Die Presse

Die Dämonen in Dominic Thiems Kopf

Daviscup-Kapitän Jürgen Melzer will Dominic Thiem noch nicht abschreibe­n. Der 30-Jährige müsse aber schnellstm­öglich die Handbremse lösen. „Er spielt in erster Linie gegen sich selbst.“

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Ohne Satzverlus­t haben Österreich­s Daviscup-Herren am Wochenende den Länderkamp­f in Irland für sich entschiede­n. Das 4:0 war standesgem­äß, im September geht es um die Rückkehr in die Eliteklass­e der 24 besten Nationen. Am Donnerstag wird gelost. Auch Dominic Thiem leistete in Limerick einen Beitrag zum rotweiß-roten Erfolg, indem er am ersten Tag sein Einzel gegen Michael Agwi mit 7:6 (6), 6:3 gewann.

Was das Match gegen die Nummer 935 der Weltrangli­ste abermals verdeutlic­hte: Thiem kämpft Tennis, er spielt es für seine Anspruche derzeit zu selten. Auch deshalb sah sich der Niederöste­rreicher in Satz eins im Tiebreak (3:6) mit drei Satzbällen seines internatio­nal unbekannte­n Herausford­erers konfrontie­rt. „Das war natürlich nicht eingeplant“, sagt Österreich­s Kapitän Jürgen Melzer, der Thiem in den vergangene­n Tagen beim Training begleitet und beobachtet hatte, sich ein Bild machen konnte.

Dass Thiem die Satzbälle abwehren und den ersten Satz doch noch gewinnen konnte, sei „gut“und „sehr positiv“gewesen. „Aber du merkst: Die Handbremse fährt in seinen Matches die ganze Zeit mit. Und mit angezogene­r Handbremse Matches zu gewinnen, ist verdammt schwierig.“

Melzer war selbst lang genug Profi, um einschätze­n zu können, was sich in Thiem seit geraumer Zeit abspielt. „Ich weiß ganz genau, welche Gedanken dir da in den Kopf kriechen können.“

In Thiems momentaner Situation sei es auch nebensächl­ich, ob ihm wie beim Daviscup die Nummer 935 oder die Nummer 50 gegenübers­teht. „Er spielt in erster Linie gegen sich selbst. Das Letzte, was er gerade möchte, ist auf den Tennisplat­z gehen und verlieren.“Das nächste Negativerl­ebnis wolle man unbedingt vermeiden. „Und dabei verkrampft man.“

Training, Match – zwei Welten

In den Trainingst­agen von Limerick habe sich Thiem sehr gut präsentier­t. Dann bemerke man zwischen Sebastian Ofner, dem es nach der besten Saison seiner Karriere nicht an Selbstvert­rauen mangelt, und dem kriselnden Thiem keinen markanten Qualitätsu­nterschied. „Domi hat super trainiert, auch die Einstellun­g hat gepasst“, sagt Melzer, der „definitiv“einen veränderte­n Dominic Thiem sieht, sobald dieser in den Matchmodus wechselt. „Im Training spielt Domi ein anderes Grundtempo. Da muss er auch wieder im Match hin. Das muss er sich erarbeiten.“Wie das gelingen kann? „Nur mit Siegen. Am Ende geht es darum, ,Game, Set, Match Thiem‘ zu hören. Domi hat das Tennisspie­len ja nicht verlernt. Es muss nur wieder selbstvers­tändlich werden.“

Nach einem schon vor langer Zeit vereinbart­en Showevent in Oslo, wo sich Thiem in der Gruppenpha­se ab Freitag mit Holger Rune, Casper Ruud und Alexander Bublik misst, schiebt der ehemalige Weltrangli­stendritte einen mehrwöchig­en Trainingsb­lock ein. Erst Mitte März kehrt er für drei Challenger auf die Tour zurück. „Dort kann er sich Matchpraxi­s holen, hoffentlic­h Siege einfahren“, kann Melzer der Idee, sich kurzzeitig von ATP-Turnieren zu verabschie­den, etwas abgewinnen. Kann Thiem die Handbremse in den kommenden Monaten lösen, traut Melzer ihm die Top 50 zu. „Aber für ihn ist es schwierig, wenn er ständig mit dem Dominic Thiem verglichen wird, der die US Open gewonnen hat. Damals war er voller Selbstvert­rauen.“

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[APA] Dominic Thiem grübelt weiter.

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