Botschafter für „Japans Sisi“
Der Juristenball steht unter dem Motto „Vienna meets Tokyo“. Lorenz Coudenhove-Kalergi wird dort von seiner Großmutter Mitsuko berichten.
Vienna meets Tokyo“. Wenn am Samstag in der Wiener Hofburg der Juristenball steigt, dann ist jemand mit dabei, der zu diesem Motto erzählen kann wie kaum jemand anderer: Lorenz Coudenhove-Kalergi tritt auf dem Ball als Auskunftsperson über seine japanische Urgroßmutter Mitsuko auf. Sie wurde zur Kultfigur, als sie den österreichisch-ungarischen Gesandtschafts-Geschäftsträger Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi heiratete, sieben Kinder gebar – und nach Europa ging. Japan hatte sich nach 750 Jahren abgeschotteter Feudalherrschaft gerade geöffnet – Mitsuko gilt dort bis heute als Heldin.
Die Presse: Sie treten in einer besonderen „Mission“am Wiener Juristenball auf – wird Ihre Cateringfirma dort anbieten?
Lorenz Coudenhove-Kalergi: Nein. Ich stehe bei einer Dia-Show über Japaner mit Österreich-Bezug unter einem Monitor, auf dem Fotos meiner japanischen Urgroßmutter, Mitsuko Coudenhove-Kalergi, laufen. Es liegen Bücher und Fotos auf – man kann mich live befragen.
Das Plakat zum Ball zeigt eine Asiatin im traditionellen Kimono – optisch könnte das Ihre Urgroßmutter sein?
Absolut. Sie soll eine wunderschöne Frau gewesen sein.
Wieso ist Mitsuko in Japan so populär, dass es mehrere Bücher, einen Film, eine mehrteilige Fernsehserie, einen Comicstrip und sogar ein Musical über sie gibt?
Es ist erstaunlich. Ich habe viele japanische Filmfirmen beraten. Sogar in den Mangas, das sind Comics für Kinder und Erwachsene, ist Mitsuko Dauerthema.
Ihre Tante, die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi, schreibt in ihrem autobiografischen Buch „Zuhause ist überall“, Mitsuko würde in Japan wie eine Art „fernöstliche Sisi“verehrt, „eine romantische Gestalt im europäischen Dekor der Jahrhundertwende“. Sie hege aber Zweifel, dass das Klischee der Wahrheit entsprach …
Die Legende von dem durchgegangenen Pferd, das meinen Urgroßvater Heinrich Coudenhove-Kalergi, Geschäftsträger in der österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in Tokio, vor dem Antiquitätengeschäft des Vaters von Mitsuko verletzt liegen ließ, und die blutjunge Mitsuko als rettender Engel, in den er sich verliebt – das stimmt historisch nicht. Tatsächlich war mein Urgroßvater ein Sammler und Verehrer japanischer Kunst, und der Botschaftssekretär Heinrich von Siebold, der für die Organisation des japanischen Pavillons auf der Weltausstellung 1873 in Wien tätig war, hat meinem Urgroßvater das Geschäft gezeigt, wo Mitsuko Tee servierte. Zwei Wochen danach haben sie geheim geheiratet. Mitsuko ließ sich taufen und nahm den Namen Maria Thekla an. Drei Jahre später kam die offizielle Eheerlaubnis vom österreichischen und vom japanischen Kaiser.
Auf dem Grabstein Ihrer Urgroßmutter Mitsuko am Hietzinger Friedhof findet Ihre Familie immer wieder ein Fläschchen Sojasauce – ein Zeichen, dass japanische Besucher hier waren. Welchen Stellenwert hat Ihre japanische Urgroßmutter heute innerhalb der Familie?
Eigentlich keinen großen, es hängen bei uns ein paar Bilder von ihr – aber durch meine Aktivitäten, die MitsukoTouren, ist sie jetzt wieder präsent.
Mitsuko-Touren?
Wir führen Kleingruppen einen Tag durch das Wien Mitsukos. Start ist vor der Staatsoper, dann geht es nach Schönbrunn, in die asiatischen Räume, es gab auch tatsächlich ein Treffen zwischen Mitsuko und Kaiserin Sisi. Zum traditionell österreichischen Mittagessen in unserem Familienhaus in Hietzing ist jeweils ein Familienmitglied der jüngeren Generation anwesend – die Japaner wollen wissen, wie Mitsukos Nachfahren heute leben. Wir zeigen einen Mitsuko-Film. Dann fahren wir zum Hietzinger Friedhof zur Familiengruft – und zum benachbarten Grab von Gustav Klimt, den die Japaner adorieren: Er hat immer wieder, gemäß der damaligen Mode, fernöstliche Element in seine Kunst integriert. Wir machen einen Gang durch das Bezirksmuseum Mödling, wo es ebenfalls Erinnerungsstücke gibt. Die Tour endet im Heiligenkreuzerhof in Wien. Dort gibt es eine Plakette, die daran erinnert, dass mein Großonkel Richard von hier aus vor Hitler fliehen musste.
Also klären Sie die japanischen Gäste auch über andere Mitglieder Ihrer Familie auf?
Ja, die japanischen Verbindungslinien reichen bis ins Heute. Im Schloss Ronsperg (Poběžovice) im Böhmerwald, wo meine japanische Urgroßmutter eine Zeit lang lebte, ist in den vergangenen Jahren einiges in Bewegung geraten. Nachdem das Gebäude enteignet und nach der Vertreibung der Deutschen viele Jahre dem Verfall preisgegeben war, wird dort jetzt langsam renoviert. Ein japanisches Konsortium hat die Restaurierung zweier Räume von Mitsuko finanziert, es wurden Wandzeichnungen von ihr freigelegt. Der junge Bürgermeister ist ein Glücksfall, er denkt nicht mehr in den alten Kategorien, er ist mein Freund geworden. Er will den Komplex wieder öffnen und mit seinem Büro einziehen. Dann kann ich meine Mitsuko-Touren in das ca. viereinhalb Stunden von Wien entfernte Schloss ausdehnen.