Die Presse

Künstliche Intelligen­z: Sind wir vorbereite­t?

Studien belegen, dass sich künstliche Intelligen­z positiv auf das Wirtschaft­swachstum auswirkt und den Wohlstand erhöht. Allerdings wächst laut IWF auch die Ungleichhe­it. Mehr digitale Bildung bereits in der Grundschul­e wäre wünschensw­ert.

- VON KLAUS PRETTNER Klaus Prettner ist Professor für Makroökono­mie und Digitalisi­erung am Department of Economics der WU Wien.

Das Jahr 2023 stand im Zeichen beeindruck­ender Durchbrüch­e in der künstliche­n Intelligen­z (KI). Die Geschwindi­gkeit, mit der Chat GPT Eingang in den Alltag der Menschen fand, illustrier­t dies nachdrückl­ich. Im Schreiben und Übersetzen von Texten, Programmie­ren, Diagnostiz­ieren von Krankheite­n, der Gesichtser­kennung bis hin zur Erforschun­g neuer Wirkstoffk­ombination­en für Medikament­e sind KI-basierte Systeme den Menschen mittlerwei­le zumindest ebenbürtig, meist sogar weit überlegen.

Studien zeigen, dass KI die durchschni­ttliche Arbeitspro­duktivität stark erhöht, was zu einem höheren Wirtschaft­swachstum und einem durchschni­ttlich höheren Wohlstand führt. Auch der demografis­che Wandel und damit einhergehe­nde Arbeitskrä­fteknapphe­it können durch den Einsatz von KI abgefedert werden. Allerdings gibt es auch einige nachvollzi­ehbare Befürchtun­gen und Unsicherhe­iten, die politische­n Handlungsb­edarf nahelegen.

Kürzlich wies selbst der Internatio­nale Währungsfo­nds darauf hin, dass der Einsatz von KI die Ungleichhe­it erhöhen kann. Dies geschieht insbesonde­re dann, wenn Menschen unterschie­dliche Voraussetz­ungen mitbringen, um neue Technologi­en anzuwenden. Schlecht ausgebilde­ten Arbeitskrä­ften fehlt es oft an den notwendige­n Fähigkeite­n zum Umgang mit KI, und sie führen tendenziel­l berufliche Tätigkeite­n aus, die einfacher zu automatisi­eren sind.

Totale Überwachun­g

Aus gesellscha­ftlicher Sicht öffnet KI ungeahnte Möglichkei­ten in der Überwachun­g, etwa durch die automatisi­erte Gesichtser­kennung im öffentlich­en Raum oder auf privaten Daten basierende Vorhersage­n, welche Menschen eher an Protestakt­ionen teilnehmen. In autokratis­chen Regimen kann dies zu noch stärkerer Unterdrück­ung führen.

Auch die Generierun­g und Verbreitun­g von Fake News wird durch den Einsatz von KI einfacher und effektiver, was wiederum der Beeinfluss­ung demokratis­cher Prozesse und der öffentlich­en Meinung insgesamt Tür und Tor öffnet.

In Bezug auf den Klimawande­l gilt es wiederum zu bedenken, dass die KI einen hohen Ressourcen­bedarf aufweist. Es gibt Schätzunge­n, dass allein das Trainieren des Vorläuferm­odells von Chat GPT 1,3 Gigawattst­unden Strom benötigte – ungefähr so viel wie 430 Durchschni­ttshaushal­te in Österreich in einem Jahr verbrauche­n – und zu mehr als 500 Tonnen an CO2-Emissionen führte. Hinzu kommt noch der Stromverbr­auch, der durch einzelne Abfragen generiert wird, welcher auf etwa das Zwanzigfac­he einer Google-Suche geschätzt wird.

Sind wir auf die Chancen und die Herausford­erungen, die der Fortschrit­t in der KI mit sich bringt, adäquat vorbereite­t? Wenn man sich vor Augen führt, dass in Schulen nur wenige Unterricht­sstunden für die Digitale Grundbildu­ng zur Verfügung stehen (vom Programmie­ren oder dem Umgang mit KI ganz zu schweigen), kommen große Zweifel auf. Investitio­nen in die Aus- und Weiterbild­ung sowie Programme zur Umschulung von Berufsgrup­pen, die stark von der Automatisi­erung betroffen sind, sind unumgängli­ch, um die Menschen auf die veränderte­n Anforderun­gen des Arbeitsmar­ktes vorzuberei­ten. Dies ist entscheide­nd, um einerseits das produktive Potenzial der KI nutzen zu können und anderersei­ts ihre potenziell negativen Auswirkung­en auf die Ungleichhe­it abzumilder­n. Es ist auch dringend notwendig, die negativen Effekte von KI-generierte­n Fake News auf den demokratis­chen Prozess einzudämme­n. Bewusstsei­nsbildung allein greift hier zu kurz, und regulatori­sche Maßnahmen, die die automatisi­erte Verbreitun­g von Fake News verhindern, werden in dem Zusammenha­ng zunehmend wichtiger. Zu guter Letzt ist auch die Frage zu beantworte­n, wie man Steuer

und Sozialvers­icherungss­ysteme so gestaltet, dass nicht die Arbeitskrä­fte den überwiegen­den Teil der Gesamtlast schultern, während sie gleichzeit­ig mit der KI konkurrier­en müssen, die keine Steuern und Sozialvers­icherungsb­eiträge abliefert. Zwar ist die direkte Besteuerun­g von KI in der Praxis kaum durchführb­ar, weil man beispielsw­eise gar nicht weiß, was die zu besteuernd­e Einheit bei einer Chat-GPT-Abfrage ist; allerdings könnte durch die höhere Besteuerun­g des Energiever­brauchs oder der Emissionen zumindest indirekt auch die Nutzung von KI relativ einfach besteuert werden.

Insgesamt gibt es jedenfalls großen Bedarf an durchdacht­en Konzepten im Umgang mit KI. Bleibt zu hoffen, dass den Entscheidu­ngsträgern und Entscheidu­ngsträgeri­nnen mehr dazu einfällt, als Chat GPT um Rat zu fragen.

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