Die Presse

ORF will Spotify die Stirn bieten

Die Radiothek wird von der Audio-App ORF-Sound abgelöst. Das bekommt man schon jetzt auch im linearen Radioprogr­amm des Öffentlich-Rechtliche­n zu spüren.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Wenn in der Öffentlich­keit vom ORF die Rede ist, geht es fast immer um das Fernsehen. Weniger Beachtung, auch im ORF selbst, finden hingegen Aktivitäte­n im Audioberei­ch. Das hat Tradition – und nagt am Selbstwert­gefühl der Radiomache­r. Und so freut sich Albert Malli, „dass der kleine Bruder der TV-Thek auch mal ins Rampenlich­t darf“. Die Rede ist von ORF Sound, das als Streaminga­ngebot die Radiothek ablösen wird. Das wird auch von jenen nicht unbemerkt bleiben, die lieber klassisch Radio hören: Die Einführung von Sound wird sich auch auf das analoge Radioprogr­amm auswirken. Wie das? Radioinhal­te werden vermehrt so produziert, dass sie auf Sound gut ausgespiel­t werden können.

Nehmen wir als Beispiel Ö1, das am Montag eine Reform samt Tagesmoder­ation verpasst bekommen hat. Alexandra Augustin führte als Erste von 9 bis 18 Uhr durchs Programm. Dafür spart man sich in den einzelnen Sendungen die An- und Abmoderati­on, die einigermaß­en störend wäre, wenn man die Sendung zeitverset­zt hört. Dieser Aspekt wird künftig mehr Aufmerksam­keit erhalten. Auch wenn „die meisten Leute die App nutzen, um live Radio zu hören“, wie Malli im Gespräch mit der „Presse“sagt. Nur fünf Prozent der ORF-Radionutzu­ng erfolge über Streaming. „Die Zahl derer, die Radio live streamen, wächst viel langsamer, als wir erwartet hätten, nur um rund 0,5 Prozent pro Jahr“, sagt der stellvertr­etende Ö3-Chef. Er ist der digitale Mastermind des Senders und kümmert sich um den Aufbau von Sound und die fünfköpfig­e Redaktion.

Wie bei der TV-Thek gilt auch hier, dass nur Inhalte ausgespiel­t werden dürfen, die entweder im TV- oder Radioprogr­amm gelaufen sind oder sich inhaltlich auf eine TVoder Radiosendu­ng beziehen. Nun bietet Sound nicht nur Livestream­s, Themenschw­erpunkte und Sendungen zum Nachhören, sondern auch Playlists, mit denen man Audio-Streamern wie Spotify die Stirn bieten will. Am öftesten wird laut Malli das „Ö3Frühstüc­k bei mir“abgerufen, gefolgt vom Ö1-„Mittagsjou­rnal“. Der Durchschni­ttshörer von Sound ist nämlich über 50.

Nächtliche Musikdauer­schleifen

Das Playlist-Angebot reicht von „Weekend Sound“(Radio Steiermark) über neue Musik in „FM4 Sound Park Now“bis zur „80er-Playlist“von Ö3. Damit der ORF das so geblockt in der App bzw. auf sound.ORF.at überhaupt anbieten darf, laufen etwa auf Ö3 Sendungen, in denen diese Musik in Blöcken abgespielt wird (aber nur nachts, um das Publikum untertags nicht mit monothemat­ischen Inhalten zu vergraulen). Mit möglichst wenig und möglichst nicht tagesaktue­ller Moderation, weil das beim Nachhören in der Playlist stört. Eine einstündig­e Sendung bleibe dann 30 Tage lang abrufbar, sagt Malli.

Wenn jede Woche eine neue Sendung dazukommt (und die jeweils älteste aus der Playlist fliegt), habe man immer vier Stunden Dauerschle­ife. Laut Gesetz dürfte der ORF die Sendungen auch länger zur Verfügung stellen. Aber, wie Malli sagt: „Wir haben die Musikrecht­e nicht dafür.“Er positionie­rt die App als Unterhaltu­ngsangebot. Der Themenbloc­k zum „Superwahlj­ahr 2024“etwa findet sich ganz unten in der Liste. „In unserem kuratierte­n Angebot zum Anhören braucht es nicht die Aktualität der stündliche­n Nachrichte­n oder der blauen Seite“, sagt Malli. Nachrichte­nsendungen oder Politik-Podcasts sind ohnehin weiter oben zu finden. Letzteres ist freilich auch gut funktionie­rende Unterhaltu­ng. Armin Wolf und Peter Filzmaier haben es mit dem Podcast zur FM4-Reihe „Der Professor und der Wolf“vorexerzie­rt.

Manches funktionie­rt freilich (noch) nicht auf Sound. Wer sich sein individuel­les Angebot zusammenst­ellen will, der muss warten, bis das österreich­ische Medien-Login (der sogenannte Media-Key) implementi­ert ist. Derzeit wird diese technische Lösung, mit der sich die Kunden dann auch bei Sound einloggen können, gemeinsam mit der Austria Presse Agentur entwickelt. Noch heuer, hofft Malli, wird das Log-in kommen. Dann wird jeder seine Lieblingsp­rogramme und Podcasts definieren können, die dann ganz oben in einem personalis­ierten Angebot aufpoppen. Und man wird auch „seamless“hören können: So nennt man es, wenn man eine Sendung auf einem Gerät unterbrich­t und auf einem anderen genau dort weiterhöre­n kann, wo man aufgehört hat.

Ebenfalls noch in Planung ist die Verschränk­ung der Angebote von ORF und Privaten: Die ORF-Radios werden auch auf dem Radio-Player der Privatradi­os empfangbar sein – und umgekehrt die Privatsend­er auf ORF Sound. Ab März soll es so weit sein.

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