Westafrikas Vorzeigestaat schlitterte in eine Krise
Präsident Macky Sall verschob die Wahl von Februar auf Dezember – und prolongiert so auch seine Amtszeit, die ausgelaufen wäre. Am Rande der Putschzone des Sahels war Senegal bisher ein Hort der Stabilität.
Als Macky Sall im vorigen Sommer auf eine weitere, eine dritte Amtszeit verzichtete, war die internationale Gemeinschaft voll des Lobs für den Präsidenten Senegals. Wann tritt ein erfolgreicher und angesehener Staatschef schon aus freien Stücken ab, ohne eine Prolongierung seiner Macht anzustreben? Ein halbes Jahr später sind die Lorbeeren verwelkt, und die Afrikanische Union, die EU, die USA und Frankreich in tiefer Sorge wegen der Entwicklung in dem westafrikanischen Vorzeigestaat, dem bisherigen Hort der Stabilität am Rande einer von Putschen geprägten Region in der Sahelzone.
Drei Wochen vor dem regulären Wahltermin am 25. Februar hat die Regierung unter Sall die Wahlen auf 15. Dezember verschoben, was die Amtszeit Salls erst einmal um mindestens zehn Monate verlängert. Es ist eine Premiere: Noch nie seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 fand die Wahl nicht programmgemäß statt.
Diese Kontinuität ist nun gebrochen, und die Ausnahmesituation verlief in Dakar nicht ohne Turbulenzen. Hunderte Oppositionsanhänger im Nationaltrikot demonstrierten auf dem „Plateau“, dem Zentrum der Hauptstadt. Die Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas gegen die Demonstranten vor und inhaftierten einige – darunter Aminata Touré, eine frühere Regierungschefin, die erste des Landes. Über Nacht schaltete die Regierung kurzzeitig das Internet ab.
Parlamentstumult
Als schließlich das
Parlament zusammentrat, um die Verschiebung der Wahl zu beschließen, blockierten Abgeordnete der Opposition am Montagabend das Procedere für Stunden, was zu tumultartigen Szenen und lautstarken Protesten führte. Sie warfen Sall einen „Verfassungsputsch“vor. Am Ende gab der Präsident aber den Vollzug seines Dekrets bekannt, das er schon am Samstag verkündet hatte.
Die Wahlbehörde hatte einigen Oppositionskandidaten die Bewerbung für die Präsidentschaftswahl untersagt, allen voran dem populären Oppositionsführer Ousmane Sonko und Karim Wade. Der Sohn des ExPräsidenten Abdoulaye Wade, selbst ein früherer Minister, ist wegen seiner senegalesisch-französischen Doppelstaatsbürgerschaft durchgefallen.
Sonko, ein 49-jähriger Ex-Bürgermeister aus dem Süden Senegals, hat sich als Aufdecker einer Korruptionsaffäre einen Namen gemacht. Er warf Sall und dessen Entourage vor, von der Erschließung der Öl- und Gasfelder vor der Küste zu profitieren. Insbesondere unter den Jungen hat er eine große Gefolgschaft, die nach Sonkos Verhaftung wegen angeblicher „Verführung der Jugend“im Juni des Vorjahrs auf die Straßen strömte. Aus der Haft focht Sonko das Verbot seiner Kandidatur an, und der Verfassungsrat gab ihm in der ersten Instanz zur allgemeinen Überraschung sogar recht, ehe er ihn doch auf den Index setzte.
Internationale Rolle
Macky Sall hat als Präsident auch international eine aktive Rolle gespielt, als Vorsitzender der Afrikanischen Union und als Vermittler in afrikanischen Kriegen und Krisen. Im Rahmen der Ecowas, der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, ist er als Mediator allerdings gescheitert. Mali, Burkina Faso und Niger, die drei von Militärjuntas regierten Länder, sind jüngst aus der Ecowas ausgetreten.
Innenpolitisch hat Sall einige Regierungschefs verschlissen. Die Nominierung Amadou Bas zum „Erben“des aktuellen, eher unpopulären Premiers erschien wie eine Notlösung. Angesichts der Krise fürchten Analysten jetzt einen Einbruch des Wirtschaftsbooms.