CO2-Speicherung: Ein teurer Ausweg soll Gemüter beruhigen
Die EU-Kommission schlägt eine Reduzierung der Treibhausgase bis 2040 um 90 Prozent (Basis 1990) vor. Um die Industrie zu besänftigen, soll auf Carbon Capture gesetzt werden.
Draußen demonstrieren Hunderte Bauern, drinnen wird über ein neues Klimaziel beraten. Größer könnte die Kluft zwischen politisch Verantwortlichen und denjenigen, die letztlich die
Folgen tragen müssen, kaum sein. Als die 27
Kommissare am Dienstag im Straßburger
Europaparlament die letzten Details für das ausstehende Kilmazwischenziel 2040 vorbereiteten, war ihnen wohl auch bewusst, dass sie sich kurz vor der Europawahl im Juni auf schwierigem Terrain bewegen. Den Spagat kommentierte der deutsche EU-Abgeordnete Peter
Liese (CDU): „Es ist einfach, neue Grenzwerte zu setzen, aber es ist eine viel größere Herausforderung, diese für Industrie und Bürger möglich zu machen.“
Die EU-Kommission schlug letztlich vor, die Treibhausgase bis 2040 um netto 90 Prozent (Basis 1990) zu senken. Damit soll das beschlossene Ziel einer Klimaneutralität im Jahr 2050 erreicht werden. Der bisherige, von allen Mitgliedstaaten beschlossene Fahrplan sieht eine Reduzierung um 55 Prozent bis 2030 vor. Das neue Zwischenziel wäre also nochmals ehrgeiziger. Die Kommission argumentierte, dass die Folgekosten der Erderwärmung letztlich bedeutend höher wären.
Die dafür notwendigen Maßnahmen noch einmal zu verstärken erscheint freilich politisch kaum noch durchsetzbar. Deshalb wurden Regeln für Bauern, etwa zu Pestiziden oder zur Renaturierung (der verbesserten natürlichen Speicherung der Treibhausgase) zuletzt verworfen oder verwässert. Um das ehrgeizige neue Ziel zumindest der Industrie schmackhaft zu machen, schlug die Kommission vor, nur einen Teil der Ausstöße gänzlich zu reduzieren. Der Rest – im Gespräch sind etwa acht Prozent – soll durch technische Absonderung und dauerhafte Lagerung im Boden (Carbon Capture and Storage, CCS) gar nicht in die Atmosphäre gelangen. Dadurch soll es gelingen, energieintensive Industriebetriebe für Zement, Chemie und Stahl sowie Gaskraftwerke weiter am Laufen zu halten.
Die Methode ist freilich kostenintensiv und umstritten. Schätzungen belaufen sich auf 50 bis 70 Euro pro entsorgter Tonne CO2. Damit liegt der Preis aktuell sogar höher als jener von Verschmutzungszertifikaten (ETS). Der beträgt im Handel 47 Euro pro Tonne. Die EU-Kommission, deren Vorschläge vom Rat und Parlament abgesegnet werden müssen, will bis 2040 insgesamt 280 Mio. Tonnen CO2 jährlich absondern und speichern, bis 2050 450 Mio. Tonnen. Während die Umweltorganisation Greenpeace
CCS als „gefährlichen Irrweg“bezeichnet und davor warnt, dass ein Freibrief für fossile Brennstoffe geschaffen werde, ist die Umweltschutzorganisation WWF aufgeschlossener. Bei der Dekarbonisierung der Industrie sei auch CCS „hilfreich“, heißt es in einem Positionspapier, doch müsse dies an Bedingungen geknüpft werden. Der WWF warnt zudem vor zusätzlichem Energiebedarf: „CCS ist ein energieintensiver Prozess.“
In Österreich verboten
Bei Carbon Capture and Storage wird CO2 aus den Abgasen von Industrieanlagen chemisch herausgefiltert, in flüssigen Zustand umgewandelt und letztlich mit hohem Druck in tiefe Bodenschichten gepresst. Als Lagerstätten können ausgebeutete Gasfelder unter dem Meer oder ähnlich tiefe Bodenschichten genutzt werden. Bisher fehlt dafür aber in vielen Mitgliedstaaten die finanzielle wie die rechtliche Basis. So weist das Klimaschutzministerium darauf hin, dass „die geologische Speicherung von CO2 in Österreich – mit Ausnahme für Forschungszwecke – verboten ist“. Das verflüssigte CO2 müsste daher nach jetziger Rechtslage in andere Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums verbracht werden.