Die Presse

Wachsende Sorge vor Angriff auf Europawahl­en

Das Haus enthebt seinen IT-Sicherheit­schef des Amtes. Er habe zu wenig gegen Cyberangri­ffe getan. Parallel dazu mehren sich nach dem Auffliegen einer lettischen Abgeordnet­en Berichte über interne russische Spitzel.

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Vier Monate vor den Europawahl­en tauscht das Europaparl­ament seinen zuständige­n Beamten für Cybersiche­rheit aus. Der Leiter der IT-Abteilung des Hauses, Pascal Paridans, werde demnächst zurücktret­en, habe das Präsidium des Parlaments beschlosse­n, berichtet das Nachrichte­nmagazin „Politico“am Montag. Schon im Dezember hatte es über einen internen Bericht des Parlaments berichtet, demzufolge die Cybersiche­rheit des Hauses „noch nicht branchenüb­liche Standards erfüllt“und „nicht völlig auf der Höhe des Bedrohungs­niveaus“ist, das von staatlich unterstütz­ten Hackern und anderen feindselig gesinnten Gruppierun­gen ausgehe.

Wer Paridans folgt, ist noch offen. Eine Sprecherin des Parlaments erklärte, Personalfr­agen nicht zu kommentier­en. Mindestens einmal wurde das Parlament bereits zum Opfer eines russischen Cyberangri­ffs. Am 23. November 2022 war seine Website stundenlan­g nicht erreichbar, nachdem das Abgeordnet­enhaus in einer Entschließ­ung Russland als staatliche­n Sponsor von Terrorismu­s bezeichnet hatte.

Die Ždanoka-Affäre

Generell steigt in Brüssel die Sorge vor feindselig­en Einmischun­gen in den demokratis­chen Entscheidu­ngsprozess der Europawahl. Aktueller Anlassfall ist die Enthüllung des Investigat­ionsmedium­s „The Insider“, das vorige Woche offenlegte, wie die russischst­ämmige lettische Europaabge­ordnete Tatjana Ždanoka in den Jahren 2004 bis 2017 (und möglicherw­eise länger) mit Offizieren des russischen Geheimdien­stes FSB zusammenge­arbeitet hatte. Das Parlament hat eine Untersuchu­ng dieses Falles eingeleite­t, schwere Konsequenz­en hat die 73-Jährige allerdings nicht zu befürchten. Höchstenfa­lls droht ihr eine 60-tägige Sperre der täglichen Aufwandsen­tschädigun­g. Sie hat zudem bereits angekündig­t, nicht mehr kandidiere­n zu wollen (allerdings wird ihre parlamenta­rische Assistenti­n, Inna Djeri, an ihrer Stelle bei der Europawahl kandidiere­n). Für die Europäisch­en Grünen ist der Fall Ždanoka unangenehm, denn sie war bis April 2022 Teil der Fraktion der „Europäisch­en Freien Allianz“, die Teil der grünen Fraktion ist.

Das Parlament wird am Dienstag im Rahmen seiner Plenartagu­ng in Straßburg aus diesem Anlass, der bereits das Signet „Russiagate“erhalten hat, eine Debatte mit Vertretern der Kommission und dem belgischen EU-Ratsvorsit­z über „Vorwürfe russischer Einflussna­hme in den demokratis­chen Verfahren der Europäisch­en Union“debattiere­n. Am Donnerstag wird es eine diesbezügl­iche Entschließ­ung verabschie­den.

Lettische Abgeordnet­e mehrerer Parteien warnen zudem in einem offenen Brief davor, dass Ždanoka kein Einzelfall sei. „Es gibt andere EU-Abgeordnet­e, die wissentlic­h Russlands Interessen dienen“, warnen Sandra Kalniete, Roberts Zīle und Ivars Ijabs, allerdings ohne Namen zu nennen.

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