Favorit sitzt in Haft: Pakistan wählt unter der Knute der Armee
Ex-Premier Imran Khan führte seine Kampagne aus dem Gefängnis. Ein weiterer Ex-Premier feierte überraschendes Comeback.
Ein Bombenanschlag auf eine Polizeistation, ein weiteres Attentat in der Unruheprovinz Belutschistan mit insgesamt drei Dutzend Toten: Gewalt gehört leider fast zur Folklore bei Wahlen in Pakistan. Sie war womöglich nur ein Vorgeschmack auf die Tumulte rund um die Parlamentswahl in der zweitgrößten muslimischen Nation am Donnerstag, die von einem Machtkampf des Ex-Premiers Imran Khan mit der Armee geprägt war – und vom überraschenden Comeback Nawaz Sharifs, des dreimaligen Premiers aus einer der beiden führenden Politdynastien.
2018 war der Populist Khan, ein ehemaliger Cricket-Weltmeister, mithilfe der Militärs an die Macht gekommen. Knapp vier Jahre später fiel er indes in Ungnade bei den Generälen, als er offen Kritik wagte und darauf beharrte, den Geheimdienstchef selbst zu ernennen, statt ihn sich von der Armee vorschreiben zu lassen. Die Militärs betrieben seinen Sturz durch ein legales Misstrauensvotum im Parlament. Khan sprach von einem Komplott der mächtigen Generäle, die das Land jahrzehntelang regiert hatten, im Verbund mit der CIA.
Mehr als 30 Jahre Haft
Seither drangsalieren die Militärs den früheren Sportstar und ExPlayboy, sie verfolgen seine Anhänger und decken Khan und seine Getreuen mit Dutzenden Klagen ein. Seit August sitzt der 71-Jährige in Haft, der bei einem Anschlag im Herbst 2022 mit Schüssen in den Oberschenkel davongekommen ist. Innerhalb weniger Tage verurteilte ihn die Justiz in der Vorwoche bei drei fadenscheinigen Prozessen zu mehr als 30 Jahren – wegen des Verrats von angeblichen Staatsgeheimnissen, der Annahme von Geschenken und der Hochzeit mit einer noch verheirateten Frau, seiner spirituellen Leitfigur.
Schließlich untersagte die Wahlbehörde der Partei Khans, der PTI, auch noch den Gebrauch ihres populären Symbols – des Cricketschlägers. In einem Land mit einer Analphabetenrate von mehr als 40 Prozent ist der Wegfall des Logos ein schwerer Wettbewerbsnachteil. Doch Khan ließ sich nicht beirren. Mittels seiner Anwälte schmuggelte er Notizen aus dem Gefängnis, die via künstliche Intelligenz in Sprachbotschaften mit der Stimme Khans umgewandelt wurden – ein cleverer Schachzug.
Die Militärs und die Clans
Unter den Jungen und in den sozialen Medien genießt Imran Khan nach wie große Popularität, die Polarisierung zieht sich indessen durch viele Familien. Die Macht der Armee durchdringt das ganze Land. Seit Jahrzehnten schaltet sie nach Belieben, putscht einmal die Bhuttos von der Macht und einmal die Sharifs. Noch kein Premier hat die gesamte Amtsperiode von fünf Jahren durchgedient.
Bilawal Bhutto Zardari, der 35jährige Erbe des Bhutto-Clans – Sohn und Enkel zweier ermordeter Premierminister –, konkurriert mit Khan um die Stimmen der jungen Generation. Neuerdings legt er sein Augenmerk auf den Klimawandel, der Pakistan mit Hitzewellen und Überflutungen in den vergangenen Jahren in extremer Weise heimgesucht hat.
Seit der Abwahl Imran Khans hat Bilawal Bhutto Zardari als Außenminister agiert, in einer Koalition mit der Muslimliga und Shehbaz Sharif, dem Statthalter seines Bruders. Die beiden waren vor allem damit beschäftigt, Pakistan vor dem Bankrott zu bewahren. Der Internationale Währungsfonds sprang mit einem Milliardenkredit ein, der den Ruin abwendete.
Im Herbst kehrte derweil Nawaz Sharif zur allgemeinen Verblüffung aus dem Exil in London heim. Er hatte sich schon mehrmals mit der Armee überworfen, und jedes Mal feierte er als Premier ein Comeback. Der 74-Jährige erlangte die Gunst der Generäle zurück, und er könnte wieder zum Regierungschef von ihren Gnaden avancieren.