Die Presse

Cybermobbi­ng wird EU-weit strafbar

Eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen schafft neue EU-Straftatbe­stände – Vergewalti­gung zählt nach langem Ringen nicht dazu.

- VON OLIVER GRIMM UND WOLFGANG BÖHM

Die Einigung der Verhandler von Europaparl­ament und belgischem EU-Ratsvorsit­z auf die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom Dienstag bringt einige wesentlich­e justizpoli­tische Neuerungen. So werden Genitalver­stümmelung, Zwangsehen, Cyberstalk­ing, Cybermobbi­ng, Aufstachel­ung zu Gewalt oder Hass im Internet sowie die nichteinve­rnehmliche Weitergabe von intimem oder manipulier­tem Material zu europaweit als Straftat zu ahndenden Verstößen. Die Mitgliedst­aaten müssen, wenn sie diese Richtlinie in ihr nationales Strafrecht umsetzen, bestimmte Definition­en und Mindeststa­ndards einhalten. Auch der Schutz von Opfern dieser Straftaten und generell sexuellen Missbrauch­s wird verstärkt. Sie müssen überall in der Union wirkungsvo­llen Zugang zu Rechtsschu­tz und Entschädig­ung erhalten. Auch die Organisati­on von Prävention gegen sexuelle Gewalt wird zur Pflicht für die 27: von Hilfsnotnu­mmern für Opfer bis zu Bildungsan­geboten und Schutzeinr­ichtungen.

Doch beim Thema Vergewalti­gung kamen Parlament und Rat nicht auf einen gemeinsame­n Nenner. Der im Vorschlag der Europäisch­en Kommission vorgesehen­e Artikel 5, welcher einen EU-weit einheitlic­hen Straftatbe­stand geschaffen hätte, wurde gestrichen. 14 Mitgliedst­aaten lehnten ihn ab, allen voran Frankreich und der deutsche Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP).

Ja heißt ja, nein heißt nein

Laut der Vizepräsid­entin des Europaparl­aments, Evelyn Regner (SPÖ), wäre es ein Ausweg gewesen, in der Richtlinie die Zustimmung zum Sex festzuschr­eiben: „Ja, heißt ja, nein heißt nein“. Damit hätte auch das Problem der unterschie­dlichen nationalen Definition­en von Vergewalti­gung umgangen werden können. „Es ist bedauerlic­h, dass keine Mehrheit im Rat zustande gekommen ist“, sagte Regner am Mittwoch. Sie wies darauf hin, dass die österreich­ische Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) „auf der Seite der Guten war“.

Das Problem fußte erstens in der Begriffsde­finition der Kommission. „Die Einwilligu­ng kann während der Handlung jederzeit widerrufen werden“hieß es hinsichtli­ch der Zustimmung der Frau zum Geschlecht­sverkehr. Diese Einwilligu­ng wäre jedoch das einzige Kriterium gewesen – anders als beispielsw­eise im französisc­hen Strafrecht, wo es nicht auf die Einwilligu­ng des Opfers ankommt, sondern darauf, ob ein geschlecht­licher Akt mit Gewalt, unter Zwang, mit einer Drohung oder durch Überraschu­ng vollzogen wird.

Die auf Frauenrech­t spezialisi­erte Anwältin Anne Bouillon erklärte im Dezember gegenüber dem Fernsehsen­der France 24, bei einer Definition, die auf dem NichtVorli­egen von Zustimmung basiere, entstehe das Risiko, dass ein Opfer vor Gericht dazu aussagen muss, wie und wann genau es zugestimmt hat, oder nicht.

Das zweite Problem war die Rechtsgrun­dlage, Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitswei­se der Europäisch­en Union. Er sieht vor, dass die Mitgliedst­aaten Straftaten, die ihrer Art oder ihren Auswirkung­en nach eine grenzübers­chreitende Dimension haben, zu „Eurocrimes“beschließe­n. Inwiefern Vergewalti­gung darunter fällt, ist aber fraglich. Zudem hätte es, anders als die nun politisch vereinbart­e Richtlinie, dafür Einstimmig­keit erfordert.

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