Die Stunde der Diplomaten in Uniform
Verteidigungsattachés operieren meistens jenseits der Öffentlichkeit. In Zeiten von Krieg und Krisen gewinnen sie an Bedeutung. Österreich rüstet deshalb jetzt auch militärdiplomatisch auf.
Diese Soldaten tanzen aus der Reihe. Sie bewegen sich häufiger über das diplomatische Parkett als über den Truppenübungsplatz. Sie sind Diplomaten in Uniform. Und in Krisenzeiten werden sie immer wichtiger: „Die Welt ist aus den Fugen geraten. Wir werden daher das Netz künftig noch viel dringender brauchen und auch ausbauen“, kündigt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) gegenüber der „Presse“an. Zurzeit decken Verteidigungsattachés 69 Staaten ab, künftig sollen es laut Tanner 75 ein.
Militärattachés operieren jenseits der Öffentlichkeit. Im Scheinwerferlicht tauchen sie allenfalls als Krisenteammitglieder auf, wenn es irgendwo kracht und evakuiert werden muss. „Aber für uns sind sie viel mehr, nämlich unser verlängerter Arm in der Welt“, sagt Arnold Kammel, der Generalsekretär im Verteidigungsministerium, zur „Presse“. Beispiel: Das Bundesheer rüstet wieder auf – Stichwort Aufbauplan 2032. „Allerdings ist es für uns schwierig, Ausrüstung allein zu beschaffen. Natürlich schicken wir dann unsere Attachés aus, um in anderen Ländern die Bereitschaft für Kooperationen auszuloten“, sagt Kammel. Mitunter geht die Rolle des Attachés auch über das Militärpolitische hinaus: „In gewissen Ländern, die nicht unseren demokratischen Vorstellungen entsprechen, tut sich manchmal ein Militär leichter, Kontakte in dem System aufzubauen.“Die Abstimmung mit dem Außenministerium sei jedenfalls sehr eng, auch weil die Attachés am Netz der Botschaft hängen.
Ist ein Soldat ein guter Diplomat?
Man kann sich dabei gewiss nicht jeden Soldaten auf dem diplomatischen Parkett vorstellen. Verträgt sich das Militärische überhaupt mit dem Diplomatischen? „Soldaten sind grundsätzlich sehr gute Diplomaten, weil sie verschwiegen sind, weil sie die Konventionen kennen und weil sie krisensicher sind“, meint Nikolaus Rottenberger, Leiter der Abteilung Militärdiplomatie zur „Presse“. Rottenberger war vor seiner Rückkehr nach Österreich selbst Attaché in Rom, wo er das Projekt zum Ankauf italienischer Leonardo-Hubschrauber angeschoben habe. „Ohne ihn wäre es sicher nicht so schnell gegangen“, sagt Verteidigungsministerin Tanner.
Jedenfalls geht es auch in der digitalisierten Welt weiter um persönliche, um analoge Kontaktpflege. „Gewisse Dinge werden wir nie am Telefon oder per Videokonferenz oder via E-Mail besprechen“, sagt Rottenberger. In Krisenfällen oder bei Rüstungsfragen brauche es „etablierte Kanäle“: „Da geht es immer auch um Vertrauen.“
Arabische Halbinsel im Blick
Vier der sechs Länder, zu denen Österreich nun neue militärdiplomatische Beziehungen aufbaut, liegen auf der arabischen Halbinsel, nämlich Katar, der Oman, Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Das Portfolio wird darüber hinaus um Südafrika erweitert, eine „kontinentalen Großmacht“, wie Kammel sagt, und ein Gründerstaat der BRICS-Gruppe, sowie um Mozambique. Die sechs neuen Länder werden dabei, wie die Mehrzahl der Staaten, von Attachés an anderen Standorten „mitbetreut“.
Die Aufteilung der Zuständigkeiten erzählt dabei viel über geopolitische Rivalitäten und Partnerschaften. Sie ist wie ein Crashkurs in internationalen Beziehungen. Um Katar kümmert sich zum Beispiel künftig der Verteidigungsattaché im Iran, weil das sunnitische Katar ganz anders als etwa das ebenfalls sunnitische Saudiarabien freundschaftliche Beziehungen zum schiitischen Iran pflegt. Mittelfristig solle das militärdiplomatische Netzwerk auch in Ostasien enger werden, sagt Kammel, wegen der Brennpunkte dort – Stichwort Südchinesisches Meer und Taiwan. Und auch dort deuten die geopolitischen Rivalitäten in der Militärdiplomatie an, wenn zum Beispiel Japan vom Attaché im China „nur“mitbetreut wird, weil China im Fall eines rotweiß-roten Attachébüros in Tokio die Akkreditierung in Peking entziehen würde.
Militärdiplomatische Turbulenzen hat es zuletzt rund um die Nato gegeben. Bündnismitglied Rumänien verschleppte mehrfach seit August 2023 die Akkreditierung von zwei Bundesheer-Offizieren bei der Allianz – eine Revanche für Österreichs Schengen-Veto. Inzwischen aber gibt es da wie dort Bewegung, und Rumänien hat die Akkreditierung der beiden Österreicher abgenickt. „Die Presse“berichtete.
Sobald die Formalien erledigt sind, werden die zwei Offiziere ins militärische Hauptquartier der Nato in Mons, Belgien, sowie an den niederländischen NatoStandort Brunssum entsandt. Österreich ist zwar kein Nato-Mitglied, aber ein Partnerstaat, der vielfach mit dem Bündnis kooperiert und im Kosovo auch an einer Nato-geführten (vom UN-Sicherheitsrat mandatierten) Mission beteiligt ist.