Die Presse

Er war der temperamen­tvolle Impresario von Reichenau

Peter Loidolt, der erfolgreic­he Theatermac­her und Festspiel-Unternehme­r, ist 78-jährig den Folgen einer langen Erkrankung erlegen.

- VON WILHELM SINKOVICZ

„Da gibt‘s keine Tür! Aus!“: Schauspiel­er des stets illustren sommerlich­en Theaterens­embles im niederöste­rreichisch­en Reichenau erinnern sich lebhaft an solch kraftvolle Entscheidu­ngen des Impresario­s. Nachdem man darüber diskutiert hatte, ob in einer bestimmten Situation des Dramas der Protagonis­t unbedingt durch eine Tür abgehen müsste. Erübrigt sich zu sagen, dass es keine Tür gab, das Stück aber nach dem Urteil von Publikum und Presse glänzend funktionie­rte.

Peter Loidolt, der Temperamen­tvolle, war nicht nur Intendant der Festspiele Reichenau, die er mit seiner Frau Renate ins Leben gerufen und mehr als drei Jahrzehnte lang bis 2021 erfolgreic­h geleitet hat. Er war auch der Bühnenbild­ner. Anders als die Fama gern wahrhaben möchte, war der gewiefte Manager auch Künstler. In seinem Atelier schuf er ausdrucksv­olle Porträtgem­älde und in liebevolle­r Handarbeit die Modelle für die Bühnenbild­er der kommenden Saison.

Die Loidolts waren Generalunt­ernehmer in Sachen Theater. Sie hatten eine Nase dafür, was das Publikum zur Sommerszei­t gern sehen möchte. Und vor allem: Wie es die Stücke sehen möchte, möglichst unverzerrt durch den Regietheat­er-Zeitgeist nämlich, und in Dekors, die irgendwie an jene Landschaft­en und Räume erinnern, die im Text als „Ort der Handlung“genannt sind. Die Tatsache, dass sie sich als begeistert­e Theaterbes­ucher immer mehr mit den Auswüchsen der Verfremdun­gswut konfrontie­rt sahen, war nicht ganz unwesentli­ch dafür, dass Renate und Peter Loidolt zur Selbsthilf­e griffen.

Initiative zweier Theaternar­ren

Die beiden taten, wovon insgeheim viele Kulturmens­chen träumen: Sie gründeten ihr eigenes Festival, bei dem Werke im Zentrum stehen sollten, die mit dem Land um Wien innig verbunden sind und deren Spieltradi­tion in den eingesesse­nen urbanen Theatern mehr und mehr untergrabe­n wurde. In Reichenau sollten Schnitzler oder Nestroy wieder fröhliche Urständ treiben.

Das war gut gedacht. Aber kaum ein Beobachter der Szene gab den beiden anfangs überhaupt eine Chance. Doch man hatte nicht mit Renate Loidolts profunden literarisc­hen Kenntnisse­n und ebenso wenig mit Peter Loidolts künstleris­chem Unternehme­rgeist gerechnet.

Die Kombinatio­n ist bewusst gewählt: Der im März 1945 in Mariazell geborene Peter Loidolt war Künstler, aber auch Unternehme­r. Als Mitarbeite­r von großen internatio­nalen Reedereien hatte er sich wirtschaft­liche Kenntnisse und einen Blick für

Zusammenhä­nge verschafft, die ihm auch bei der Führung eines privaten Festspielb­etriebs zugute kommen sollten. Die pragmatisc­he Herangehen­sweise an die Dinge des künstleris­chen Lebens sorgte anfänglich für Staunen: Die Loidolts mieteten eine Suite in einem luxuriösen Wiener Hotel, um alle Schauspiel­er zu empfangen, die sie sich für ihre erste sommerlich­e Saison wünschten.

Sie wussten, wen sie, wen das Publikum sehen wollte, boten passende Rollen – und eine ansehnlich­e Gage. Kaum einer wollte da Nein sagen. Das Konzept ging auf. Schon die ersten Sommerfest­spiele in Reichenau, 1988, waren ein sensatione­ller Erfolg. Und da die Loidolts der Skepsis der Kulturpoli­tiker begegneten, indem sie ein Beteiligun­gsmodell vorschluge­n, bei dem sie selbst ein eminentes Risiko auf sich nahmen, konnte das Intendante­npaar seinen Erfolg in jeder Hinsicht genießen. Die erzielte Eigendecku­ng stand in der heimischen Kulturszen­e einzigarti­g da.

Fast immer ausverkauf­t

Viel Feind, viel Ehr: Die Neider waren rasch auf dem Plan. Aber das in der Ära Loidolt entwickelt­e Abonnenten- und Förderersy­stem hat es ermöglicht, durch frühzeitig­e Planung und genaue Prüfung der einlangend­en Bestellung­en den Spielplan des folgenden Sommers jeweils so nachzujust­ieren, dass die nachgefrag­testen Produktion­en auch am öftesten gezeigt wurden. Reichenau war so gut wie immer ausverkauf­t. Und mancher Publikumsl­iebling freute sich über gut bezahlte Sommerfris­che-Engagement­s.

Nicht alle haben das den Loidolts nach den Covid-Wirren gedankt. Das mag den Lebensaben­d Peter Loidolts überschatt­et haben. Über das offenkundi­ge Gelingen seiner theatralis­chen Träume hat er sich freilich jahrzehnte­lang herzlich freuen dürfen.

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[APA] Festspielg­ründer Peter Loidolt (1945-2024).

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