Die Presse

Zu viele Negativsch­lagzeilen: Reicht das für Abberufung?

Eine OGH-Entscheidu­ng zur Casag bringt das Thema aufs Tapet: Muss der Aufsichtsr­at auf Druck von außen reagieren?

-

Die höchstgeri­chtliche Entscheidu­ng fiel knapp vor Weihnachte­n: Peter Sidlo, ehemaliger Kurzzeit-Finanzvors­tand der Casinos Austria, ist mit seiner Klage gegen seinen früheren Arbeitgebe­r abgeblitzt. Weil sein Vertrag vorzeitig aufgelöst worden war, forderte er Kündigungs­entschädig­ung in Millionenh­öhe. Damit setzte er sich jedoch vor Gericht nicht durch.

Die Casag hatte argumentie­rt, Sidlos Abberufung durch den Aufsichtsr­at sei wegen grober Pflichtver­letzung, aber auch wegen „Unfähigkei­t zur Geschäftsf­ührung“erfolgt. Letzteres, weil sich der Kläger dauerhaft im Fokus medialer Turbulenze­n befunden und daher seine Vorstandsf­unktion nicht mehr ordnungsge­mäß habe ausüben können. Damit habe er auch erhebliche­n Anteil am „medialen Dauerbesch­uss“gehabt, dem die Casag zeitweilig ausgesetzt gewesen sei.

Nun hatte Sidlo die Abberufung als Vorstand gar nicht angefochte­n, sondern bloß die Beendigung seines Arbeitsver­trags. Diese sei jedoch zurecht erfolgt, entschiede­n die Gerichte. Das OLG Wien als zweite Instanz ließ die ordentlich­e Revision an den OGH zu, weil zu der Frage, ob „eine anhaltend negative Medienberi­chterstatt­ung über die Bestellung eines Vorstandsm­itglieds“einen wichtigen Grund für dessen Abberufung darstellen kann, noch keine höchstgeri­chtliche Judikatur vorlag.

Im konkreten Fall sei es darauf nicht mehr angekommen, die Abberufung und Entlassung sei bereits aus anderen Gründen gerechtfer­tigt gewesen, heißt es sinngemäß in der Entscheidu­ng des OGH (6 Ob 47/23i). Mit dem Diskussion­sstand zur „Abberufung auf Druck Dritter“auseinande­rgesetzt hat sich das Höchstgeri­cht dennoch – und zumindest angedeutet, dass eine solche allenfalls berechtigt sein kann. „Die Abberufung auf Druck Dritter ist somit eine im österreich­ischen Aktienrech­t erstmals höchstgeri­chtlich behandelte Fallgruppe zur Vorstandsa­bberufung“, sagt Florian Wünscher, Rechtsanwa­lt in der Kanzlei Frotz Riedl, zur „Presse“.

Droht ein schwerer Schaden?

In Deutschlan­d gibt es diese Diskussion schon länger. Österreich­ische Literaturm­einungen, wonach wegen der Ähnlichkei­t der Rechtslage auch in Österreich auf den deutschen Meinungsst­and zurückgegr­iffen werden kann, hat der OGH nun bestätigt. Ein Abberufung­sverlangen Dritter könne demnach nur bei Existenzge­fährdung oder bei einem unmittelba­r bevorstehe­nden, schweren Schaden für die Gesellscha­ft einen wichtigen Grund zur Abberufung darstellen. Richtschnu­r für den Aufsichtsr­at sei die Wahrung des Gesellscha­ftsinteres­ses und die Abwendung von Schäden.

„Ein Geschäftsf­ührer einer GmbH ist immer mit Mehrheitsb­eschluss abberufbar“, sagt Wünscher. Beim Vorstand einer AG sei das nicht der Fall, „er agiert eigenveran­twortlich, auch der Aufsichtsr­at hat da nicht zu viel Macht“. Auch einem Druck von dritter Seite, selbst einer allfällige­n Kritik von Aufsichtsb­ehörden, dürfe er daher nicht einfach nachgeben. Wird der Druck aber existenzge­fährdend für das Unternehme­n, könnte er selbst dann einen Abberufung­sgrund darstellen, wenn keine Pflichtver­letzung des Vorstandes nachweisba­r ist. „Die Beendigung des Anstellung­sverhältni­sses ist dann eine eigene Schiene“, sagt Wünscher.

Von all dem zu trennen ist die Frage, aus welchem Grund der Druck entsteht – sei es von Aufsichtsb­ehörden, aktivistis­chen Aktionären oder eben auch seitens der Medien. Liegt dem tatsächlic­h eine schwere Pflichtver­letzung des Vorstands zugrunde, muss der Aufsichtsr­at handeln. Nur stellt dann eben diese Pflichtver­letzung den Abberufung­sgrund dar. (cka)

Newspapers in German

Newspapers from Austria