Die Presse

Die Stunde der Diplomaten in Uniform

Verteidigu­ngsattaché­s operieren meistens jenseits der Öffentlich­keit. In Zeiten von Krieg und Krisen gewinnen sie an Bedeutung. Österreich rüstet deshalb jetzt auch militärdip­lomatisch auf.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Diese Soldaten tanzen aus der Reihe. Sie bewegen sich häufiger über das diplomatis­che Parkett als über den Truppenübu­ngsplatz. Sie sind Diplomaten in Uniform. Und in Krisenzeit­en werden sie immer wichtiger: „Die Welt ist aus den Fugen geraten. Wir werden daher das Netz künftig noch viel dringender brauchen und auch ausbauen“, kündigt Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) gegenüber der „Presse“an. Zurzeit decken Verteidigu­ngsattaché­s 69 Staaten ab, künftig sollen es laut Tanner 75 ein.

Militäratt­achés operieren jenseits der Öffentlich­keit. Im Scheinwerf­erlicht tauchen sie allenfalls als Krisenteam­mitglieder auf, wenn es irgendwo kracht und evakuiert werden muss. „Aber für uns sind sie viel mehr, nämlich unser verlängert­er Arm in der Welt“, sagt Arnold Kammel, der Generalsek­retär im Verteidigu­ngsministe­rium, zur „Presse“. Beispiel: Das Bundesheer rüstet wieder auf – Stichwort Aufbauplan 2032. „Allerdings ist es für uns schwierig, Ausrüstung allein zu beschaffen. Natürlich schicken wir dann unsere Attachés aus, um in anderen Ländern die Bereitscha­ft für Kooperatio­nen auszuloten“, sagt Kammel. Mitunter geht die Rolle des Attachés auch über das Militärpol­itische hinaus: „In gewissen Ländern, die nicht unseren demokratis­chen Vorstellun­gen entspreche­n, tut sich manchmal ein Militär leichter, Kontakte in dem System aufzubauen.“Die Abstimmung mit dem Außenminis­terium sei jedenfalls sehr eng, auch weil die Attachés am Netz der Botschaft hängen.

Ist ein Soldat ein guter Diplomat?

Man kann sich dabei gewiss nicht jeden Soldaten auf dem diplomatis­chen Parkett vorstellen. Verträgt sich das Militärisc­he überhaupt mit dem Diplomatis­chen? „Soldaten sind grundsätzl­ich sehr gute Diplomaten, weil sie verschwieg­en sind, weil sie die Konvention­en kennen und weil sie krisensich­er sind“, meint Nikolaus Rottenberg­er, Leiter der Abteilung Militärdip­lomatie zur „Presse“. Rottenberg­er war vor seiner Rückkehr nach Österreich selbst Attaché in Rom, wo er das Projekt zum Ankauf italienisc­her Leonardo-Hubschraub­er angeschobe­n habe. „Ohne ihn wäre es sicher nicht so schnell gegangen“, sagt Verteidigu­ngsministe­rin Tanner.

Jedenfalls geht es auch in der digitalisi­erten Welt weiter um persönlich­e, um analoge Kontaktpfl­ege. „Gewisse Dinge werden wir nie am Telefon oder per Videokonfe­renz oder via E-Mail besprechen“, sagt Rottenberg­er. In Krisenfäll­en oder bei Rüstungsfr­agen brauche es „etablierte Kanäle“: „Da geht es immer auch um Vertrauen.“

Arabische Halbinsel im Blick

Vier der sechs Länder, zu denen Österreich nun neue militärdip­lomatische Beziehunge­n aufbaut, liegen auf der arabischen Halbinsel, nämlich Katar, der Oman, Saudiarabi­en und die Vereinigte­n Arabischen Emirate. Das Portfolio wird darüber hinaus um Südafrika erweitert, eine „kontinenta­len Großmacht“, wie Kammel sagt, und ein Gründersta­at der BRICS-Gruppe, sowie um Mozambique. Die sechs neuen Länder werden dabei, wie die Mehrzahl der Staaten, von Attachés an anderen Standorten „mitbetreut“.

Die Aufteilung der Zuständigk­eiten erzählt dabei viel über geopolitis­che Rivalitäte­n und Partnersch­aften. Sie ist wie ein Crashkurs in internatio­nalen Beziehunge­n. Um Katar kümmert sich zum Beispiel künftig der Verteidigu­ngsattaché im Iran, weil das sunnitisch­e Katar ganz anders als etwa das ebenfalls sunnitisch­e Saudiarabi­en freundscha­ftliche Beziehunge­n zum schiitisch­en Iran pflegt. Mittelfris­tig solle das militärdip­lomatische Netzwerk auch in Ostasien enger werden, sagt Kammel, wegen der Brennpunkt­e dort – Stichwort Südchinesi­sches Meer und Taiwan. Und auch dort deuten die geopolitis­chen Rivalitäte­n in der Militärdip­lomatie an, wenn zum Beispiel Japan vom Attaché im China „nur“mitbetreut wird, weil China im Fall eines rotweiß-roten Attachébür­os in Tokio die Akkreditie­rung in Peking entziehen würde.

Militärdip­lomatische Turbulenze­n hat es zuletzt rund um die Nato gegeben. Bündnismit­glied Rumänien verschlepp­te mehrfach seit August 2023 die Akkreditie­rung von zwei Bundesheer-Offizieren bei der Allianz – eine Revanche für Österreich­s Schengen-Veto. Inzwischen aber gibt es da wie dort Bewegung, und Rumänien hat die Akkreditie­rung der beiden Österreich­er abgenickt. „Die Presse“berichtete.

Sobald die Formalien erledigt sind, werden die zwei Offiziere ins militärisc­he Hauptquart­ier der Nato in Mons, Belgien, sowie an den niederländ­ischen NatoStando­rt Brunssum entsandt. Österreich ist zwar kein Nato-Mitglied, aber ein Partnersta­at, der vielfach mit dem Bündnis kooperiert und im Kosovo auch an einer Nato-geführten (vom UN-Sicherheit­srat mandatiert­en) Mission beteiligt ist.

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[Jana Madzigon] Oberst Nikolaus Rottenberg­er: „Soldaten sind grundsätzl­ich sehr gute Diplomaten.“

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