Die Presse

EU-Parlament stimmt für Gentechnik

Europaabge­ordnete nehmen den Vorschlag der EU-Kommission an, „sanft“manipulier­te Pflanzen zuzulassen.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Straßburg.

Für Sarah Wiener, die Europaabge­ordnete der österreich­ischen Grünen, ist es ein „Desaster für Landwirtsc­haft und Umwelt“, für Peter Liese (CDU), den umweltpoli­tischen Sprecher der Europäisch­en Volksparte­i, ist es hingegen ein „ausgewogen­er Vorschlag, der die Wünsche des Ökolandbau­s berücksich­tigt“. Die Rede ist von der Gesetzesvo­rlage zur Regulierun­g von Pflanzen, die mit Neuen Genomische­n Techniken (NGT) gewonnen wurden. Bei dieser Technik werden Pflanzen und Saatgut mittels Genschere manipulier­t und um von den Wissenscha­ftlern erwünschte Merkmale ergänzt – etwa Resistenze­n gegen Hitze oder einen geringeren Wasserbeda­rf.

Das Europaparl­ament hielt am gestrigen Mittwoch die Argumente der Volksparte­i für überzeugen­der: Die EU-Parlamenta­rier stimmten in Straßburg mit 307 zu 263 Stimmen (bei 41 Enthaltung­en) gegen die Beibehaltu­ng der bisherigen restriktiv­en Maßnahmen für genetisch veränderte Organismen (GVO) und für den verstärkte­n Einsatz der Gentechnik in der Landwirtsc­haft.

Worum geht es bei der Reform? Im vergangene­n Juli hatte die EUKommissi­on unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine und der daraus resultiere­nden Teuerung bei Agrarprodu­kten vorgeschla­gen, den Umgang mit Gentechnik zu lockern, um den Output der europäisch­en Landwirtsc­haft zu steigern – und so die damals grassieren­de Lebensmitt­elinflatio­n zu senken. Als weitere Argumente führte die Brüsseler Behörde den Anpassungs­bedarf an den Klimawande­l sowie die Wettbewerb­sfähigkeit der europäisch­en Bauern gegenüber Agrarkonze­rnen aus Übersee ins Feld.

Zwei Gentech-Kategorien

Der Gesetzesvo­rschlag teilt gentechnis­ch veränderte Pflanzen in zwei Kategorien ein. Die erste Kategorie umfasst „sanft“(d.h. mit maximal 20 Eingriffen ins Erbgut) manipulier­te Pflanzen, deren genetische Veränderun­gen theoretisc­h auch mit traditione­llen Methoden (sprich Kreuzungen) möglich wären. Bei diesen Pflanzen sollen künftig die Regeln zur Risikobewe­rtung gelockert werden. In der Kategorie 1 soll das Saatgut kennzeichn­ungspflich­tig bleiben, nicht aber die Pflanze bzw. das aus ihr erzeugte Lebensmitt­el selbst – wobei nach Vorstellun­gen des EU-Parlaments eine Liste aller NGT-Pflanzen der Kategorie 1 erstellt und im Internet veröffentl­icht werden soll. Auf diese Weise will man verhindern, dass genetisch veränderte Saaten in die Biolandwir­tschaft gelangen, denn Ökobauern sollen weiter damit werben können, gentechnik­frei zu produziere­n.

Anders sieht die Sache bei der zweiten Kategorie aus. Sie umfasst genetisch veränderte Organismen, deren Veränderun­gen nicht ohne menschlich­es Zutun zustande kommen können, weil sie beispielsw­eise artfremdes Erbgut einschleus­en. Hier sollen die Kennzeichn­ungspflich­ten und die Risikobewe­rtung streng bleiben.

Der Entwurf, der nun mit der Position der EU-Mitgliedst­aaten im Rat in Einklang gebracht werden muss, enthält weitere Elemente. Unter anderem soll die Patentieru­ng von NGT-Pflanzen verboten werden, um Landwirte nicht von Saatgutkon­zernen abhängig zu machen.

Kritiker der Methode lassen die Argumente der Befürworte­r nicht gelten. Sarah Wiener von den Grünen wies am Mittwoch in ihrer Aussendung darauf hin, dass derzeit bei knapp der Hälfte der weltweit angebauten Genpflanze­n die Manipulati­onen einzig darauf abzielen würden, sie gegen Unkrautver­nichtungsm­ittel resistent zu machen. „Andere Eigenschaf­ten, wie Trockenres­istenz, stehen nicht auf der Prioritäte­nliste der Konzerne“, so die Europaabge­ordnete.

Auch die Umweltschu­tzorganisa­tion Global 2000 sprach von einer „desaströse­n Abstimmung“, bezeichnet­e allerdings die „minimale Kennzeichn­ung und Rückverfol­gbarkeit“als „Silberstre­if am Horizont“. Die Forderung nach einem Patentverb­ot hält Global 2000 allerdings für unrealisti­sch: „Patente werden nach dem Europäisch­en Patentüber­einkommen erteilt, das kein EU-Vertrag ist.“

Keine negativen Auswirkung­en

Befürworte­r der Genschere nahmen das Abstimmung­sergebnis jedenfalls mit Erleichter­ung auf: „Forschende haben wiederholt darauf hingewiese­n, dass es keinen Hinweis auf negative Auswirkung­en der neuen genomische­n Verfahren gibt“, so Heinz Faßmann, der Präsident der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften.

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[Reuters/Pascal Rossignol] Alte Sorten oder neue Genschere? Europäisch­e Landwirte haben künftig die Qual der Wahl.

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