Wenn Messi zum Risiko wird
Während das Geschäft mit Stars und Testspielen boomt, werden auch problematische Tendenzen sichtbar. Warum eine alte Fußballweisheit an ihre Grenzen stößt.
Eine der wohl ältesten Fußballweisheiten wird auf die Probe gestellt: Ist wirklich niemand größer als der Verein? Persönlichkeiten wie Lionel Messi scheinen diese vermeintliche Gesetzmäßigkeit neu zu definieren.
Denn als der argentinische Weltmeister am Sonntag zu einem Testspiel in Hongkong hätte antreten sollen, war sein Klub Inter Miami nicht mehr als eine Randerscheinung. Beim 4:1-Sieg der USamerikanischen Mannschaft gegen ein All-Star-Team der chinesischen Sonderverwaltungsregion (mit ÖFB-Legionär Jakob Jantscher) sorgte Messis Abwesenheit auf dem Rasen für Ärger. „Die Regierung und alle Fußballfans sind äußerst enttäuscht, dass Messi in dem Freundschaftsspiel weder spielen noch den Fans auf Bitte persönlich eine Erklärung geben konnte“, hieß es von offizieller Seite Hongkongs.
Manche der insgesamt 38.000 Zuschauer im Stadion hatten nach eigenen Angaben umgerechnet mehrere Hundert Euro bezahlt, um Messi zu sehen, wie „South China Morning Post“berichtete. Ein Anhänger sagte der Zeitung, er sei aus Australien angereist. Im Stadion waren Buhrufe und Pfiffe zu hören. Fans verlangten ihr Geld zurück.
Auch Suárez nebensächlich
Offiziell machte Messi eine Muskelverletzung zu schaffen. Neben dem 36-Jährigen ließ Miami-Trainer Gerardo Martino auch den früher für den FC Barcelona stürmenden Uruguayer Luis Suárez das gesamte Spiel über auf der Bank. Er habe die beiden damit schonen wollen, begründete der Coach die Entscheidung. „Wir hätten Leo und Luis gern zumindest kurz auf den Platz geschickt, aber das Risiko war zu hoch“, bat er die enttäuschten bis wütenden Fans um Verzeihung – und hatte damit ebenso wenig Erfolg wie David Beckham. Miamis Klubbesitzer hatte sich tags zuvor über ein sogar im Training ausverkauftes Stadion gefreut, schlussendlich ging das Gastspiel in Hongkong als ein unrühmliches und negativ behaftetes in die noch junge Klubgeschichte ein.
Wird es auch Konsequenzen nach sich ziehen? Immerhin erklärte Hongkongs Sportminister, Kevin Yeung, am Tag nach dem Spiel, dass Argentiniens Weltmeisterkapitän eigentlich vertraglich dazu verpflichtet gewesen sei, mindestens 45 Minuten zu spielen. Noch während der Partie sei wiederholt versichert worden, dass Messi zum Einsatz kommen werde, ehe dies zehn Minuten vor dem Ende revidiert wurde.
„Wir haben sie sofort gebeten, nach anderen Lösungen zu suchen, beispielsweise, dass Messi auf dem Spielfeld erscheint, um mit den Fans zu sprechen und eine Trophäe entgegenzunehmen“, sagte Yeung. Da auch dies nicht geschah, könnte das Sportministerium nun die geplanten SponsoringGelder für die Veranstaltung (umgerechnet 1,9 Millionen Euro) einbehalten.
Klagen wegen Ronaldo
Das florierende Geschäft mit Fußballstars und Testspielen stößt offenbar an Grenzen. Persönlichkeiten wie Messi zeigen: Ihre Ausnahmestellung kann zum Problem und Risiko werden. So gesehen auch bei Cristiano Ronaldo, der 2019 bei einem Match seines damaligen Klubs Juventus in Südkorea nicht zum Einsatz kam. Damals war vertraglich ebenfalls Gegenteiliges vereinbart worden. Klagen von Zuschauern, die ihr Geld vom Veranstalter zurückgefordert hatten, waren am Ende (teilweise) erfolgreich.
Ob die im Vorfeld der Testspielreise von Inter Miami ausgelöste Messi-Mania auch in Japan in Enttäuschung übergeht, wird sich am Mittwoch beim Match gegen Vissel Kōbe zeigen. Dass nach dem Hongkong-Desaster Gerüchte laut wurden, wonach jener Test in Tokio gänzlich abgesagt wird, zeugt einmal mehr von der Macht, die in den Händen von Fußball-Lichtgestalten wie Lionel Messi liegt.
‘‘ Wir haben um andere Lösungen gebeten, beispielsweise, dass Messi mit den Fans spricht.
Kevin Yeung Hongkong-Sportminister