Das Geld fließt wieder in die Start-up-Branche
Die Branche erlitt in den vergangenen Jahren einen Kahlschlag. Nun kehren die Investoren wieder zurück und werden internationaler.
Die Stimmung in der heimischen Start-up-Szene hellt sich allmählich auf: Das Geld sitzt bei Investorinnen und Investoren wieder lockerer, und 2023 konnte ein neuer Rekord bei der Zahl der Finanzierungsrunden eingefahren werden: 184 Stück. Allerdings ist das Gesamtvolumen im Vergleich zu den vorherigen beiden Start-up-Boomjahren gesunken: Während im Jahr 2022 noch mehr als eine Milliarde Euro investiert wurde, sank der Betrag 2023 auf 695 Millionen. Das liegt vorrangig an Großdeals im Umfang von mehr als 100 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr nicht stattgefunden haben, besagt das Start-up-Barometer der Beratungsfirma EY in seiner Jahresbilanz.
Zuletzt gab es in der Start-upSzene immer wieder Stellenabbau: So wurden etwa per Ende Jänner bei dem Wiener Start-up Storebox zehn der 90 Mitarbeiter gekündigt und auch bei GoStudent fand eine neue Kündigungswelle ihren Anfang. Dabei hat das Wiener Unicorn schon 2022 angesichts der geänderten wirtschaftlichen Situation zwei große hinter sich. Bei manchen Unternehmen betrifft es nicht nur die Mitarbeiter: Das Start-up Liefergrün, das im Herbst 2022 aus Deutschland nach Wien expandierte, beantragte in der vergangenen Woche ein Insolvenzverfahren. Das sind nur einige wenige Beispiele, das Phänomen zieht sich durch die ganze Branche. „In den vergangenen Jahren lag der Fokus auf Wachstum und es wurden in kurzer Zeit viele Mitarbeiter angestellt. Diese Start-ups spüren nun die Nachwehen und bauen Stellen ab“, sagt Hannah Wundsam, Geschäftsführerin bei Austrian Start-ups, im Gespräch mit der „Presse“. Laut Wundsam werde die Finanzierungslage auch im ersten Halbjahr noch dünn bleiben und es werden weitere Stellen abgebaut.
Frankreich als Vorbild
Dabei wurden die Unternehmen durchaus interessanter für internationale Investorinnen und Investoren: An mindestens 114 der 184 Finanzierungsrunden waren laut EY österreichische Investoren beteiligt. Das sind zwar immer noch 62 Prozent, die Tendenz ist aber fallend. Denn im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 75 Prozent. Und der Wert von Finanzierungsrunden, die ausschließlich von österreichischen Investoren getätigt wurden, fiel von 48 Prozent auf 40 Prozent. Damit gab es so viele rein von internationalen Investorengruppen getragene Runden wie noch nie. Allerdings beschränkten sie sich auf frühe Phasen.
Andere europäische Länder sind für Investoren attraktiver als Österreich. Frankreich gilt etwa als Vorreiter der Branche. Ein Grund: Präsident Emmanuel Macron hat die Start-up-Politik zur Chefsache erklärt. In Frankreich wurde etwa ein Start-up-Visum eingeführt: Bürgerinnen und Bürger aus Übersee dürfen damit direkt ein Unternehmen gründen. Daran könnte sich Österreich ein Beispiel nehmen: Die Rot-Weiß-Rot-Karte erleichtert die Arbeitskräftesuche zwar, eine sofortige Erlaubnis, bei Beantragung der Karte für ein Startup-Projekt zu arbeiten, hätte aber noch mehr Vorteile. Positiv hingegen sieht Wundsam das mit Jahresbeginn eingeführte Start-up-Maßnahmenpaket : Ein wesentlicher Teil davon ist die Möglichkeit, eine Flexible Kapitalgesellschaft (FlexCo) zu gründen. Die Gesellschaftsform erfordert ein Mindeststammkapital von 10.000 Euro und ermöglicht es, UnternehmenswertAnteile an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszugeben. Zum Vergleich: Das Stammkapital einer GmbH liegt bei 35.000 Euro.
In Europa und speziell Österreich erhalten Unternehmen mit Nachhaltigkeitsbezug oft einen Finanzierungszuschlag. Dabei sind diese Beteiligungen eher langfristig angelegt: GreenTechs brauchen oft viel Kapital, das in Forschung fließt, bevor ein Produkt auf den Markt kommt. Eines der erfolgreichsten heimischen Unternehmen in diesem Bereich ist Refurbed: Die in Wien gegründete Onlineplattform für generalüberholte Elektrogeräte sammelt regelmäßig Millionenbeträge ein. Das Geld für die bisher größte Investition stammt von Risikokapitalgebern: Evli Growth Partners, C4 Ventures, All Iron Ventures und Speedinvest.