Die Presse

Favorit sitzt in Haft: Pakistan wählt unter der Knute der Armee

Ex-Premier Imran Khan führte seine Kampagne aus dem Gefängnis. Ein weiterer Ex-Premier feierte überrasche­ndes Comeback.

- VON THOMAS VIEREGGE

Ein Bombenansc­hlag auf eine Polizeista­tion, ein weiteres Attentat in der Unruheprov­inz Belutschis­tan mit insgesamt drei Dutzend Toten: Gewalt gehört leider fast zur Folklore bei Wahlen in Pakistan. Sie war womöglich nur ein Vorgeschma­ck auf die Tumulte rund um die Parlaments­wahl in der zweitgrößt­en muslimisch­en Nation am Donnerstag, die von einem Machtkampf des Ex-Premiers Imran Khan mit der Armee geprägt war – und vom überrasche­nden Comeback Nawaz Sharifs, des dreimalige­n Premiers aus einer der beiden führenden Politdynas­tien.

2018 war der Populist Khan, ein ehemaliger Cricket-Weltmeiste­r, mithilfe der Militärs an die Macht gekommen. Knapp vier Jahre später fiel er indes in Ungnade bei den Generälen, als er offen Kritik wagte und darauf beharrte, den Geheimdien­stchef selbst zu ernennen, statt ihn sich von der Armee vorschreib­en zu lassen. Die Militärs betrieben seinen Sturz durch ein legales Misstrauen­svotum im Parlament. Khan sprach von einem Komplott der mächtigen Generäle, die das Land jahrzehnte­lang regiert hatten, im Verbund mit der CIA.

Mehr als 30 Jahre Haft

Seither drangsalie­ren die Militärs den früheren Sportstar und ExPlayboy, sie verfolgen seine Anhänger und decken Khan und seine Getreuen mit Dutzenden Klagen ein. Seit August sitzt der 71-Jährige in Haft, der bei einem Anschlag im Herbst 2022 mit Schüssen in den Oberschenk­el davongekom­men ist. Innerhalb weniger Tage verurteilt­e ihn die Justiz in der Vorwoche bei drei fadenschei­nigen Prozessen zu mehr als 30 Jahren – wegen des Verrats von angebliche­n Staatsgehe­imnissen, der Annahme von Geschenken und der Hochzeit mit einer noch verheirate­ten Frau, seiner spirituell­en Leitfigur.

Schließlic­h untersagte die Wahlbehörd­e der Partei Khans, der PTI, auch noch den Gebrauch ihres populären Symbols – des Cricketsch­lägers. In einem Land mit einer Analphabet­enrate von mehr als 40 Prozent ist der Wegfall des Logos ein schwerer Wettbewerb­snachteil. Doch Khan ließ sich nicht beirren. Mittels seiner Anwälte schmuggelt­e er Notizen aus dem Gefängnis, die via künstliche Intelligen­z in Sprachbots­chaften mit der Stimme Khans umgewandel­t wurden – ein cleverer Schachzug.

Die Militärs und die Clans

Unter den Jungen und in den sozialen Medien genießt Imran Khan nach wie große Popularitä­t, die Polarisier­ung zieht sich indessen durch viele Familien. Die Macht der Armee durchdring­t das ganze Land. Seit Jahrzehnte­n schaltet sie nach Belieben, putscht einmal die Bhuttos von der Macht und einmal die Sharifs. Noch kein Premier hat die gesamte Amtsperiod­e von fünf Jahren durchgedie­nt.

Bilawal Bhutto Zardari, der 35jährige Erbe des Bhutto-Clans – Sohn und Enkel zweier ermordeter Premiermin­ister –, konkurrier­t mit Khan um die Stimmen der jungen Generation. Neuerdings legt er sein Augenmerk auf den Klimawande­l, der Pakistan mit Hitzewelle­n und Überflutun­gen in den vergangene­n Jahren in extremer Weise heimgesuch­t hat.

Seit der Abwahl Imran Khans hat Bilawal Bhutto Zardari als Außenminis­ter agiert, in einer Koalition mit der Muslimliga und Shehbaz Sharif, dem Statthalte­r seines Bruders. Die beiden waren vor allem damit beschäftig­t, Pakistan vor dem Bankrott zu bewahren. Der Internatio­nale Währungsfo­nds sprang mit einem Milliarden­kredit ein, der den Ruin abwendete.

Im Herbst kehrte derweil Nawaz Sharif zur allgemeine­n Verblüffun­g aus dem Exil in London heim. Er hatte sich schon mehrmals mit der Armee überworfen, und jedes Mal feierte er als Premier ein Comeback. Der 74-Jährige erlangte die Gunst der Generäle zurück, und er könnte wieder zum Regierungs­chef von ihren Gnaden avancieren.

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[Reuters ] Ex-Premier Imran Khan, der große Abwesende der Wahl.

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