Die nicht ganz so große Koalition
Der Ruf aus den Ländern nach einer Regierung zwischen ÖVP und SPÖ im Bund wird lauter. Doch für eine Mehrheit brauchte es wohl noch eine dritte Partei.
Es ist noch gar nicht so lang her, da hat es so ausgesehen, als sei die Große Koalition im Bund ein Modell der Vergangenheit. Weder ÖVP noch SPÖ zeigte Interesse an einer Annährung. Doch je mehr Zeit vergeht, in der die FPÖ mit Parteichef Herbert Kickl unangefochten die Umfragen anführt, desto mehr Kräfte scheinen in beiden Parteien für ein neuerliches Zusammenfinden einzutreten, ja sogar aktiv daran zu arbeiten. Immerhin haben offiziell sowohl Rote als auch Türkise ausgeschlossen, mit der Kickl-FPÖ koalieren zu wollen. Und die Blauen machen nicht den Anschein, über einen Wechsel an der Spitze auch nur nachzudenken.
So kommt es also, dass man Rote und Schwarze in den Ländern bereits ganz unverhohlen für eine mögliche Allianz gegen Kickl einsetzt, auch wenn die Bundesparteispitzen noch nicht offen darüber sprechen.
Am Dienstag war es einmal mehr Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser, der sich als Fan der Großen Koalition zeigte. Sie wäre „gut für Österreich“, sagte er auf Ö1. Und: „Wenn man etwas erreichen will und dafür notwendige Mehrheiten hat, dann wird man auf Kompromisse eingehen.“Als Vorbild dafür könne Kärnten dienen, wo Rot und Schwarz seit elf Jahren miteinander regieren.
Auch bei den Türkisen gibt es durchaus Interesse an diesem Modell für den Bund: Wie Bereits Ende Dezember sorgte ein Treffen Kaisers mit dem schwarzen Landeschef aus Tirol, Anton Mattle, für Aufsehen. Letzterer erklärte nämlich, das sei ein „Signal“für die seiner Ansicht nach sehr wohl funktionierende Zusammenarbeit zwischen ÖVP und SPÖ. Und auch der steirische Landeschef, Christopher Drexler (ÖVP), warb zuletzt via „Presse“offen für Koalitionen mit der SPÖ auf Bundesebene, er glaube schließlich an deren „Gestaltungskraft“, daher sei das Modell „exportierbar“. Das sieht der steirische SPÖ-Chef, Anton Lang, genauso, wie er vor einigen Wochen
erklärt hat: „Die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP funktioniert in der Steiermark seit Jahren sehr gut“, sagte er. „Daher würde ich es begrüßen, würde es auch auf Bundesebene wieder eine Basis für so eine Zusammenarbeit geben.“
Tirols SPÖ-Chef, Georg Dornauer, ist ebenfalls Fürsprecher einer Regierung mit der ÖVP im Bund. Und Sven Hergovich, SPÖObmann in Niederösterreich, erklärte jüngst: „Ich komme aus der Sozialpartnerschaft und sehe mich daher als Großkoalitionär. Man sieht gerade in Deutschland, wie kompliziert Koalitionen mit vielen unterschiedlichen Beteiligten und ganz unterschiedlichen Ideologien sind.“Dem sei „ein echter sozialpartnerschaftlicher Kompromiss allemal vorzuziehen“.
Aus der roten Reihe tanzt hingegen Burgenlands Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil. Er kann dem Vorschlag einer SPÖÖVP-Koalition derzeit kaum etwas abgewinnen. Es sei aus seiner Sicht nicht an der Zeit, zu taktieren und Funktionen aufzuteilen. „Das Ziel der Sozialdemokratie muss sein, die Wahl zu gewinnen“, sagte Doskozil am Dienstag. Danach könne man weiterschauen. Als reiner Steigbügelhalter für die ÖVP dürfe die SPÖ jedenfalls nicht herhalten.
Dritter Partner gesucht
Bleibt nur ein – nicht ganz zu vernachlässigendes – Problem: So groß wäre die Große Koalition laut aktuellen Umfragen nämlich gar nicht mehr, Volkspartei und Sozialdemokraten hätten zusammen keine Mehrheit im Parlament. Sie würden entweder also Neos oder Grüne mit an Bord holen müssen.
Beide Parteien finden den Gedanken an eine Regierungsbeteiligung wenig überraschend ziemlich reizvoll. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer hat jüngst in der „Presse am Sonntag“erklärt, der Platz für die Grünen sei in der Regierung, auch Türkis-Grün würde sie wieder machen. Das dahinter liegende Argument: Man will dort sein, wo am meisten weitergeht, wo man die wichtigsten Teile des Programms am ehesten umsetzen kann. Bei den Grünen sind das neben dem Klimaschutz auch die Transformation der Wirtschaft und die soziale Gerechtigkeit. Gerade bei letzterem Punkt gibt es thematische Überschneidungen mit der SPÖ.
Bei den Neos antwortete Generalsekretär Douglas Hoyos-Trauttmansdorff auf die Frage, ob man für eine Regierung mit ÖVP und SPÖ bereitstehe: „Die Frage ist eher, ob die anderen dafür bereitstehen, mit dem Weiterwursteln aufzuhören und große Reformen anzugehen.“Reform würde heißen, mutig zu sein und auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen – etwa, wenn es um die Konsolidierung des Budgets gehe. „Politik heißt, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und nicht die Gegenwart zu manifestieren“, sagt Hoyos-Trauttmansdorff. Im „Plan für Österreich“, den Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) kürzlich vorgestellt hat, befände sich vieles, was die Neos seit Langem fordern, etwa eine Senkung der Lohnnebenkosten. Mit der SPÖ gebe es inhaltlich beispielsweise bei der Bildungspolitik Parallelen.