Die Presse

Zentralban­ken sind im Goldrausch

Der Goldpreis ist noch immer außergewöh­nlich hoch. Insbesonde­re die chinesisch­e Zentralban­k langte zu und will sich von den USA distanzier­en.

- VON SUSANNE BICKEL

Die Spekulatio­nen auf baldige Zinssenkun­gen verschafft­en dem Goldpreis in den vergangene­n Monaten Höhenflüge. Kurz vor Jahresende lag der Goldpreis bei einem historisch­en Allzeithoc­h von 2135 US-Dollar je Unze (31,1 Gramm). Aktuell liegt er zwar wieder bei rund 2020 Dollar, das ist aber noch immer außergewöh­nlich hoch. Dennoch muss vorausgesc­hickt werden, dass die globale Nachfrage zuletzt sank: im vergangene­n Jahr um fünf Prozent gegenüber 2022. Das besagt der Jahresrepo­rt des Branchenve­rbands World Gold Council. Der Verband macht dabei auf regionale Unterschie­de aufmerksam: Die Nachfrage sank 2023 vor allem im Westen, in Deutschlan­d ging sie von 185 auf 47 Tonnen zurück – also um mehr als 70 Prozent. Ein hoher Goldpreis schadet der Nachfrage nach Schmuck und Münzen. Gleichzeit­ig leidet das Edelmetall unter den Zinsen, denn dann werden andere „sichere“Anlageklas­sen wie Sparbücher wieder attraktive­r.

In China hingegen schoss die Nachfrage nach oben: Fast 30 Prozent mehr Interesse gab es von chinesisch­en Anlegerinn­en und Anlegern nach Goldmünzen und -barren. In der chinesisch­en Volksrepub­lik flüchten die Anleger vor dem Krisenmodu­s ihrer Wirtschaft. Sowohl der Immobilien­markt als auch der Aktienmark­t befinden sich in China im Krisenmodu­s. Zuletzt fiel Chinas Börsenbaro­meter CSI 300, das die 300 größten Firmen der Börsen Shanghai und Shenzhen abbildet, auf ein Fünfjahres­tief. Die chinesisch­e Regierung versucht aber mit aller Macht, das Vertrauen der Anleger wieder zurückzuge­winnen, und hat ein Maßnahmenp­aket mit einem Volumen von rund 278 Mrd. Dollar auf die Beine gestellt.

Es sind aber nicht nur die Privatanle­ger, die den Goldpreis beeinfluss­en. Vor allem die Nachfrage von Zentralban­ken ist konstant hoch und hat im vergangene­n Jahr 1037 Tonnen erreicht. Gemäß dem Goldreport ist das der zweithöchs­te Wert seit Beginn der Aufzeichnu­ngen, wenn auch um 45 Tonnen geringer als der Rekordwert des Vorjahrs. Vor allem die Zentralban­ken in China und Polen stechen bei dem Goldrausch hervor. Seit der Jahrtausen­dwende hat China seine Goldbestän­de von unter 500 auf mehr als 2200 Tonnen Gold gesteigert. Dabei kann aber davon ausgegange­n werden, dass die inoffiziel­len Bestände noch höher sind, denn Daten aus der Volksrepub­lik werden nur spärlich bekannt gegeben. Die Strategie dahinter ist aber durchaus vielfältig.

Brics-Staaten wehren sich

Zum einen will sich China vom USDollar-System unabhängig machen. Die USA nutzen die Stärke des Dollar für ihre Interessen, etwa um Russland mit Sanktionen zu belegen und russische Banken aus dem Swift-System auszuschli­eßen. Damit können die USA unliebsame Länder relativ einfach ausschließ­en. Die Brics-Staaten, allen voran China, wollen den US-Dollar durch ein „multipolar­es Währungssy­stem“ersetzen. Zudem will die Volksrepub­lik mit den Goldkäufen das Vertrauen in ihre eigene

Währung stärken: China hat lediglich Devisenres­erven von unter fünf Prozent in Gold angelegt. Zum Vergleich: In den USA und Deutschlan­d sind es fast 70 Prozent. Und der Yuan soll im globalen Handel stärker werden. Saudiarabi­en liefert etwa sein Öl an China gegen Bezahlung von Yuan – und damit unter Umgehung des Dollar.

Goldbarren in Holzkisten

Den Dollar zu schwächen, wird aber dauern: Derzeit werden fast 90 Prozent aller Devisentra­nsaktionen in Dollar abgewickel­t, und mehr als 60 Prozent aller Devisenres­erven weltweit sind in Dollar notiert. Auch in Polen sind die Ambitionen ähnlich, das Land hat schon vor Jahren eine Aufstockun­g der Goldreserv­en ausgerufen. Der polnische Notenbankc­hef sprach damals davon, dass eine internatio­nale Wahrnehmun­g des Landes und seiner wirtschaft­lichen Stärke wichtiger denn je sei. Die Devise über den Zukauf auszugeben, ist einfach, das Verschiffe­n des tatsächlic­hen Golds gestaltet sich aber durchaus schwierige­r.

Vor wenigen Jahren bekam der Logistiker G4S den Auftrag, Goldbarren aus London nach Polen zu bringen. Anschließe­nd berichtete die Firma über den Transport. Das ist eher ungewöhnli­ch, üblicherwe­ise halten sie sich mit Informatio­nen über konkrete Projekte zurück. Damals wurden 8000 Goldbarren, also 100 Tonnen Gold, per Flugzeug von London nach Polen zu zwei verschiede­nen Flughäfen geflogen. Zunächst habe man das Gold mitten in der Nacht in Holzkisten mit gepanzerte­n HightechTr­ucks von der G4S-Lagerstätt­e in London zum Flughafen gefahren. In Polen wiederum wurden – unter Begleitung einer Spezialein­heit – die Barren zur Zentralban­k nach Warschau weitertran­sportiert. Acht Flüge waren dafür notwendig.

 ?? ?? Die Zentralban­ken verfügen über Goldmengen mit einem Volumen von mehr als 1000 Tonnen.
Die Zentralban­ken verfügen über Goldmengen mit einem Volumen von mehr als 1000 Tonnen.
 ?? ??
 ?? [David Gray] ??
[David Gray]

Newspapers in German

Newspapers from Austria