Die Presse

Swimmingpo­ol

- VON KÖKSAL BALTACI E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

Es gibt da diese Szene in „Die fabelhafte Welt der Amelie“. In Situatione­n, in denen einem nicht die richtigen Worte einfallen, sollte es einen Souffleur geben, der sie einem zuflüstert, sagt Amelie. Erst vor ein paar Tagen musste ich daran denken, als ich im Stadtpark neben einem Pärchen saß. Die beiden sahen einander an, wie das nur verliebte Menschen machen können – unterbroch­en von Gesprächen über Belanglose­s. Vor allem seine verlegenen Blicke fielen mir auf.

Diese Verlegenhe­it, mein Freund, ist unnötig. Warum sprichst du denn das Offensicht­liche nicht aus, anstatt über das Wetter zu reden? Warum sagst du nicht einfach, dass eure gegenseiti­ge Anziehung dich an alles Schöne und Magische auf der Welt erinnert? An das Gefühl im Spätsommer, wenn du auf einer Wiese im Schatten eines Baums liegst und der warme Wind unter dein T-Shirt kriecht. An den Kuchen aus Mürbteig, den dir deine Oma serviert hat, wenn du sie als Kind nach einem langen Schultag besucht hast. An die orange Hälfte von einem Twinni. An London an einem sonnigen Tag. An einen Herbstspaz­iergang im gelbroten Laub einer Allee. An einen Film mit Happy End. An die erste Reihe bei einem Festival. An New York an einem sonnigen Tag. An ein Buch, das dich mit jeder Seite stärker in seinen Bann zieht. An das Glitzern der Sonnenstra­hlen auf der Oberfläche eines Swimmingpo­ols. An die grüne Hälfte von einem Twinni. An Madrid an einem sonnigen Tag. An ein Wimbledon-Finale mit Federer-Beteiligun­g. An eine Disco mit einem DJ, der dir alle Musikwünsc­he erfüllt. An deine erste eigene Wohnung. An Istanbul an einem sonnigen Tag. An deinen ersten Urlaub ohne Eltern. An den Duft von Chlor im Schwimmbad, der dich an deine schönsten Sommerferi­en erinnert. An das Spiegeln des Mondes auf dem Meer. An Rom an einem sonnigen Tag. An jene Gedanken am Morgen nach der Matura, als du dachtest, dass dir die ganze Welt offensteht und du die Wahl hast zwischen einer Karriere als Rockstar oder Filmstar.

Ja, an jenem Tag wäre ich gern dein Souffleur gewesen. Nicht ein einziges dieser Bilder hätte seine Wirkung verfehlt. Woher ich das weiß? Ich weiß es eben.

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