ORF will Spotify die Stirn bieten
Die Radiothek wird von der Audio-App ORF-Sound abgelöst. Das bekommt man schon jetzt auch im linearen Radioprogramm des Öffentlich-Rechtlichen zu spüren.
Wenn in der Öffentlichkeit vom ORF die Rede ist, geht es fast immer um das Fernsehen. Weniger Beachtung, auch im ORF selbst, finden hingegen Aktivitäten im Audiobereich. Das hat Tradition – und nagt am Selbstwertgefühl der Radiomacher. Und so freut sich Albert Malli, „dass der kleine Bruder der TV-Thek auch mal ins Rampenlicht darf“. Die Rede ist von ORF Sound, das als Streamingangebot die Radiothek ablösen wird. Das wird auch von jenen nicht unbemerkt bleiben, die lieber klassisch Radio hören: Die Einführung von Sound wird sich auch auf das analoge Radioprogramm auswirken. Wie das? Radioinhalte werden vermehrt so produziert, dass sie auf Sound gut ausgespielt werden können.
Nehmen wir als Beispiel Ö1, das am Montag eine Reform samt Tagesmoderation verpasst bekommen hat. Alexandra Augustin führte als Erste von 9 bis 18 Uhr durchs Programm. Dafür spart man sich in den einzelnen Sendungen die An- und Abmoderation, die einigermaßen störend wäre, wenn man die Sendung zeitversetzt hört. Dieser Aspekt wird künftig mehr Aufmerksamkeit erhalten. Auch wenn „die meisten Leute die App nutzen, um live Radio zu hören“, wie Malli im Gespräch mit der „Presse“sagt. Nur fünf Prozent der ORF-Radionutzung erfolge über Streaming. „Die Zahl derer, die Radio live streamen, wächst viel langsamer, als wir erwartet hätten, nur um rund 0,5 Prozent pro Jahr“, sagt der stellvertretende Ö3-Chef. Er ist der digitale Mastermind des Senders und kümmert sich um den Aufbau von Sound und die fünfköpfige Redaktion.
Wie bei der TV-Thek gilt auch hier, dass nur Inhalte ausgespielt werden dürfen, die entweder im TV- oder Radioprogramm gelaufen sind oder sich inhaltlich auf eine TVoder Radiosendung beziehen. Nun bietet Sound nicht nur Livestreams, Themenschwerpunkte und Sendungen zum Nachhören, sondern auch Playlists, mit denen man Audio-Streamern wie Spotify die Stirn bieten will. Am öftesten wird laut Malli das „Ö3Frühstück bei mir“abgerufen, gefolgt vom Ö1-„Mittagsjournal“. Der Durchschnittshörer von Sound ist nämlich über 50.
Nächtliche Musikdauerschleifen
Das Playlist-Angebot reicht von „Weekend Sound“(Radio Steiermark) über neue Musik in „FM4 Sound Park Now“bis zur „80er-Playlist“von Ö3. Damit der ORF das so geblockt in der App bzw. auf sound.ORF.at überhaupt anbieten darf, laufen etwa auf Ö3 Sendungen, in denen diese Musik in Blöcken abgespielt wird (aber nur nachts, um das Publikum untertags nicht mit monothematischen Inhalten zu vergraulen). Mit möglichst wenig und möglichst nicht tagesaktueller Moderation, weil das beim Nachhören in der Playlist stört. Eine einstündige Sendung bleibe dann 30 Tage lang abrufbar, sagt Malli.
Wenn jede Woche eine neue Sendung dazukommt (und die jeweils älteste aus der Playlist fliegt), habe man immer vier Stunden Dauerschleife. Laut Gesetz dürfte der ORF die Sendungen auch länger zur Verfügung stellen. Aber, wie Malli sagt: „Wir haben die Musikrechte nicht dafür.“Er positioniert die App als Unterhaltungsangebot. Der Themenblock zum „Superwahljahr 2024“etwa findet sich ganz unten in der Liste. „In unserem kuratierten Angebot zum Anhören braucht es nicht die Aktualität der stündlichen Nachrichten oder der blauen Seite“, sagt Malli. Nachrichtensendungen oder Politik-Podcasts sind ohnehin weiter oben zu finden. Letzteres ist freilich auch gut funktionierende Unterhaltung. Armin Wolf und Peter Filzmaier haben es mit dem Podcast zur FM4-Reihe „Der Professor und der Wolf“vorexerziert.
Manches funktioniert freilich (noch) nicht auf Sound. Wer sich sein individuelles Angebot zusammenstellen will, der muss warten, bis das österreichische Medien-Login (der sogenannte Media-Key) implementiert ist. Derzeit wird diese technische Lösung, mit der sich die Kunden dann auch bei Sound einloggen können, gemeinsam mit der Austria Presse Agentur entwickelt. Noch heuer, hofft Malli, wird das Log-in kommen. Dann wird jeder seine Lieblingsprogramme und Podcasts definieren können, die dann ganz oben in einem personalisierten Angebot aufpoppen. Und man wird auch „seamless“hören können: So nennt man es, wenn man eine Sendung auf einem Gerät unterbricht und auf einem anderen genau dort weiterhören kann, wo man aufgehört hat.
Ebenfalls noch in Planung ist die Verschränkung der Angebote von ORF und Privaten: Die ORF-Radios werden auch auf dem Radio-Player der Privatradios empfangbar sein – und umgekehrt die Privatsender auf ORF Sound. Ab März soll es so weit sein.