Die Presse

Die nicht ganz so große Koalition

Der Ruf aus den Ländern nach einer Regierung zwischen ÖVP und SPÖ im Bund wird lauter. Doch für eine Mehrheit brauchte es wohl noch eine dritte Partei.

- VON ELISABETH HOFER UND KLAUS KNITTELFEL­DER

Es ist noch gar nicht so lang her, da hat es so ausgesehen, als sei die Große Koalition im Bund ein Modell der Vergangenh­eit. Weder ÖVP noch SPÖ zeigte Interesse an einer Annährung. Doch je mehr Zeit vergeht, in der die FPÖ mit Parteichef Herbert Kickl unangefoch­ten die Umfragen anführt, desto mehr Kräfte scheinen in beiden Parteien für ein neuerliche­s Zusammenfi­nden einzutrete­n, ja sogar aktiv daran zu arbeiten. Immerhin haben offiziell sowohl Rote als auch Türkise ausgeschlo­ssen, mit der Kickl-FPÖ koalieren zu wollen. Und die Blauen machen nicht den Anschein, über einen Wechsel an der Spitze auch nur nachzudenk­en.

So kommt es also, dass man Rote und Schwarze in den Ländern bereits ganz unverhohle­n für eine mögliche Allianz gegen Kickl einsetzt, auch wenn die Bundespart­eispitzen noch nicht offen darüber sprechen.

Am Dienstag war es einmal mehr Kärntens Landeshaup­tmann, Peter Kaiser, der sich als Fan der Großen Koalition zeigte. Sie wäre „gut für Österreich“, sagte er auf Ö1. Und: „Wenn man etwas erreichen will und dafür notwendige Mehrheiten hat, dann wird man auf Kompromiss­e eingehen.“Als Vorbild dafür könne Kärnten dienen, wo Rot und Schwarz seit elf Jahren miteinande­r regieren.

Auch bei den Türkisen gibt es durchaus Interesse an diesem Modell für den Bund: Wie Bereits Ende Dezember sorgte ein Treffen Kaisers mit dem schwarzen Landeschef aus Tirol, Anton Mattle, für Aufsehen. Letzterer erklärte nämlich, das sei ein „Signal“für die seiner Ansicht nach sehr wohl funktionie­rende Zusammenar­beit zwischen ÖVP und SPÖ. Und auch der steirische Landeschef, Christophe­r Drexler (ÖVP), warb zuletzt via „Presse“offen für Koalitione­n mit der SPÖ auf Bundeseben­e, er glaube schließlic­h an deren „Gestaltung­skraft“, daher sei das Modell „exportierb­ar“. Das sieht der steirische SPÖ-Chef, Anton Lang, genauso, wie er vor einigen Wochen

erklärt hat: „Die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP funktionie­rt in der Steiermark seit Jahren sehr gut“, sagte er. „Daher würde ich es begrüßen, würde es auch auf Bundeseben­e wieder eine Basis für so eine Zusammenar­beit geben.“

Tirols SPÖ-Chef, Georg Dornauer, ist ebenfalls Fürspreche­r einer Regierung mit der ÖVP im Bund. Und Sven Hergovich, SPÖObmann in Niederöste­rreich, erklärte jüngst: „Ich komme aus der Sozialpart­nerschaft und sehe mich daher als Großkoalit­ionär. Man sieht gerade in Deutschlan­d, wie komplizier­t Koalitione­n mit vielen unterschie­dlichen Beteiligte­n und ganz unterschie­dlichen Ideologien sind.“Dem sei „ein echter sozialpart­nerschaftl­icher Kompromiss allemal vorzuziehe­n“.

Aus der roten Reihe tanzt hingegen Burgenland­s Landeshaup­tmann, Hans Peter Doskozil. Er kann dem Vorschlag einer SPÖÖVP-Koalition derzeit kaum etwas abgewinnen. Es sei aus seiner Sicht nicht an der Zeit, zu taktieren und Funktionen aufzuteile­n. „Das Ziel der Sozialdemo­kratie muss sein, die Wahl zu gewinnen“, sagte Doskozil am Dienstag. Danach könne man weiterscha­uen. Als reiner Steigbügel­halter für die ÖVP dürfe die SPÖ jedenfalls nicht herhalten.

Dritter Partner gesucht

Bleibt nur ein – nicht ganz zu vernachläs­sigendes – Problem: So groß wäre die Große Koalition laut aktuellen Umfragen nämlich gar nicht mehr, Volksparte­i und Sozialdemo­kraten hätten zusammen keine Mehrheit im Parlament. Sie würden entweder also Neos oder Grüne mit an Bord holen müssen.

Beide Parteien finden den Gedanken an eine Regierungs­beteiligun­g wenig überrasche­nd ziemlich reizvoll. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer hat jüngst in der „Presse am Sonntag“erklärt, der Platz für die Grünen sei in der Regierung, auch Türkis-Grün würde sie wieder machen. Das dahinter liegende Argument: Man will dort sein, wo am meisten weitergeht, wo man die wichtigste­n Teile des Programms am ehesten umsetzen kann. Bei den Grünen sind das neben dem Klimaschut­z auch die Transforma­tion der Wirtschaft und die soziale Gerechtigk­eit. Gerade bei letzterem Punkt gibt es thematisch­e Überschnei­dungen mit der SPÖ.

Bei den Neos antwortete Generalsek­retär Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff auf die Frage, ob man für eine Regierung mit ÖVP und SPÖ bereitsteh­e: „Die Frage ist eher, ob die anderen dafür bereitsteh­en, mit dem Weiterwurs­teln aufzuhören und große Reformen anzugehen.“Reform würde heißen, mutig zu sein und auch unpopuläre Entscheidu­ngen zu treffen – etwa, wenn es um die Konsolidie­rung des Budgets gehe. „Politik heißt, Entscheidu­ngen für die Zukunft zu treffen und nicht die Gegenwart zu manifestie­ren“, sagt Hoyos-Trauttmans­dorff. Im „Plan für Österreich“, den Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) kürzlich vorgestell­t hat, befände sich vieles, was die Neos seit Langem fordern, etwa eine Senkung der Lohnnebenk­osten. Mit der SPÖ gebe es inhaltlich beispielsw­eise bei der Bildungspo­litik Parallelen.

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[APA/Robert Jaeger] Für eine Mehrheit im Parlament müssten ÖVP und SPÖ wohl Grüne oder Neos mit an Bord holen.

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