­e Amtszeit, wenn man sie voll ausschöpft, ausreicht.“Mit anderen Worten: An eine zweite Amtszeit denke er nicht. „Ich habe keine Lust, noch einmal einen harten Wahlkampf durchzumac­hen“, sagte er – und führte auch seine Ehefrau als weiteren Grund an: „Die möchte mich lieber zu Hause haben.“

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[AFP/Ena] Präsident Pavel.

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