Kritische Intelligenz: Chance oder Unglück?
Die negativen Auswirkungen der künstlichen Intelligenz wiegen in der aktuellen Diskussion schwerer als die Chancen, die diese neue Technologie bietet.
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein weiter Begriff und eine für viele neue Technologie. Sie hat zwar eine lange Vergangenheit, steht aber wohl erst am Anfang ihrer beschleunigten Nutzung. Wie immer bei neuen Technologien gibt es ein wenig Hoffnung und viel Angst. Wenn auch vieles noch unklar ist, sind die Bedrohungen durch die Manipulation bei Kaufentscheidungen, aber auch bei Wahlen schon sichtbar. Die Technologie basiert auf der fast lückenlosen Überwachung unserer Aktivitäten im digitalen Raum. KI wird auch die Arbeitswelt verändern, alte Tätigkeiten fallen weg, neue kommen dazu.
Möglicherweise sehen wir die negativen Effekte deutlich vor den positiven, Letztere werden erst langsam erkannt oder müssen erst entstehen. Das sogenannte Offboarding steht für eine Entlassungswelle bei den großen TechUnternehmen. 2023 wurden in den USA 260.000 Beschäftigte entlassen – das sind rund 60 Prozent mehr als im Jahr davor. Dahinter stehen zwar oft Restrukturierungen, aber es ist klar, dass KI hier auch eine Rolle spielt.
Dass KI für viele interessant ist und auch einen realen Nutzen stiftet, haben die exponentiell wachsenden Nutzerzahlen von Chat GPT gezeigt. Offensichtlich verbessern Schüler, Programmierer, Texter, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihren Output mit KI. Praktisch alle großen Unternehmen haben KI-Projekte, um deren Möglichkeiten auszuloten. Erstaunlicherweise gewinnen dabei nicht unbedingt die High Performer: KI verbessert oft die Outputs von eher durchschnittlichen Leistungsträgern besonders stark. Sie kann auch helfen, Gesundheit und Krankheiten schnell zu beurteilen, ohne Arzt und ohne Spital. Wahrscheinlich ist das nur als Schnellinformation sinnvoll, aber besser, als lang auf einen Termin zu warten. Auch Orte und Wege, die sonst schwer zu finden wären, kann man mit dieser Technologie suchen. Aber man kann auch Fake News senden oder erhalten, falsche Bil
der ins Netz stellen, die oft niemand verantworten muss; dass Wahlen beeinflusst werden können, weit weg vom eigenen Wohnort und der Wahlberechtigung, haben wir schon erwähnt.
Europa macht gerade den Anfang, die KI mit dem AI Act zu regulieren. Eine Notwendigkeit, die auch von den führenden KI-Unternehmern anerkannt wird. Dabei werden bestimmte KI verboten und KI mit hohem Risiko reguliert. Es ist jedoch klar, dass sich Europa nicht auf die Regulierung von KI zurückziehen kann, sondern aktiv die Entwicklung dieser Technologie mitgestalten muss. Dazu braucht es Investitionen in Wissenschaft, Innovation, Rechenleistung. Und besonders wichtig ist Bildung: Kri
tische Intelligenz kann helfen, die ethischen Fragen zu erkennen, damit Neues entstehen kann – disruptiv und nicht linear, würde es nach den Vorstellungen des Ökonomen Joseph Schumpeter heißen. Etwas Neues entsteht, das wir zu einem Vorteil machen können.
Manager unter Druck
Artificial Intelligence war auch beim heurigen Weltwirtschaftsforum in Davos ein Hauptthema. Eine Befragung der Beratungsfirma Deloitte unter weltweit 2800 Führungskräften hat gezeigt, dass sich die Entscheidungsträger durch diese neue Technologie massiv unter Druck fühlen. Positiv zu bewerten wäre, dass eine Innovationswelle ausgelöst wird, negativ, dass es schwierig wäre, mit dem Tempo mitzuhalten: Es gäbe großen Druck zu Veränderungen. Acht von zehn Führungskräften erwarten eine erhebliche Umgestaltung im Unternehmen. Derzeit fokussieren alle mehr auf Effizienzsteigerung und Kostensenkung, strategische Faktoren wie Innovation (und Wachstum) sind noch zweitrangig.
Nicht nur große Unternehmen fühlen sich durch KI unter Druck gesetzt. Auch KMU müssen mit dieser Technologie und weiteren umgehen lernen. Auf die Unternehmen kommen ja nicht nur neue Technologien, sondern auch neue rechtliche Rahmenbedingungen zu. Europa verändert gerade den gesamten rechtlichen Rahmen für die digitale Welt. Neben dem schon erwähnt AI Act gibt es noch den Digital Markets Act, den Digital Services Act, den Data Act und den Data Governance Act. Diese rechtlichen Veränderungen, die nicht unbedingt in der ganzen Breite zueinander kompatibel sind und teilweise noch unklare Begriffe enthalten, werden die Unsicherheit weiter erhöhen. Dennoch sind die rechtlichen Veränderungen ohne Alternative, wenn es gilt, die digitale Souveränität Europas wieder herzustellen.
China will bis 2030 Marktführer werden und besonders die USA ausstechen, nicht nur durch künstliche Intelligenz. Es verbindet die Technologie auch mit noch lückenloserer Überwachung. Robotik und
KI können auch viele Jobs automatisieren, was bei der rasch schrumpfenden Bevölkerung hier positiv gesehen wird.
Die Nutzung von KI für aufstrebende Länder, etwa in Afrika, ist eine große Chance, da sie bisher viele Chancen durch alte Technologien nicht nutzen konnten, Schulen werden oft nicht besucht, Lehrpersonal ist knapp. AI ist eine wunderbare Gelegenheit, schreibt das Wirtschaftsmagazin „Economist“, sie müsse nur genutzt werden. Das zeigt, dass die neue Technologie ganz unterschiedliche Wirkungen haben kann.
KMU fehlt Know-how
In Europa verordnet sich der öffentliche Sektor interessanterweise selbst eine Reform. Mit dem Data Governance Act müssen alle öffentlichen Daten kartografiert werden und möglichst auch der Zugang hergestellt werden. Daraus kann sich nicht nur eine effizientere Verwaltung ergeben, sondern auch neue Möglichkeiten für Unternehmen.
Diese kann man aber nur nutzen – und das gilt auch für KI in vielen Fällen –, wenn man mit Daten umgehen kann. Hier besteht noch eine große Lücke, insbesondere bei kleinen Unternehmen, aber auch bei der öffentlichen Hand. Man denke nur an die Datenprobleme während der Pandemie.
Daher sollte die Data Literacy bei Unternehmen, beim Staat sowie bei den Bürgerinnen und Bürgern ein vorrangiges Ziel sein, um ein Fundament für die rasch voranschreitende Digitalisierung zu haben. Dann würden die positiven Effekte der KI überwiegen, die Angst wäre nicht begründet gewesen.