Klassik-Grammys: Wenn wir „unsere“Dirigenten nicht hätten!
Bei den Grammys gibt es auch eine Klassiksparte. Allerdings durchschaut die Verleihungen wohl nur, wer die amerikanische Musikszene kennt.
Ein finnischer Chor hat es bei den Grammys 2024 sogar zu einem KlassikHauptpreis geschafft.
Meine Sprache versteht man in der ganzen Welt“, meinte einst Joseph Haydn. Mag sein, das stimmt – aber es muss einem auch jemand zuhören. Da haben die Klassiker heutzutage natürlich wenig zu melden; sogar in ihrer Heimat, erst recht jenseits des Ozeans. Das lässt sich bei den Grammy-Verleihungen gut studieren. Ja, es gibt sie, die Grammys für Klassikaufnahmen!
Bemerkenswert, was für die US-Juroren zum Beispiel als „Vokalsolo“unter der Rubrik Klassik firmiert: Platz 1 belegt 2024 „Walking in the Dark“von Julia Bullock, nominiert waren auch „Because“(Reginald Mobley) und „Broken Branches“(Karim Sulayman). Letzteres Album kombiniert immerhin „Chinesische Lieder“von Benjamin Britten mit barocken Fundstücken von Caccini bis Monteverdi.
Besser findet sich der rettungslos abendländische Musikfreund freilich zurecht bei den Besten Orchesteraufnahmen: Gustavo Dudamel mit Los Angeles Philharmonic belegt für die Aufnahme von Thomas Adès’ „Dante“Rang 1. Unter den Nominierten fanden sich Philadelphia Orchestra, Buffalo Philharmonic und San Francisco Symphony. Sage aber keiner, da ginge es nur um Amerikaner: Das Netherlands Radio Philharmonic war für seine Aufnahme von Béla Bartóks „Konzert für Orchester“auch in der engeren Auswahl – immerhin von einer Dame dirigiert, Karina Canellakis. Und der Helsinki Chamber Choir trug mit der Aufnahme von Kaaija Saariahoos „Reconaissance“in der Kategorie Chor sogar den Sieg davon.
Dass Österreich immerhin zwei Dirigenten an Pulten amerikanischer Orchester bereitstellt, verschafft „uns“zumindest Nennungen in Kategorien, in denen es vor allem um die technische Beschaffenheit von Aufnahmen geht. Das Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst kommt gleich zweimal in der Kategorie Produzent des Jahres vor: Elaine Martone hat nicht nur eine CD mit Musik des Amerikaners George Walker produziert, sondern auch eine mit Musik, bei der Welser-Möst Heimvorteil hat: Strauss’ „Rosenkavalier“-Suite, gepaart mit Alban Bergs „Lyrischer Suite“.
In der Liste Best Engineered Album findet sich wiederum das Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck – nebst Stücken von Erwin Schulhoff sogar mit einem auch hierzulande viel gespielten Werk: Tschaikowskys Fünfter.
Was europäische Spitzenorchester herausbringen, spricht sich offenbar nur zögerlich herum – und sei es, wie etwa im Fall der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko, auch im Bereich spannender Repertoire-Erweiterungen angesiedelt.
Dabei haben die Grammy-Juroren dereinst auch einmal an ausgeprägten Hahnenkämpfen gestaltend mitgewirkt, wenn sie etwa nach Wagners „Walküre“mit den Wiener Philharmonikern unter Georg Solti den „Siegfried“mit den Berlinern unter Karajan kürten. Aber das ist lang her …