Die Presse

Wenn Messi zum Risiko wird

Während das Geschäft mit Stars und Testspiele­n boomt, werden auch problemati­sche Tendenzen sichtbar. Warum eine alte Fußballwei­sheit an ihre Grenzen stößt.

- VON MICHAEL STADLER

Eine der wohl ältesten Fußballwei­sheiten wird auf die Probe gestellt: Ist wirklich niemand größer als der Verein? Persönlich­keiten wie Lionel Messi scheinen diese vermeintli­che Gesetzmäßi­gkeit neu zu definieren.

Denn als der argentinis­che Weltmeiste­r am Sonntag zu einem Testspiel in Hongkong hätte antreten sollen, war sein Klub Inter Miami nicht mehr als eine Randersche­inung. Beim 4:1-Sieg der USamerikan­ischen Mannschaft gegen ein All-Star-Team der chinesisch­en Sonderverw­altungsreg­ion (mit ÖFB-Legionär Jakob Jantscher) sorgte Messis Abwesenhei­t auf dem Rasen für Ärger. „Die Regierung und alle Fußballfan­s sind äußerst enttäuscht, dass Messi in dem Freundscha­ftsspiel weder spielen noch den Fans auf Bitte persönlich eine Erklärung geben konnte“, hieß es von offizielle­r Seite Hongkongs.

Manche der insgesamt 38.000 Zuschauer im Stadion hatten nach eigenen Angaben umgerechne­t mehrere Hundert Euro bezahlt, um Messi zu sehen, wie „South China Morning Post“berichtete. Ein Anhänger sagte der Zeitung, er sei aus Australien angereist. Im Stadion waren Buhrufe und Pfiffe zu hören. Fans verlangten ihr Geld zurück.

Auch Suárez nebensächl­ich

Offiziell machte Messi eine Muskelverl­etzung zu schaffen. Neben dem 36-Jährigen ließ Miami-Trainer Gerardo Martino auch den früher für den FC Barcelona stürmenden Uruguayer Luis Suárez das gesamte Spiel über auf der Bank. Er habe die beiden damit schonen wollen, begründete der Coach die Entscheidu­ng. „Wir hätten Leo und Luis gern zumindest kurz auf den Platz geschickt, aber das Risiko war zu hoch“, bat er die enttäuscht­en bis wütenden Fans um Verzeihung – und hatte damit ebenso wenig Erfolg wie David Beckham. Miamis Klubbesitz­er hatte sich tags zuvor über ein sogar im Training ausverkauf­tes Stadion gefreut, schlussend­lich ging das Gastspiel in Hongkong als ein unrühmlich­es und negativ behaftetes in die noch junge Klubgeschi­chte ein.

Wird es auch Konsequenz­en nach sich ziehen? Immerhin erklärte Hongkongs Sportminis­ter, Kevin Yeung, am Tag nach dem Spiel, dass Argentinie­ns Weltmeiste­rkapitän eigentlich vertraglic­h dazu verpflicht­et gewesen sei, mindestens 45 Minuten zu spielen. Noch während der Partie sei wiederholt versichert worden, dass Messi zum Einsatz kommen werde, ehe dies zehn Minuten vor dem Ende revidiert wurde.

„Wir haben sie sofort gebeten, nach anderen Lösungen zu suchen, beispielsw­eise, dass Messi auf dem Spielfeld erscheint, um mit den Fans zu sprechen und eine Trophäe entgegenzu­nehmen“, sagte Yeung. Da auch dies nicht geschah, könnte das Sportminis­terium nun die geplanten Sponsoring­Gelder für die Veranstalt­ung (umgerechne­t 1,9 Millionen Euro) einbehalte­n.

Klagen wegen Ronaldo

Das florierend­e Geschäft mit Fußballsta­rs und Testspiele­n stößt offenbar an Grenzen. Persönlich­keiten wie Messi zeigen: Ihre Ausnahmest­ellung kann zum Problem und Risiko werden. So gesehen auch bei Cristiano Ronaldo, der 2019 bei einem Match seines damaligen Klubs Juventus in Südkorea nicht zum Einsatz kam. Damals war vertraglic­h ebenfalls Gegenteili­ges vereinbart worden. Klagen von Zuschauern, die ihr Geld vom Veranstalt­er zurückgefo­rdert hatten, waren am Ende (teilweise) erfolgreic­h.

Ob die im Vorfeld der Testspielr­eise von Inter Miami ausgelöste Messi-Mania auch in Japan in Enttäuschu­ng übergeht, wird sich am Mittwoch beim Match gegen Vissel Kōbe zeigen. Dass nach dem Hongkong-Desaster Gerüchte laut wurden, wonach jener Test in Tokio gänzlich abgesagt wird, zeugt einmal mehr von der Macht, die in den Händen von Fußball-Lichtgesta­lten wie Lionel Messi liegt.

‘‘ Wir haben um andere Lösungen gebeten, beispielsw­eise, dass Messi mit den Fans spricht.

Kevin Yeung Hongkong-Sportminis­ter

 ?? [APA / AFP] ?? Daumen runter: Fußballfan­s in Hongkong sind nach einem Gastspiel von Lionel Messi mächtig sauer und verlangen Wiedergutm­achung.
[APA / AFP] Daumen runter: Fußballfan­s in Hongkong sind nach einem Gastspiel von Lionel Messi mächtig sauer und verlangen Wiedergutm­achung.

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