Die Presse

Wie zeitgemäß sind denn Kaufhäuser eigentlich noch?

Steigende Mieten, austauschb­ares Angebot, fehlender Mehrwert: Warum viele Kaufhäuser den Sprung ins Heute verpasst haben.

- VON HELMUT KOSA E-Mails an: debatte@diepresse.com

Signas Luxuskaufh­aus Lamarr war – bis zu seiner Insolvenz – eine der mutigsten Wetten im österreich­ischen Handel. Es wollte eine Kaufkraft nach Mariahilf locken, die schon dem Goldenen Quartier nicht die Türen einrannte. Und zwar mit lokalen und internatio­nalen Marken aus Bekleidung, Accessoire­s, Heimbedarf, einem Gastrobere­ich und einem Luxushotel.

Ob damit einer der größten Kaufkraftt­ransfers Österreich­s gelungen wäre, wissen wir nicht; es ist ja nicht einmal fertig gebaut. Wenn aber Kaufhausri­esen wie Peek & Cloppenbur­g Düsseldorf mit 69 Kaufhäuser­n oder Galeria Karstadt Kaufhof mit 92 Geschäften zahlungsun­fähig werden, darf man das Modell hinterfrag­en.

Prominente Standorte

Was ist überhaupt ein Kaufhaus, und ist es noch zeitgemäß? Große Kaufhausma­rken versuchen, mit möglichst prominente­n Standorten – die Lage ist im Handel entscheide­nd – und einem möglichst breiten Angebot möglichst viel Laufkundsc­haft anzuziehen. Womit wir schon bei den gravierend­sten Gründen sind, warum das immer seltener gelingt. Am Nachteil der zu hohen Miete hat sich gerade die ganze KaDeWeGrup­pe verschluck­t. Das Oberpollin­ger in München führt eine Miete von rund 20 Prozent seines Umsatzes an die Signa Prime ab. Für tragbar gelten zehn bis zwölf Prozent.

„Das Luxussegme­nt und der Diskontber­eich funktionie­ren noch, aber in der Mitte bricht das Geschäft weg“, sagte P&C-Manager Thomas Freude, um nach der Insolvenz wieder anzubieten, was schon vorher nicht zog: gehobene Mittelklas­se. Nichts, was es nicht auch woanders in größerer Auswahl zu besseren Preisen gibt.

Verschlafe­ne Digitalisi­erung

Die fehlende Markenposi­tionierung etwa gegenüber Zalando oder About You macht es für P&C nicht besser. Statt sich zu fragen, was die Kundschaft 2024 will, beharrt P&C weiter auf alten Mustern: Store first statt Online first. Das Management glaubt, zu viel in Logistik und Marketing des Online-Auftritts investiert zu haben, und verdrängt die verschlafe­ne Digitalisi­erung.

Während man sich mit P&C Hamburg intern stritt, um viel Geld mit den unterschie­dlichen Online-Marken fashionID.com für P&C Süd und vangraaf.com für P&C Nord zu verlieren, änderte sich das Kaufverhal­ten. Nicht nur, weil der Onlinehand­el wuchs, sondern auch, weil Menschen heute viel mehr Geld für Freizeit, Sport oder Urlaub ausgeben.

Der verspätete Start der gemeinsame­n Domain peek-cloppenbur­g.de brach P&C das Genick. Da war Zalando schon auf dem Weg zum größten Modehändle­r Europas mit 50 Millionen Kundinnen und Kunden. Das hätte auch P&C sein können.

Händler mit großen Verkaufsfl­ächen wie Kika/Leiner, Forstinger oder Gerry Weber Österreich wurden im vergangene­n Jahr zahlungsun­fähig, Billigkett­en wie Action, Tedi oder Pepco florieren mit kleineren Läden und einem klareren Fokus. So hat die niederländ­ische Kette Action seit 2015 100 Filialen in Österreich eröffnet, mit Kampfpreis­en und einem Sortiment, das zu zwei Dritteln ständig wechselt. Im Gegensatz zum wachsenden Diskontber­eich hat der österreich­ische Handel in den vergangene­n zehn Jahren allein im Modebereic­h 86.000 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche verloren.

Dabei hat stationäre­s Einkaufen seine Berechtigu­ng. Die Hälfte aller Einkaufend­en bevorzugt es immer noch. Aber wie lang reicht diese Hälfte aus, um die Infrastruk­tur des stationäre­n Handels zu finanziere­n? Wer in den Ikea Westbahnho­f geht, merkt von all dem nichts. Zu gut ist da ein Angebot an die U-Bahn angebunden, das als Mehrwert wahrgenomm­en wird. Ist auch ein Kaufhaus.

Während P&C seine OnlineInve­stitionen zurückfähr­t, zeigen führende Modeplayer, wie man heute Kundinnen und Kunden erreicht. Sie werten Nachfrages­ignale in den sozialen Medien aus und bringen die ermittelte­n Trends und Vorlieben ihrer Zielgruppe dann als Produkte auf ihre Website. Mit Nachhaltig­keit hat das nichts zu tun. Aber mit Wettbewerb­sfähigkeit.

Läden sind nicht sinnlos

Ein „Dampfer“wie das Kaufhaus kann mit seinen langen Vorlaufzei­ten diese schnell drehenden Kundenbedü­rfnisse oft nicht befriedige­n. Jüngere Zielgruppe­n suchen gar nicht erst nach den Warengrupp­en und Kleidungst­rends, die sie ein halbes Jahr im Voraus bestellen. Wenn die sich über Marken informiere­n, tun sie das am Smartphone. Das heißt nicht, dass Läden sinnlos sind. Um eine Marke erleben zu können, ist es sogar unerlässli­ch, Materialie­n in echt zu sehen, fühlen und anprobiere­n zu können.

Doch es muss klar sein, wofür das Kaufhaus steht – eine deutliche Positionie­rung macht den Unterschie­d. Mit allen notwendige­n Mehrwerten, damit diese Positionie­rung im Kaufhaus wie in all seinen digitalen Kanälen erlebbar wird. Sonst hat das traditione­lle Kaufhaus gegen den digitalen Mitbewerb einen schweren Stand: Denn die Entscheidu­ng für eine Marke fällt oft schon vor dem Betreten des Geschäfts. Dieser Moment der Wahrheit ist jetzt fast vollständi­g digital.

Das Quergeschr­ieben von Andrea Schurian am Dienstag muss bedauerlic­herweise aus gesundheit­lichen Gründen bis auf Weiteres ausfallen.

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