Masernausbruch in mehreren Bundesländern
Der Großteil der Fälle wurde bisher in Wien registriert. Der Grund sind große Impflücken, insbesondere bei Kleinkindern. Einen Anstieg gibt es der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge auch in anderen europäischen Ländern.
Elf in der vergangenen Woche, elf in der zuvor und acht in den ersten drei Wochen des Jahres – in Österreich gibt es derzeit einen Masernausbruch. Der Großteil der Fälle wurde in Wien gemeldet, wie aus den Daten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) hervorgeht. Betroffen sind aber auch Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und das Burgenland.
Da das Masernvirus als das ansteckendste überhaupt gilt und bei Ungeimpften beinahe jeder Kontakt zu einer Ansteckung führt, werden für die kommenden Wochen weitere Infektionen erwartet. Wie es zu dem Ausbruch kam, ob es also ein Großereignis als Quelle gab, ist noch unklar. Im vergangenen Jahr war es bekanntlich eine Hochzeit in Graz, die in den Monaten danach für Dutzende Erkrankungen in mehreren Bundesländern sorgte.
Angesteckt haben sich bisher jedenfalls zumeist Kleinkinder, die nicht geimpft sind. Von einem „drastischen Anstieg der Masern, weil viele sich und ihre Kinder nicht mehr impfen lassen“, schrieb zuletzt Judith Aberle, Professorin für Virusimmunologie an der Med-Uni Wien, auf X (Twitter). Tatsächlich sind es vorhandene Impflücken, die zu den Infektionen führen. Dabei könnten die Masern ausgerottet werden, wären mindestens 95 Prozent der Bevölkerung geimpft. Dann hätte das Virus keine Möglichkeit, sich auszubreiten.
Lange Inkubationszeit
Die Inkubationszeit – also die Dauer von der Ansteckung bis zum Auftreten erster Beschwerden – beträgt bei den Masern acht bis 14 Tage. Infektiös sind die Betroffenen rund vier Tage vor Auftreten der ersten Symptome bis vier Tage nach Auftreten des Hautausschlags, der typischerweise aus zahlreichen, teilweise zusammenfließenden roten Punkten besteht, sagt Kinderarzt Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde.
Der Mediziner weist einmal mehr darauf hin, dass Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind. Komplikationen wie Mittelohr-, Lungen- sowie Gehirnentzündungen und auch Todesfälle können die Folge sein.
Der Übertragungsweg sind in erster Linie Tröpfchen (Atemluft) und Körperkontakt. Masern sind melde- sowie isolationspflichtig. Die vergleichsweise lange Inkubationszeit ist einer der Gründe dafür, warum es lang dauert, bis nach einem Ausbruch die Ausbreitung unter Kontrolle gebracht wird. Denn viele wissen schlichtweg nichts von ihrer Infektion, isolieren sich daher nicht und stecken weitere nicht oder unvollständig Geimpfte an. Bei Verdacht auf Masern mit Ausschlag und Fieber sowie geröteten Augen sollten Ordinationen und Spitäler vor einem Besuch kontaktiert werden, damit es in Wartezimmern und Ambulanzen nicht zu Ansteckungen kommt.
Dass sich innerhalb einiger Wochen rund 30 Menschen anstecken, ist für Österreich mit einer verhältnismäßigen hohen Impfquote von insgesamt etwa 80 Prozent (am höchsten mit rund 95 Prozent ist sie bei den Zehn- bis 18-Jährigen, die größten Lücken hingegen gibt es bei den bis zu Dreijährigen, insgesamt sind in Österreich rund 31.000 Kinder nicht vollständig geimpft) durchaus ungewöhnlich. Wirklich beunruhigend ist die Situation aber nicht. Früher oder später dürfte die Ausbreitung gestoppt werden – wie schon in der Vergangenheit.
Ganz Europa betroffen
Die jüngsten größeren Ausbrüche gab es 2023 mit 186 Fällen, 2015 mit 309 und 2019 mit 151 Fällen. 2021 und 2022 wurde in Österreich jeweils nur ein einziger Fall registriert, was den Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie geschuldet ist.
Auch in anderen europäischen Ländern wurden zuletzt mehr Masernfälle registriert. Zwischen Jänner und Oktober 2023 wurden 30 Mal so viele Masernfälle registriert wie im ganzen Jahr davor, teilt das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa mit. In diesem Zeitraum sind aus 40 der 54 Mitgliedstaaten der Region, die sich bis Zentralasien erstreckt, mehr als 30.000 Fälle gemeldet worden – gegenüber 941 Fällen im gesamten Jahr 2022.
Am stärksten betroffen waren demnach Kasachstan und Russland mit jeweils mehr als 10.000 Fällen. In Westeuropa war Großbritannien mit insgesamt 183 gemeldeten Fällen am stärksten betroffen. Besonders „besorgniserregend“sei es, dass es in dem Zeitraum 21.000 Einweisungen in Krankenhäuser und fünf Todesfälle gegeben habe.
Hauptgrund sind in allen Ländern Impflücken. Denn während der Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen wie etwa Schulschließungen wurden viele Impfungen verabsäumt. In der WHO-Region Europa wurden rund 1,8 Millionen Säuglinge zwischen 2020 und 2022 nicht gegen Masern geimpft.
Keine Auffrischung nötig
Die Grundimmunisierung erfolgt im Zuge des Gratis-Impfprogramms durch zwei Teilimpfungen, die erste nach dem vollendeten neunten Lebensmonat, die zweite drei Monate später. Verabreicht wird ein Dreifachimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR). Dann sind keine Auffrischungen nötig. Auf die zweite Teilimpfung wird aber häufig vergessen oder schlichtweg verzichtet.
Nachgeholt werden kann die zweite Dosis auch einige Jahre nach der ersten. Sollte jemand als Erwachsener nicht wissen, ob er als Kleinkind ein- oder zweimal geimpft wurde bzw. die Krankheit durchgemacht hat, wird vorsorglich zu einer neuerlichen vollständigen Grundimmunisierung geraten, in diesem Fall sollten zwischen erster und zweiter Impfung vier Wochen liegen.
Eine Titer-Bestimmung braucht es nicht, da ein „Überimpfen“nicht möglich ist. Schwangere dürfen nicht geimpft werden. Ihnen wird die Impfung nach der Geburt noch im Wochenbett empfohlen. Idealerweise sollte aber schon vor einer geplanten Schwangerschaft der Immunstatus überprüft werden, um sich rechtzeitig zu impfen.
Sterile Immunität
Eine Masernimpfung hinterlässt eine sterile Immunität. Wer geimpft ist, kann also weder angesteckt werden noch andere anstecken.
In Wien werden die (kostenlosen) Impfungen an einer zentralen Impfstelle – MA 15 Impfservice Town Town – verabreicht, sie können online oder telefonisch (1450) gebucht werden. Auch in anderen Bundesländern wird die Impfung in Impfzentren sowie bei Hausärzten angeboten.