Schützt der serbische Staat seine einstigen Killer?
Der Journalist Slavko Ćuruvija war während des Milošević-Regimes 1999 erschossen worden. Nun wurden seine mutmaßlichen Mörder von einem serbischen Gericht freigesprochen. Und das sorgt für Entsetzen.
Ein ungesühnter Journalistenmord sorgt beim EU-Anwärter Serbien auch nach 25 Jahren noch immer für Wellen – und für Empörung. „Der Staat, der den Mord begangen hat, schützt jetzt die Mörder“, titelte aufgebracht die unabhängige Zeitung „Danas“. „Wird für den Mord an Slavko Ćuruvija niemand zur Verantwortung gezogen?“, fragt sich besorgt die Belgrader Zeitung „Blic“.
Schüsse in den Rücken
Mit einer symbolischen weißen Fahne für Serbiens Justiz, die sich „der Macht“ergeben“habe, zogen zu Wochenbeginn Hunderte von Journalisten vor das Berufungsgericht in Belgrad. Der Grund: Nach zehn Monaten hat das Gericht nun den offenbar bereits im Frühjahr gefällten Freispruch für vier frühere Geheimdienstagenten veröffentlicht. In erster Instanz des neu aufgerollten Verfahrens waren sie wegen der Ermordung des Publizisten Ćuruvija während des KosovoKriegs 1999 noch zu insgesamt 100 Jahren Haft verurteilt worden.
Mit einem Dutzend von Schüssen in den Rücken war der 49-jährige Herausgeber der Boulevardzeitung „Dnevni Telegraf“am 11. April 1999 am helllichten Tag vor seinem Hauseingang erschossen worden. Kurz vor dem Attentat hatte Mirjana Marković, die Ehefrau des damaligen Autokraten Slobodan Milošević, dem wegen der kritischen Berichterstattung seines Blatts in Ungnade gefallenen Journalisten öffentlich vorgeworfen, die NatoBombardierung Serbiens verursacht zu haben. Und die mächtige Politikerin hatte ihm angedroht, dass ihn das „Volk richten“werde.
Neu aufgerollter Prozess
Doch es war nicht das Volk, sondern Geheimdienstschergen, denen Ćuruvija zum Opfer fiel. Erst 16 Jahre nach dem Attentat wurde 2015 der erste Prozess gegen vier frühere Geheimdienstagenten eröffnet: Die Anklage warf dem früheren Geheimdienstchef Radomir Marković die Anordnung des Auftragsmords vor sowie den früheren Agenten Ratko Romić, Milan Radonjić und Miroslav Kurak die Teilnahme an dessen Vorbereitung und Ausführung. Erst 2019 wurden die vier Angeklagten in erster Instanz zu insgesamt 100 Jahren Haft verurteilt – ein Urteil, das von der Berufungsinstanz wegen angeblicher Verfahrensfehler ein Jahr später kassiert wurde. In dem neu aufgerollten Prozess wurde die einstigen Agenten 2021 in erster Instanz zwar erneut zu jeweils 20 bis 30 Jahren Haft verurteilt, doch nun vom Berufungsgericht wegen angeblich mangelnder Beweise freigesprochen.
Schützt der serbische Staat seine einstigen Killer? Von einer seit über 24 Jahren andauernden Justizfarce, die nur dazu diene, dass das Attentat nie gesühnt werde, spricht entrüstet Branka Prpa, die einstige Lebenspartnerin des Mordopfers: „Die Repräsentanten der damaligen Machthaber, die hinter dem Mord standen, sind noch immer an der Macht.“