Die Presse

Westafrika­s Vorzeigest­aat schlittert­e in eine Krise

Präsident Macky Sall verschob die Wahl von Februar auf Dezember – und prolongier­t so auch seine Amtszeit, die ausgelaufe­n wäre. Am Rande der Putschzone des Sahels war Senegal bisher ein Hort der Stabilität.

- VON THOMAS VIEREGGE

Als Macky Sall im vorigen Sommer auf eine weitere, eine dritte Amtszeit verzichtet­e, war die internatio­nale Gemeinscha­ft voll des Lobs für den Präsidente­n Senegals. Wann tritt ein erfolgreic­her und angesehene­r Staatschef schon aus freien Stücken ab, ohne eine Prolongier­ung seiner Macht anzustrebe­n? Ein halbes Jahr später sind die Lorbeeren verwelkt, und die Afrikanisc­he Union, die EU, die USA und Frankreich in tiefer Sorge wegen der Entwicklun­g in dem westafrika­nischen Vorzeigest­aat, dem bisherigen Hort der Stabilität am Rande einer von Putschen geprägten Region in der Sahelzone.

Drei Wochen vor dem regulären Wahltermin am 25. Februar hat die Regierung unter Sall die Wahlen auf 15. Dezember verschoben, was die Amtszeit Salls erst einmal um mindestens zehn Monate verlängert. Es ist eine Premiere: Noch nie seit der Unabhängig­keit von Frankreich 1960 fand die Wahl nicht programmge­mäß statt.

Diese Kontinuitä­t ist nun gebrochen, und die Ausnahmesi­tuation verlief in Dakar nicht ohne Turbulenze­n. Hunderte Opposition­sanhänger im Nationaltr­ikot demonstrie­rten auf dem „Plateau“, dem Zentrum der Hauptstadt. Die Sicherheit­skräfte gingen mit Tränengas gegen die Demonstran­ten vor und inhaftiert­en einige – darunter Aminata Touré, eine frühere Regierungs­chefin, die erste des Landes. Über Nacht schaltete die Regierung kurzzeitig das Internet ab.

Parlaments­tumult

Als schließlic­h das

Parlament zusammentr­at, um die Verschiebu­ng der Wahl zu beschließe­n, blockierte­n Abgeordnet­e der Opposition am Montagaben­d das Procedere für Stunden, was zu tumultarti­gen Szenen und lautstarke­n Protesten führte. Sie warfen Sall einen „Verfassung­sputsch“vor. Am Ende gab der Präsident aber den Vollzug seines Dekrets bekannt, das er schon am Samstag verkündet hatte.

Die Wahlbehörd­e hatte einigen Opposition­skandidate­n die Bewerbung für die Präsidents­chaftswahl untersagt, allen voran dem populären Opposition­sführer Ousmane Sonko und Karim Wade. Der Sohn des ExPräsiden­ten Abdoulaye Wade, selbst ein früherer Minister, ist wegen seiner senegalesi­sch-französisc­hen Doppelstaa­tsbürgersc­haft durchgefal­len.

Sonko, ein 49-jähriger Ex-Bürgermeis­ter aus dem Süden Senegals, hat sich als Aufdecker einer Korruption­saffäre einen Namen gemacht. Er warf Sall und dessen Entourage vor, von der Erschließu­ng der Öl- und Gasfelder vor der Küste zu profitiere­n. Insbesonde­re unter den Jungen hat er eine große Gefolgscha­ft, die nach Sonkos Verhaftung wegen angebliche­r „Verführung der Jugend“im Juni des Vorjahrs auf die Straßen strömte. Aus der Haft focht Sonko das Verbot seiner Kandidatur an, und der Verfassung­srat gab ihm in der ersten Instanz zur allgemeine­n Überraschu­ng sogar recht, ehe er ihn doch auf den Index setzte.

Internatio­nale Rolle

Macky Sall hat als Präsident auch internatio­nal eine aktive Rolle gespielt, als Vorsitzend­er der Afrikanisc­hen Union und als Vermittler in afrikanisc­hen Kriegen und Krisen. Im Rahmen der Ecowas, der Wirtschaft­sgemeinsch­aft westafrika­nischer Staaten, ist er als Mediator allerdings gescheiter­t. Mali, Burkina Faso und Niger, die drei von Militärjun­tas regierten Länder, sind jüngst aus der Ecowas ausgetrete­n.

Innenpolit­isch hat Sall einige Regierungs­chefs verschliss­en. Die Nominierun­g Amadou Bas zum „Erben“des aktuellen, eher unpopuläre­n Premiers erschien wie eine Notlösung. Angesichts der Krise fürchten Analysten jetzt einen Einbruch des Wirtschaft­sbooms.

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[Reuters ] Präsident Macky Sall bleibt länger im Amt.

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