Kommt jetzt der Immo-Preissturz?
Trotz Zinswende und schärferer Regularien sind die Immobilienpreise im vergangenen Jahr nur geringfügig gefallen. Doch neue Daten zeigen: Heuer wird sich das ändern.
Eigentlich war alles für einen Preissturz vorhanden. Mit steigenden Zinsen und strengerer Regulatorik konnten sich immer weniger Menschen eine Wohnung oder ein Haus leisten. Dennoch sind die Preise für Wohneigentum im vergangenen Jahr kaum gesunken. Gerade einmal um 1,6 Prozent gingen diese zurück. Das geht aus den neuen Daten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hervor.
Bisher handelt es sich also eher um eine leichte Korrektur nach fast zwei Jahrzehnten des Booms. Allein in den Jahren 2020 bis 2022 haben sich die Immobilien um 30 Prozent verteuert.
Doch nun wird eine neue Zeit eingeläutet. Schon jetzt werfen die Daten zum vierten Quartal 2023 ihre
Schatten für heuer voraus. Aus ihnen wird deutlich: „Die Preiskorrektur nimmt Fahrt auf“, sagt Matthias
Reith, Analyst der Raiffeisen Bank International (RBI), zur „Presse“.
Mit einem Minus von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal verbilligten sich Wohnimmobilien von Oktober bis Dezember deutlich mehr als in den drei Quartalen davor zusammengenommen. Und noch etwas ist diesmal anders: Die Bundeshauptstadt und der Rest von Österreich nähern sich in ihrer Entwicklung an. In den Vorquartalen entwickelten sich die Wiener Immobilienpreise meist deutlich schwächer als jene im übrigen Bundesgebiet. „Der Preisrückgang Ende 2023 war zum Großteil dem preislichen Minus außerhalb Wiens geschuldet“, sagt RBI-Analyst Fabian Blasch. Trotzdem geht er von mehr Korrekturpotenzial in Wien aus als im Rest der Republik.
Zu späte Abwertungen
Gestützt seien die Preise 2023 überwiegend von dem teuren Neubausegment worden, sagt Reith. „Die hohen Baukosten sowie die gestiegene Präferenz der Käufer für Wohnungen, die energetisch auf dem neuesten Stand sind, dürften maßgeblich dafür sein.“Anders war die Situation bei den gebrauchten Wohnungen. Diese wurden deutlich billiger.
Diese Zweiteilung des Markts sei den Analysten zufolge ein Trend, der auch das Jahr 2024 prägen werde. Einerseits muss in Österreich mit deutlich niedrigeren Fertigstellungszahlen gerechnet werden. Damit steht weniger neuer Wohnraum zur Verfügung als in den Jahren zuvor. Andererseits sehen Experten keine Entspannung bei den Baukosten. Trotz rückläufiger Materialkosten sind die gesamten Baukosten bisher kaum gesunken. „45 Prozent der Baukosten gehen auf die Lohnkosten zurück“, sagt Louis Obrowsky, Präsident des Verbands der Institutionellen Immobilieninvestoren (VII), zur „Presse“. Personalkosten sind nun Kostentreiber Nummer eins und verhindern, dass trotz rückläufiger Preise von Ziegel, Zement und anderen Baustoffen günstiger gebaut werden kann. Auch die gestiegenen Anforderungen für Zertifizierungen würden die Preise in die Höhe treiben. „Die Auftragslage auf dem Bau ist wirklich schlecht“, so Obrowsky.
Auch die Signa-Insolvenz hinterlasse ihre Spuren. Zwar wirken sich die negativen Schlagzeilen eher auf den Bereich Immobilienveranlagung aus als auf die „kleineren“Immobiliengeschäfte. Dennoch beeinflusse das Thema Signa den Immobilienmarkt erheblich, sagt der VII-Chef.
Auch die Deals der großen Immobilienentwickler können auf dem Wohnungsmarkt ihre Spuren hinterlassen. Auf diesem sind vor allem Pensionskassen und Versicherer aktiv und zu Bewertungen verpflichtet, welche wiederum die Preise beeinflussen können. Während es in Deutschland und Großbritannien schon längst zu Abwertungen kam, verwiesen die Gutachter hierzulande auf einen Mangel an Vergleichswerten. Diese Strategie halte nicht länger. Obrowsky rechnet mit weiteren Abwertungen, vor allem dort, wo noch keine vorgenommen wurden.
In den ersten neun Monaten 2023 wechselten um fast 30 Prozent weniger Wohnimmobilien den Besitzer als im selben Zeitraum des Jahres 2022. „Die Preisvorstellungen von
Käufern und Verkäufern klaffen auseinander“, sagt Blasch. Daher kamen weniger Transaktionen zustande. „Angebot und Nachfrage werden wieder zueinanderfinden, das neue Gleichgewicht wird aber zu niedrigeren Preisen sein.“
Noch immer teurer als vor Corona
Was heißt das nun für die Preisentwicklung im Jahr 2024? In Summe erwarten die RBIAnalysten für 2023 und 2024 einen Preisrückgang für den Gesamtmarkt Österreichs von maximal zehn Prozent. Die Preisrückgänge dürften heuer größer ausfallen als im vergangenen Jahr. Der Großteil der Korrektur steht also noch bevor. Dennoch dürften Wohnungen und Häuser selbst nach der erwarteten Korrektur teurer bleiben als vor der Pandemie. Denn trotz der jüngsten Rückgänge beläuft sich das seit Ende 2019 verzeichnete Preisplus noch immer auf 27 Prozent.
Neue Preisanstiege hält Reith erst für wahrscheinlich, wenn sich Immobilienpreise und Fundamentaldaten, also Zinsen und Einkommen, wieder annähern. Bis dahin bleibt die fehlende Leistbarkeit der größte Belastungsfaktor für die Branche. Denn fallende Preise heißen nicht, dass eine Wohnung auch leistbar ist.